Der Mann, der uns im „Wilden Osten“ der schottischen Insel Islay willkommen heißt, genießt eine sensationelle Aussicht. Unter anderem hat er täglich einen Berg aus Gold vor sich. So ließe sich der gälische Name des 785 Meter hohen Beinn an Òir übersetzen, der von der Nachbarinsel Jura herüberwinkt. Auf dieser Seite des Firth of Islay, wehen dafür die Fahnen von Caol Ila – und der Destillerie wegen treten die Gäste den Weg von Port Askaig her an. Andrew Millsopp, Islay Group-Senior Manager bei Diageo und damit neben Caol Ila auch Supervisor von Lagavulin (und der gesuchten Restmengen der ehemaligen Destillerie Port Ellen), hat das Büro „zur geilen Aussicht“. Und er führt auch durch die mit 6,5 Millionen Liter Whisky pro Jahr größte Destillerie der Insel (zum Vergleich: Ardbeg etwa kommt auf rund 1,1 Mio. Liter).
Die Größe ist auch ein wenig Fluch der Marke, denn natürlich werden nicht 10 Millionen 0,7 Liter-Flaschen Caol Ila gefüllt. Innerhalb des Konzerns liefert der Dram von der Insel das aromatische Backbone für Johnnie Walker. Womit man ihm aber im Umkehrschluß Unrecht tut, wenn man ihn nur als Blend-Bestandteil sieht. Um das zu beweisen, bauen Donald Colville und Andrew Millsopp Kostgläser auf der Stoff-Decke mit dem Karomuster der Destillerie auf – natürlich wurde die in der altmodischen Islay Woollen Mill von „Highlander“-Kilt-Weber Gordon Covell gewebt.
Wie immer spannend ist der farblose Glasinhalt, den man nur hier zu trinken bekommt. Der als New Make bezeichnete ungelagerte Whisky (manchmal auch White Dog genannt, da wasserhell) zeigt natürlich starke estrige Noten, vor allem grüne Banane und Honigmelone. Doch auch die Rauchigkeit, die zur DNA der Insel-Whiskies gehört, macht sich bemerkbar; eine zarte Selchfleischnote verweist auf das getorfte Malz. Braune Butter, etwas Kokos und Banane sowie die selchigen Noten des Rauchmalzes prägen dann den „fertig“ gelagerten 12-jährigen Caol Ila. Der buttrige Ton bleibt auch am Gaumen erhalten, wie Butterkeks beginnt der „12 years“. Jod und Rauchigkeit ummanteln einen nussigen Kern, der an Haselnuss-Schoko erinnert. Würzig zeigt sich der Abgang, der mit pfeffrigen Akzenten ausklingt.
Haus-Stil trifft Insel-Rauch: Caol Ila „18 years“
Ein Duft nach Kokos und Schoko wie von „Bounty“-Riegeln entsteigt dem Glas mit dem 18-jährigen Islay-Whisky. Der Rauch ist hier schon einer fruchtigen Note gewichen. Die alte Whisky-Weisheit „from peat to sweet“ bewahrheitet sich in diesem Falle in Form von getrockneten Pfirsichen. Doch die fruchtig-schokoladige Nase soll nicht täuschen, denn da kommt noch mehr. Auch der Kostschluck zeigt zunächst die Fruchtkorb-Seite des Caol Ila. Die kommt übrigens von der längeren Vergärung, klärt Andrew Millsopp auf: „Der Unterschied zwischen grasigem und fruchtigem Whisky liegt in der Gärdauer; länger bedeutet auch fruchtiger“.
Die gelbfruchtige Mixtur, dominiert von Marillen, beginnt gerade uns Spaß zu machen, als noch ein Gast erscheint: Spät, aber doch weht auch der Rauch herein. Wie ein Lagerfeuer riecht, so schmeckt dieser „18 years“ im Finish. Man bemerke: Nicht immer muss Rauchmalz einen Macho-Whisky der Marke „Um drei Uhr früh geleerter Aschenbecher“ bedeuten. Hier hat man den fruchtigen Haus-Stil und die ikonischen Torfnoten Islays schön und unerwartet verwoben – satte Frucht am Anfang, nachgereichte Torfnoten.
Die älteste Abfüllung, die bisher von der Destillerie selbst produziert wurde, läuft am Ende dann praktisch außer Konkurrenz: Der „30 years“ kam ursprünglich 2014 als Spezialabfüllung mit weniger als 8.000 Flaschen weltweit auf den Markt. In amerikanischen und europäischen Eiche-Fässern gelagert, wurde er nach drei Jahrzehnten in Fass-Stärke von 55,1% abgefüllt. Seine dunkle Aromatik mit kräftigem Honigaroma gibt dem raren Dram den Charakter eines reifen Rums. Auch am Gaumen ist der vom Alter geschliffene Caol Ila mit seinen Noten von Honig, karamellisierter Ananas und Milchkaffee anfangs rund und in sich ruhend. Erst gegen Ende erwacht die würzige Seite. Umso länger aber klingt der „30 years“ dann auch aus. Hoch elegant und eine echte Rarität! Die noch besser schmeckt mit dem Blick nach Jura, der wie eine Fototapete wirkt.
Bezugsquelle:
Caol Ila, 12 years (0,7 Liter-Flasche) ist um EUR 39,90, der „18 years“ um EUR 129,90 erhältlich; vom limitierten „30 years“ gibt es eine Restmenge um EUR 599 die Flasche – alle beim Weisshaus-Shop, www.weisshaus.at