Es lag auch an der Optik, dass man sich wie ein Kind vor dem weihnachtlichen Gabentisch fühlte im Wiener Kursalon. In U-Form versammelten die Tische das Import-Portfolio von Gerhard Krachers Fine Wine-Handel. Der verlässt sich bekanntlich nicht auf die großen Namen, die teilweise schon seit Vater nach Österreich geholt hat. Immer wieder trumpft man auch mit Entdeckungen, vor allem, wenn es um Kalifornien oder Frankreich geht. So stand diesmal auch der erste Weißwein aus dem Pomerol bereit. Mehrere Hektar bestes Rotwein-Land hat man bei Le Clos du Beau Père (ehemals als „Château Ratouin“ bekannt) mit Sauvignon Blanc und Sauvignon Gris bestockt. 2021 kamen damit von den um zwei Millionen €/Hektar gehandelten Böden die erster weißen Pomerols seit über 100 Jahren in die Flasche.
Jean Luc Thunevins verrückter Weißwein „Blanc de Clos du Beau Père“ war aber nicht die einzige französische Entdeckung im Fine Wine-Tasting. Genauer gesagt handelt es sich um eine Winzerfamilie, die mit ihren Burgundern beeindruckte. Wie eine Perlenkette reihen sich die drei Weingüter von Bertrand Devillard und seinen Kindern Aurore und Amaury Devillard in der Bourgogne auf. Das Chậteau de Chamirey befindet sich in der Côte Chalonnaise, dem Verbindungsstück zwischen der Côte de Beaune und dem Mâconnais (hier gehört der Familie die – nicht verkostete – Domaine de la Garenne). Diese Herkunft steht zum Glück immer noch im Schatten der nördlicher gelegenen Côte de Nuits – dafür ist der Anteil an Weißwein hier deutlich höher. Chardonnay-Freunde finden, ähnlich wie auch rund um Mâcon, immer wieder Top-Stoff, der leistbar geblieben ist. So wird für den „Mercurey Blanc“ nicht mehr aufgerufen als für einen heimischen Burgunder.
Doch nicht der Preis, sondern die Intensität dieses 2021ers, zieht einen sofort an. Dazu muss man wissen (aber NIE zum Winzer sagen!), dass in diesem Jahr eine natürliche Selektion der Trauben stattfand. Brutale Hagelschäden dezimierten die Ernte auf rund ein Drittel eines normalen Jahrgangs. „Auch die Auslese der verbliebenen Trauben erfolgte daher besonders sorgfältig“, ist eine logische Folge. Und das merkt man bei diesem weißen „Einstiegswein“ des Chậteau de Chamirey auch: Braune Butter ist da zu erkennen, Bienenwachs, aber auch ein dekonstruiertes Nussbeugerl, bei dem man Hülle (als zarten Röstton) und Fülle (als nussig-schmelzigen Part) getrennt von einander riecht.
Merken wir uns Mercurey – Freudvoller Chardonnay
Die überraschende Komplexität hat aber auch mit den sieben Parzellen zu tun, von denen der Village-Wein geerntet wird. Sie wurden in fünf Jahrzehnten bestockt, der älteste Chardonnay stammt gar aus dem Jahr 1963. Saftig und rund ist der Ersteindruck im Mund. Wir schmecken vor allem Birne, die so kühl und frisch wirkt, dass man glaubt, sie hat sich mit einer Zitruszeste verbrüdert. Spannend ist der leicht salzige, aber eher an Umami anklingende Hall dieses 2021ers, dessen Rebstöcke praktisch alle in kalkhaltigen Böden wurzeln. Fast wie ein Rotwein legt er sich an, man merkt das an den Zähnen, allerdings ist er nicht adstringierend oder von schmeckbarem Gerbstoff geprägt. Vielmehr ist es eine tief, konzentriert würzige Frucht, die hier so lange nachhallt. Ein Extra-Lob gebührt dem Fassmanagement, denn mehr als 40% neues Holz hätten diese tolle Balance vermutlich verschoben – und zwar zeitlich. Denn dieser Village trinkt sich heute bereits großartig.
Gesteigert wird das vom „La Mission“, der weißen Monopol-Lage mit 1,9 Hektar, die Rebstöcke aus den Jahren 1961 bis 1997 trägt. Hier riecht es aus dem Kostglas, als hätte man eine Fülle an Früchten in Bienenwachs glasiert: Guyot-Birne, Nektarine und Bergamotte spannen einen recht breiten Duftbogen, der Frische, Schmelz und zitrusfruchtige Spannung verspricht. Zu Beginn ist da auch das saftige Element, das erneut an Honigfrüchte (Dessert beim Chinesen!) erinnert. Die Kraft und Würze baut sich erst allmählich auf, hinterlässt dabei aber eine Spur von Kurkuma. Banane in brauner Butter lässt einen auch die „exotische“ Abteilung abhaken. Und es kommt noch mehr; denn der „La Mission“ 2021 federt noch lange am Gaumen nach. Hier garniert dann die zarte Vanille des 14-monatigen Reifens in Allier- und Vogesen-Eiche den schon reichen Geschmack. Mit nur 15% neuem Holz ist das aber nur ein dezentes Glanzlicht auf diesem beeindruckenden „Hagel-Überlebenden“.
Echter Sorten-Inbegriff: Vosne-Romanée 2021
Drei Teilstücke (climats) machen dann den ersten Rotwein aus, den wir bei der Kracher-Verkostung eingeschenkt bekamen. Er wird am Schwestern-Weingut des Chậteaus de Chamirey erzeugt, womit wir uns aus Mercurey nach Norden, ins Herz der Bourgogne, vortasten. Denn es ist ein Vosne-Romanée, dessen Trauben im Schnitt 50 Jahre als sind und aus einem nur 1,05 Hektar kleinen Weingarten der Domaine des Perdrix stammen. Seit 1996 erweitert dieses Weingut den Familien-Besitz der Devillards. Ausgebaut wurde dieser 2021er im klassischen „fût Bourguignon“, dem 228 Liter fassenden Eichenfass. 18 Monate reifte der Pinot Noir, wobei man den Anteil an neuen Fässern mit 40% relativ gering hält bei der Domaine. Weichsel und Schokokuchen bilden eine einladende Duftmelange, dazu kommt mit Langpfeffer eine würzige Qualität, die dezent an Trüffel und Gartenerde erinnert.
Der Gaumen steht dem nicht nach – Rosenblätter geben den Takt vor. Sehr floral wirkt der Pinot aus dem Hagel-Jahr am Gaumen. Es ist ein hellfruchtiger und eleganter Wein, der sich seine Überraschungen für den Schluss aufspart. Als eindeutig vertikal angelegter Burgunder hat er einen unglaublichen Trinkfluss, den knapp vor dem Finish noch Säure und eine Mischung aus Nuss-Brot und eingelegter Johannisnuss aufpeppen. Ein grandioser Pinot Noir, der als Sorten-Muster dienen kann – und für seine Herkunft nicht überzahlt ist. „Nur moderat“ habe man die Preise erhöht, als die Erntemenge 2021 auch hier von den Naturereignissen dezimiert wurde. Die außergewöhnliche Qualität versteht man noch besser, wenn man erfährt, dass die Kult-Lage Échezeaux unmittelbarer Nachbar eines der climats ist.
Darüber steht noch der Premier Cru „Aux Perdrix“, der zur Appellation Nuits-Saint-Georges gehört und beinahe eine Monopollage der Familie darstellt. Bepflanzt wurden diese 3,45 Hektar zwischen den Jahren 1922 und 1980, womit eine gewisse Ehrfurcht im Raum steht. Der Kalkanteil der Lage ist geringer, dafür hat die fast konvex zur Sonne stehende Riede viel Morgensonne. Mit Aromen von Preiselbeeren, Graphit und Brombeeren signalisiert schon die Nase, dass das nicht „your average Pinot“ sein kann. Satt und druckvoll am Gaumen zeigt er sich anders als der Vosne-Romanée zuvor. Hier stehen die dunklen Beeren – Heidelbeere und schwarze Ribisl vor allem – im Mittelpunkt, von der Dramaturgie her wird der Nuits-Saint-Georges immer schlanker. Zwischen diesen beiden Intensitätsstufen baut der Gerbstoff eine Brücke. Im Nachhall kommt dann Plantagen-Schoko mit einem Hauch Himbeer-Creme als letzter Akkord zum Einsatz.
Dieser Pinot Noir stammte aus dem Jahrgang 2020 und doch ist er der langlebigere der beiden Rotweine von der Domaine des Perdrix. Einfacher gesagt: Den Vosne-Romanée kann man bereits jetzt genießen, der „Aux Perdrix“ aus den alten Rebanlagen wird erst in fünf Jahren diesen Burgunder-Genuss bieten.
Bezugsquelle:
Chậteau de Chamirey, Mercurey Blanc 2021 ist um EUR 28,90 zu haben, der Mercurey Blanc 1er Cru „La Mission“ um EUR 57,90, beide im Online-Shop von Kracher Fine Wine, www.finewineshop.com
Domaine des Perdrix, Vosne-Romanée 2021 wird um EUR 89,90 angeboten, der Nuits-Saint-Georges 1er Cru „Aux Perdrix“ 2020 kostet EUR 99,90, alle bei Kracher Fine Wine, www.finewineshop.com