Wenn sich schon jede willkürliche Whisky-Zusammenstellung „Masterclass“ nennen darf, warum stellt man dann nicht einmal eine echte Augenöffner-Kollektion zusammen? Das spricht man bei Bruichladdich zwar nicht so aus, sondern verweist auf die mittlerweile 15-jährige Geschichte der hoch-getorften „Octomore“-Serie, die ein guter Zeitpunkt wäre, innezuhalten. Und so gibt es „The 8’s series“, wie die Single Malt-Jungs auf Islay es nennen. Die „Octomore Masterclass“ besteht aus vier Whiskys, wobei die letzte Variante (sie wird 08.4 heißen) erst 2018 erscheint und eine Erstbefüllung eines Fasse – virgin oak – in den Mittelpunkt stellt.
Bei uns langten die Muster des Trios ein, das Master Distiller Adam Hannett im September gezogen hat – und sie enthalten einen der rauchigsten Whiskys aller Zeiten. Doch genau dieses Bild des auszuleckenden Aschenbechers ist so falsch wie nur. Allerdings verfolgt es vor allem unter weniger versierten Single Malt-Trinkern die Octomores beständig. Zumal der Rauch immer im gemälzten Getreide gemessen wird und nie im fertigen Whisky (auch nicht am new make, der in die Fässer kommt). Und wenn die „Masterclass“-Reihe einen Bildungsauftrag verfolgt, dann genau diesen. Denn es ist letztlich das Fass, das für die Interaktion mit dem Phenol, wie die „Rauchigkeit“ biochemisch heißt, sorgt. Viel Süße aus dem Fass – und das Ergebnis wirkt wie eine Himbeermakrone, die zu lange im Ofen war. Süß, fruchtig und dann erst rauchig.
Mandarinen in der Kerzen-Flamme: 08.1
Auch wenn der neue Herr der Whiskys bei Bruichladdich erst kurz im Amt ist, hat Adam Hannett klare Linien verfolgt. Der 08.3 etwa stellt für ihn „ein Monster mit ziffern-tötendem Charakter“ dar. Denn auch ein fünf-jähriges Biest, das man aus Rauchmalz formt, kann einen balancierten Dram ergeben – auch wenn das nicht ins Konzept der Anhänger des schottischen Senioritätsprinzips passt. Doch wir schweifen ab. Beginnen wir lieber am Anfang: Die hellste „Masterclass“-Version ist der Octomore 8.1, den auch die meisten Whisky-Freunde am besten kennen dürften. Der acht Jahre gelagerte Islay-Malt mit seinen 167 parts per million (ppm) Phenol öffnet sich schnell im Glas.
Der anfängliche Frucht-Geruch – Marille und Orangenzeste – wird vom einsetzenden Rauch-Ton gleichsam hinweggefegt. Es ist allerdings „süßer“ Rauch. Kein Speck, kein Rauchlachs, sondern eher so, wie wenn man am Nikolaustag eine Mandarinenschale in der Adventkranz-Kerze röstet. Die Mandarinen-Note begegnet uns auch am Gaumen wieder, denn trotz seiner 59,3% Alkohol hat der 8.1 nichts Scharfes (außer man trinkt patschert und bekommt ihn auf die Lippe). Schließt man ihn mit eine paar Tropfen Wasser auf – was wir test-weise bei allen Destillaten über 50 Volumsprozenten tun – zeigt sich eine an Salzkaramell erinnernde Duftnote, am Gaumen wird ein Hauch Kokos spürbar. Die mit Islay assoziierte Jodigkeit ist auch plötzlich da, dafür bekommt das Finish – schon ohne Wasser sehr laaaang – einen merklichen Ton von weißem Pfeffer. Zarte Süße, diesmal eher aus der Abteilung Biskuit-Tortenboden, mischt sich in diese würzig-rauchige Mischung. Im Endeffekt trägt sie zum runden und balancierten Charakter des „Masterclass“-Einstiegs bei.
Schweine-Schwarte im Süßwein-Fass: 08.2
Nun, wer den Selchspeck in seinem Dram aus Islay braucht, der ist mit dem von Adam Hannett als „Provokation“ ausgeflaggten Octomore 08.2 bestens bedient. Es riecht wie frittierte Schweineschwarte, wenn man die Flasche das erste Mal öffnet. Dazu kommt eine recht süße Dosis Nougat, die man so nicht erwartet hätte. Wobei die dunklere Farbe gegenüber den anderen „Masterclass“-Abfüllungen schon auch auf Wein-Fässer schließen lässt. 58,4% Alkohol und acht Jahre Lagerzeit stehen neben dem exakt gleichen Rauchanteil wie beim 08.1 (eben 167 ppm) zu Buche. Tatsächlich lagerten die Chargen dieses Whiskys die ersten sechs Jahre in verschiedenen Süßwein-Fässern – Sauternes und ein nicht näher spezifiziertes österreichisches Süßwein-Fass – sowie französischem Mourvedre-Gebinden. Das Finish erfolgte in Ex-Amarone-Fässern, womit sich die rotbraune Farbe schon gut erklärt.
Der intensive Geschmack, der an Umami-reiches Essen wie Sojasauce denken lässt, schwankt zwischen fruchtigen Akzenten und einer fast an Fleischsaft erinnernden Kraft. Zu Hirsch-Tatar wäre da ein großer Auftritt garantiert, aber auch zu Steaks würden wir uns den ausschließlich für „Travel Retail“-Händler vorgesehenen Single Malt wünschen. Kräftig und mit einem schokoladigem Nachhall, in den sich wieder Laugenbrezeln mischen, klingt der „provokante“ Octomore aus. Mit den obligaten Tropfen Wasser dreht der Duft in Richtung Marillen-Püree, dazu kommt etwas Honigmelone, die ein wenig zu lange am Griller lag. Denn die „smokyness“ geht nie ganz flöten bei diesem Malt. Auch am Gaumen übernimmt die Frucht, hier ein wenig tropischer (für uns: Papaya), das Regime und rundet auch das salzige Finish mehr in Richtung Leder und Holzigkeit.
Muschel-Sud mit 61 „Umdrehungen“: 08.3
Helle, süße und fast an Makronen erinnernde Mandel-Düfte bringt dann der jüngste in der „Masterclass“-Reihe mit. Ironischer Weise (aufmerken, ihr Torfrauch-Machos!), stellt der Octomore 08.3 auch den am stärksten getorften Whisky von Bruichladdich überhaupt dar. 309 ppm, alter Schotte! Das Ganze kommt nach fünf Jahren mit Schleimhaut-betörenden 61,2% Alkohol in die Flasche. Der Rauch ist durchdringend, das ja, aber nie vordergründig. Dazu erinnert die Torfbombe, die zu 100% mit Gerste aus Islay destilliert wurde, an einen Medizinschrank: Jod, Hustensaft und sogar ein bisschen Leukoplast. Die Mischung aus 56% erstbefüllten Bourbon Casks und französischen Rotwein-Fässern (ehemals im Paulliac, am Mont Ventoux, der Rhône und im Burgund im Einsatz) bringt genau diese Mischung aus trocken-herben Duftnoten und süßeren Bourbon-Tönen hervor.
Creme brulée und dunkler Zucker sind etwa die ersten Noten am Gaumen, mit Wasser kommt zur Vanille auch Mango. Der tropische Fruchtmix wird von einem Sturm von Rauch weggefegt, ein wenig kann man auch die Analogie nachvollziehen, die Octomores Homepage verwendet: Muscheln. Vielleicht ist der süß-würzig-jodige 08.3 nämlich genau das – ein Miesmuschel-Fond mit hoher Oktanzahl. Ja, das könnte passen zu diesem rauchigen Seemonster von einem Whisky – ich gehe jetzt Pasta Vongole kochen!
Bezugsquellen:
Bruichladdich, Octomore „Masterclass 08.1“ ist um EUR 135 (0,7 Liter-Flasche) erhältlich, der „Masterclass 08.3“ kostet EUR 230, beide beim Online-Versand Weisshaus, www.weisshaus.at
Der Octomore „Masterclass 08.2“ ist dem Duty Free-Handel vorbehalten und kostet am Flughafen Wien bzw. über den Heinmann-Shop 165 EUR, www.heinemann-dutyfree.com