Ja, selbst im Weinbau hat das „Ibiza-Video“ negative Folgen. Denn an sich war die Verordnung für das nächste DAC-Gebiet bereits in Begutachtung – nun allerdings wartet man in Carnuntum auf die Unterschrift der neuen Landwirtschaftsministerin. Das Rotwein-Gebiet hatte eigentlich vor, sich auch mit einer zweiten Neuerung noch klarer als Herkunftsregion zu positionieren. Denn auch den Österreichischen Traditions-Weingütern (ÖTW) war man beigetreten. 60% der Wein-Produktion Carnuntums repräsentieren jene 20 Winzer, die sich den Kriterien der Lagenklassifizierung der Donauraum-Vereinigung unterzogen haben. Das Traubenlogo mit der Abkürzung ÖTW und dem Einser werden neun Carnuntumer Rieden tragen.
Diese „Ersten Lagen“ stellen also einen Bruchteil der insgesamt 120 ausgewiesenen Rieden des Gebietes dar. Während diese Bezeichnung schon im September für die dann auf den Markt kommenden 2017er gilt, wartet man beim DAC auf die rechtliche Freigabe. Dennoch greifen beide Systeme ineinander, auch wenn es zwei Trägervereine gibt – das Regionale Weinkommitée (geleitet von Robert Payr) und ÖTW Carnuntum (mit Gerhard Markowitsch an der Spitze). Beide wollen den Lagencharakter stärken. Deshalb ist – als Neuheit im heimischen Bezeichnungsrecht – eine Riedenbezeichnung nur innerhalb des DAC und seiner Sorten möglich. Diese wurden neben dem Zweigelt und dem Blaufränkisch (sowie Cuvées mit mindestens 66% einer der beiden Sorten) mit Chardonnay, Grünem Veltliner und Weißburgunder definiert. „Riedenweine um sieben Euro soll es nicht geben“, zeigt sich Markowitsch als Anhänger einer Herkunftspyramide.
Darunter wird es – analog zu anderen Gebieten wie der Steiermark – Gebietsweine und Ortsweine geben. „Wie überall wird über die Ortsweine am meisten diskutiert“, erzählt der Göttlesbrunner Winzer beim Trinkprotokoll.at-Besuch. Einige Winzer haben bestehende Weine bereits nach ihren Herkunftsorten umbenannt, andere werden vermutlich gar keinen Wein zwischen Gebiets- und Riedenwein machen. Markowitsch selbst hat seinen „Prellenkirchen“ bereits gefüllt, es handelt sich um einen Weißburgunder. Und wie so oft fragt man sich beim Kosten, warum diese Sorte so ein „Underdog“ in der Gastronomie, aber auch bei privaten Weinkäufern ist.
Der 2017er vibriert vor Leben. Alpenkräuter, ein Touch Cumin und knackige Grapefruits machen das Duft-Bild aus. Auch im Ausbau geht man quasi einen Mittelweg zwischen Stahl (Gebietsweine) und Barrique (Rieden), im großen Holzfass wurde der „Prellenkirchen“ geschult. Lebhaft am Gaumen, springen einen Kaktusfeige und Gallia-Melonen förmlich an. Der saftige Antritt wird von einer Fülle an Kräutern und Gewürzen abgerundet. Sie werden im Finish dann etwas deutlicher als Koriandersaat, Holunderblüte und Melisse erkennbar. Für uns ist diese (weiße) Preview auf die Ortsweine gelungen – mögen viele Carnuntumer diesem Weg folgen!
Bei den Lagenweinen hingegen ist es ein Zweigelt, den Markowitsch entkorkt. Der 2015er „Ried Kirchweingarten“ wird von ihm in Ganztrauben-Pressung gekeltert. Er braucht also einige Zeit, bis die jugendliche Frische (aber auch leichte Herbheit) des Gerbstoffs sich mit der Frucht harmonisiert. Dieser Zeitpunkt ist da – und doch zeigt sich dieser Wein als eigenständig – und definitiv anders als die burgenländischen Mitbewerber ein paar Dutzend Kilometer weiter im Seewinkel. Mit seiner würzigen Nase nach Balsamico, Malven und Sauerkirsche erinnert er fast an einen St. Laurent.
Der erste Schluck zeigt aber, welche feine Note der Stängel-Anteil ihm mitgegeben hat: Würzige Rauchpaprika-Anklänge begleiten einen saftig-präzisen Zweigelt, der immer noch trinkanimierende Säure aufweist. Würde man hier blind verkosten, käme wahrscheinlich auch Cabernet Sauvignon zur Sprache. Oder anders gesagt: Bei diesem untypischen Zweigelt spricht definitiv die Lage mit. Also genau das, worum es der neuen Carnuntumer Nomenklatur geht: Quod erat demonstrandum.
Bezugsquelle:
Gerhard Markowitsch, Weißburgunder „Prellenkirchen” 2017 ist um EUR 18,63 erhältlich, der Zweigelt „Kirchweingarten“ 2015 um EUR 29,45, beide bei Vinorama, www.vinorama.at