Larry Stone hört man zu, wenn er über Wein spricht. Zum einen sind da die beiden Buchstaben MS nach seinem Namen. Sie stehen für die raren Master Sommelier-Akkoladen. Zum anderen hat der US-Amerikaner nach einer Karriere, die allein zum Legenden-Status gereicht hat, beschlossen, selbst Wein zu machen. Lingua Franca soll dabei als Motto verstanden werden; die Abfüllungen aus diesem Unternehmen sollen wie eine universelle Sprache überall verstanden (und geschätzt) werden. Mit dem Wiener DiningRuhm kam ein neuer Ort zu „überall“ hinzu.
Larry Stone präsentierte dort die Chardonnays und Pinot Noirs des erst 2015 gegründeten Guts im Willamette Valley. Die Hochburg der Burgundersorten wird von drei Experten gesteuert. Denn Stone selbst steht mit Dominique Lafon ein magischer Name aus „la France“ direkt zur Seite. Der Mann, der in den Eola-Amity Hills das Tagesgeschäft führt, heißt Thomas Savre. Und auch er hat viel Erfahrung direkt im Burgund gesammelt. Wobei die Vergleiche auch hinken, wie Mr. Stone einräumt: „Bei uns ist es kälter als in Teilen der Bourgogne. Und dort streifen auch keine Pumas um die Winery“.
Dass Stone jahrzehntelang gelernt hat, mit Weingeschichten zu faszinieren, macht die Verkostung mit ihm zum Vergnügen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil er zu verstehen gibt, dass man den Gral in Oregon noch nicht gefunden hat. Vielmehr ist Lingua Franca ein „work in progress“. Was sich nicht zuletzt an den Diskussionen zwischen Monsieur Lafon und Stone über das Thema „Ganztraube oder Entrappung?“ zeigt. Als Schüler des legendären Henri Jayer ist der Weg für den Franzosen klar. „Doch in Oregon lieben wir unsere „whole cluster““, so Larry Stone. Dieser Unterschied wird bei den Pinot Noirs noch eine Rolle spielen. Doch zuvor riechen wir nach Sashimi von der Lachsforelle am Chardonnay-Glas.
We don’t pick for fruit, we pick for freshness, tension and acidity.
Larry Stone, Lingua Franca
Der Start mit dem „Avni 2022“ ist ein schwieriger, da das Frostjahr den Reben sehr zugesetzt hat. Deutlicher wird der Stil von Lingua Franca beim 2016er „Avni“. Geflämmte Zitruszeste und Zündholzrauch zeigen wie das lebendige Finale dieses Weißweins zwei Dinge. Die Geographie der Weingärten um Salem/Oregon, die meist nach Westen – zum Meer hin – ausgerichtet sind. Die Nachmittagssonne fällt daher lange und intensiv auf die Weingärten. Das Ergebnis sind „more Phenolics“, so Stone, also ausgeprägtere Rauch-Noten aus den dickeren Schalen. Der natürliche Sonnenschutz erklärt einen Teil der Chardonnay-Aromatik, der zitrusfruchtige Anteil geht aber auf Larry Stones Kappe. In Österreich klingt es fast nach einem Sakrileg, wenn er sagt: „Ich mag keine fruchtigen Weine, lieber sind mir salzige Noten“.
Danach wird auch der Lesezeitpunkt gewählt. Und der deutlichste Ausdruck dieses Stilwillens kommt dann in Form des „Sisters“ 2022 ins Glas. Schon in der Nase wird klar, dass man hier lange nach einer Frucht suchen kann; Rauch wie von aneinander geschlagenen Feuersteinen und Zitrone zeichnen den Chardonnay aus. Er kommt zu beinahe gleichen Teilen aus zwei Weingärten (Lynx Hill Vineyard und Maple Grove Vineyard), deren Ernte in 600 Liter-Fässern mit nur leichtem Toasting elf Monate auf der Feinhefe gelagert wird. Das Ergebnis sorgt auch am Gaumen für vielerlei Assoziationen, die alle mit Salz zu tun haben. Sollte der „Sisters“ je nach einem DJ fragen, wäre der Song klar: „C’est pas la mer à boire“ von Les Négresses Vertes!
Der 2022er liefert Tiefgang, der zwischen Salzkapern und feinem Karamell hin und her springt. Und der Chardonnay aus Oregon lässt gewaltig den Speichel fließen. Salzzitrone und ein wenig vielleicht auch Gelber Apfel liefern den fruchtigen Kern, doch es ist vor allem der präzise Herzschlag dieses salinen Weißweins, den man vom ersten Schluck anspürt. Dieses Ungestüm wird noch ein wenig milder werden, doch gerade diese Zielstrebigkeit gefiel am „Sisters“ am besten. Zumal er auch den Schwestern in Larry Stones Leben, seiner aus Rumänien stammenden Mutter und ihrer Schwester, gewidmet ist.
Nach salzigem Chardonnay gibt es aber Teriyaki-Sauce von Sascha und Marcel Ruhm. Zur Entenbrust schenkte man aber auch die Pinot Noirs ein. In der Oberliga seines burgundischen Portfolios spielt Stone mit den Feinheiten. So beträgt der Anteil der Ganztrauben bei „The Plow“ 2019 nur 18%. Der Pinot Noir reift in einem ähnlich komplexen System, denn der Anteil der neuen Holzfässer beträgt exakt 23%, der Rest waren bereits weitgehend „neutrale“ Barriques. Vor allem im Vergleich mit den anderen Rotweinen fällt die offene Art dieses Jahrgangs auf – Erdbeere trifft im Geruch auf Langpfeffer. Dahinter signalisieren Johannisnuss und Gewürznelke, dass da noch mehr kommen wird.
Am Gaumen zeigt sich dieses Bild erneut, die Mischung aus Kirsche und Erdbeere wirkt hell und freundlich, die dunkle Würze stellt einen Begleiter, keine Bedrohung für diese Fruchtigkeit dar. Die Gewürznelke ist wieder zu bemerken, ein tiefer, fruchtsüßer Zug von Lakritze leitet dann das Finale ein. Und wo andere Weine abfallen, liefert „The Plow“ noch ordentlich Druck im Nachklang.
Ganz anders hingegen zeigt sich der 2022er „Tongue ‘n Cheek“, der zur Gänze entrappt wurde, wie man das Trennen der Trauben von den Stielen nennt. 25% neue Barriques für 12 Monate ergeben hier einen anderen Typ von Würze, aber auch eine andere Facette der roten Fruchtnoten eines Pinots. Die elegante Nase versammelt Malven, Orangenschalen, Assam-Tee und eine generell dezent würzige Art. Ebenso sanft und mit floralem Einschlag legt dieser Burgunder am Gaumen los. Hibiskus und fruchtsüße Kirsche erscheinen wie in einer Überblendung; man weiß nicht, wo das Eine endet, das Andere beginnt.
Es ist die Ouvertüre zu einem intensiveren Mittelteil, in dem Heidelbeere und Lorbeer ihren Auftritt haben. Spannung bezieht der „Tongue ‘n Cheek“ aus dem Wechsel auf Gewürzen und Frucht. Mal ist da der Waldbeeren-Mix, dann wieder erinnert ein pikanter Zug an Chipotle-Chili. Dieses Yin und Yang ergibt ein überaus attraktives Ping-Pong zwischen Eleganz und Tiefgang. Und das wohlgemerkt bei einem noch jungen 2022er. Für uns war dieser Wein eindeutig der Höhepunkt in der Serie von Lingua Franca.
Bezugsquelle:
Lingua Franca, Chardonnay „Sisters“ ist um EUR 99,90 erhältlich, der Pinot Noir „Tongue ‘n Cheek“ 2022 kostet EUR 79,90 – alle Weine über Kracher Fine Wine, www.finewineshop.com