Es ist eine aufwändige Sache und daher findet die Vergleichskost alias „Baden Tasting“ nur einmal jährlich statt. Dafür ist der Erkenntnisgewinn der von Bernadette Steurer-Weinwurm organisierten Vormittage hoch – denn aktuelle Weinthemen werden bei Die Zwei mit dem einzig validen Werkezeug, dem persönlich Gaumen, durchgenommen. Nach alkoholfreien Weinen (hier das wahrlich ernüchternde Ergebnis) ging es diesmal in der Kurstadt um Cabernet Franc. Die Sorte gehört als „Gewürz“ roter Cuvées in Prestige-reichen Gegenden wie dem Bordelais oder der Maremma zu den alten Bekannten. Reinsortig aber wird es etwa dünner im Weinregal.
Lange konnte man die heimischen Sortenvertreter an einer Hand abzählen (z. B. Walter und Markus Kirnbauers „Konquest“). Denn ohne Vollreife zählt das gefürchtete „Greanln“ – grüne, blättrige Geschmacksnoten – zur Standardausstattung. Das hat die Erderwärmung in der „CF“-Hochburg Burgenland mittlerweile aber selten werden lassen. Doch auch die Paprika-Tönung, die sein Abkömmling Cabernet Sauvignon geerbt hat, ist nicht jedermanns Sache. Es braucht also viel Erfahrung im Keller, um die Ecken abzuschleifen, aber dennoch den Charakter zu erhalten. Zuviel Holz, das ergab das „Baden Tasting“, tut der Sorte nicht gut. Wenn ein Cabernet Franc beliebig schmeckt („das könnte ein Zweigelt auch sein“), dann ging etwas schief.
Die Holz-Maske passt ihm gar nicht
Tatsächlich war das bei mehreren der 18 entkorkten (manchmal auch: entschraubten) Weinen der Fall. Zudem wurden keine Keller geplündert, sondern aktuell verfügbare Weine angekauft. Womit die jungen Jahrgänge – wir sprechen von 2018 bis 2021 – in der Mehrheit waren. Als Gesamtpaket überzeugten sie selten, auch wenn die Paprika-Tönung präsent war (Zitat: „Wie ein Sackerl „Kotányi Edelsüß“). Und deutlich besser gelernt ist der Umgang mit dem reinsortigen Ausbau außerhalb Österreichs: In allen Bewertungen der fünf Anwesenden rangierten die aus Frankreich, Italien und Argentinien stammenden Rotweine weit vorne.
Wobei es um ein feines Equilibrium geht. Gewürze sind toll, monocolorer Paprika eher nicht. Hier zeigte einer der jüngsten Weine auf – der 2021er „Ried Kaiserberg“ von Neukamp&Stadler aus Halbturn. Der Nestor-Parade-Rote zeitigte eine tolle Fruchtnase, aber auch ein sehr feiner Eukalyptus-Touch war zu riechen; weiters Malve, Kirschmarzipan und Kalmus. Nahezu seidig fiel die Textur aus, der runde Eindruck war früher zu spüren als zu schmecken. Dafür brauchte es erst noch Himbeere und etwas Cassis. Dieser Cabernet Franc hatte quasi einen Kopfstand vollführt: Die typischsten Sorten-Noten kamen am Ende. Da durfte dann der Paprika schon fast pikant im Piment d’Espelette-Stil werden. Sogar der leichte „smoky“ Unterton des Rauchpaprikas aus dem Baskenland wehte da aus dem Glas.
Dass man die Sorte auch in Zeiten sicherer Reife „zähmen“ muss, zeigte ein Wein, der streng genommen nicht ganz ins Kostportfolio gehört. Denn es sind „nur“ 60% die Christian Fischers Reserve „Vom Muschelkalk“ ausmachen. Doch eben die Brombeer- Noten (des Merlot) sowie Säure und Hauszwetschken-Anmutung (vom Zweigelt-Anteil) machten klar, wie gut dem Cabernet Franc eine Beimischung tut. Das ist die Liebesheirat unter Reben. Doch in diesem Fall ging es um die starken Einzelgänger mit Bindungsunwilligkeit. Ein solcher fand sich im fernen Südamerika. Der „Designado Vista Flores“ stammt aus dem Mendoza-Valley, wo man die Rebsorte auch immer mehr zu schätzen weiß. Richtig breit wird der „CF“ nie, auch wenn die Sonne brennt und der Alkohol Richtung 15% vol. marschiert.
Man hätte wohl nicht auf Argentinien getippt bei diesem säurig verbrämten Duft des 2019ers. Einzige Vorgabe: Er braucht Luft. Erst wenn der Senfgurken-Duft verflogen ist, zeigt sich die Frucht (Heidelbeere satt!) und auch ein von den ersten Jahren der Reife sanft geriebener Kakao. Wunderbar legt sich dann die Frucht ins Zeug – erst etwas Cranberry, dann strahlen reife Heidelbeeren in dunkelfruchtiger Kraft. Die geschmeidige Saftigkeit, in der erneut ein wenig jugendliche Säure auch noch steckt, machte den Roten der Bodega Los Helechos zu einem herrlichen Begleiter zu Roastbeef.
Während bei einigen der 18 Weine die Jugendlichkeit zu fühlen, um nicht zu sagen mit Zähnen zu beißen war, zeigte ein 2005er, wo die Reise hingehen kann. Aus dem Veneto, wo der „CF“ auch Bestandteil des DOC-Reglements der Euganeischen Hügel ist, stammt der Rotwein von Giacomo Salmaso. Und ehe es ans Trinkprotokollieren geht, sei vor allem eines gesagt: Dieser Wein ist am Punkt! Da darf man auch dem Auge misstrauen, dass angesichts der leichten Bräunung von einer hochgezogenen Braue geschirmt wird. Doch die Nase ist das präzisere Organ. Sie mag den Mix aus überreifer Schwarzkirsche, Bitterschokolade, Tapenade und Lorbeerblatt.
Samtig und mit einem Kakao-Schmelz von Beginn weg, rollte der gereifte Cabernet Franc über die Zunge. Herb und cremig zugleich, geht dieser Auftakt in eine erstaunliche Frische über – ein wenig jugendliche Säure steckt auch nach beinah 20 Jahren noch in ihm. Hier verstand man die Liebe zur Sorte nicht nur, man freute sich auch über einen der niedrigsten Flaschen-Preise des gesamten „Baden Tasting“.
Bezugsquellen:
Christian Fischer, „Vom Muschelkalk“ (Reserve rot) 2019 ist um EUR 15,- bei Wein Wagner zu beziehen, www.wagners-weinshop.com
Nestor Neukamp&Stadler, Cabernet Franc „Ried Kaiserberg“ 2021 kostet EUR 29,- im Webshop der Winzer, https://shop.neukampundstadler.at
Bodega Los Helechos, Cabernet Franc „Designado Vista Flores“ 2019 wird um EUR 21,90 bei Wein&Co angeboten, www.weinco.at
Azienda Agricola Giacomo Salmaso, Cabernet (Colli Euganei DOC) 2005 kostet EUR 11,40 bei Shöpping, www.shoepping.at