Sie heißen zwar „orange“ Weine, sind aber für viele ein rotes Tuch. Die Grenzziehung zwischen noch Genießbarem und Großem wird individuell gezogen. Den einen seine Nachtigall ist eben dem anderen seine Eule, wie man bei den deutschen Nachbarn sagt. Und von dort kommt der Versuch eines großen Players, mit seinen Mitteln auch auszutesten, wie die „Orangen“ in Baden schmecken.
Die Basis für das Experiment der Winzergenossenschaft Hagnau ist ein 2015er Müller-Thurgau, eine Sorte, die man am Bodensee als typisch bezeichnen kann. Doch „orange“ ist anders und so mischen sich unter die Honigmelonen-Nase auch mostige Noten. Sie sind allerdings bei weitem nicht so ausgeprägt wie anderswo, flüchtige Säure etwa gibt es bei diesem experimentellen „Hagnauer“ keine. Die Fruchtigkeit der Sorte hat man jedenfalls erhalten; neben Papaya und Kaktusfeige sind die intensiven Noten in mehrere Richtungen ausgeprägt: Mal kommt Maracuja durch (der Wein hat mehr Säure als im Duft zu vermuten), dann ist es wieder eine zart bittere Orange.
Die mittlere Länge im Abgang beendet dieses interessante Trinkerlebnis aus Baden dann etwas früh. Doch zeigt der „orange 2015“, dass sich der Müller-Thurgau gar nicht so schlecht eignet für die lange Maischestandzeit. Könnte er etwa gar der badische Pinot Grigio werden?
Was der Müller-Thurgau in Weiss, stellt der Spätburgunder (bessser bekannt als Pinot Noir) in Sachen badischen Rotwein-Anbau dar. Mit dem aktuellen „Burgstall“ kam auch einer besten Vertreter aus der Genosschenschaft ins Glas. Die erste Nase zeigt schon einmal die Sorten-Kompetenz der badischen Genossen: Viel dunkle Schokolade, dazu expressive Beeren-Düfte, wie man es von einem Burgunder erwarten darf. Allerdings wird hier mehr die dunkle, brombeerige Variante entdeckt, erst mit viel Luft geht es in Richtung der Himbeeren.
Samtig und rund zeigt sich der Burgstall 2015 im Mund; wieder sind da Beeren zu schmecken, diesmal eine geeiste Erdbeere, zu der sich die auch im Duft bereits zu merkende Würze gesellt. Bitterschoko-Schmelz und schwarzer Pfeffer begleiten den badischen Burgunder ins Finish. Alles andere als ein „nerdy“ Pinot!
Bezugsquelle:
Winzer-Genossenschaft Hagnau, Müller-Thurgau „Orange“ ist um EUR 12 (0,5 Liter-Flasche) erhältlich, der Spätburgunder „Burgstall“ 2015 (0,75 Liter) kostet EUR 8, jeweils ab Hof bzw. im Webshop, http://hagnauer.org/