Ein Jahresrückblick Mitte Jänner? Nicht ganz, aber über die Spirituose des Jahres 2014 (die den Gin als Jahresregenten 2013 ablöste) kann man durchaus reden. Äh: schreiben! Denn die ist nun einmal Bourbon. Speziell Rye, also ein mindestens 51%-Roggenanteil gebrannter Whiskey, kann gar nicht so schnell nachproduziert werden, wie ihn die Bar-Welt gerne hätte. In Zeiten von Regularien, die den Menschen zusehends vor sich selbst schützen wollen, sind solche Meldungen rar und allein deshalb fein.
Allerdings hinkt das Wissen über US-Whiskey seiner plötzlichen Beliebtheit hinterher. Zu lange hielt man die Kentucky-, Tennessee- und Co.-Abfüllungen für den idealen Partner für Cola. Im Lehnstuhl und beim prestige-trächtigen Bestellen an der Bar kam dann doch der Single Malt zum Einsatz. Doch die Welt dreht sich weiter. Während die harten, jodig-rauchigen Schotten reihenweise weichere Füllungen zur Seite gestellt bekommen, um neue Kundenschichten anzusprechen, haben die Amerikaner ihre alten Rezepte wiederentdeckt. Und da spielt nicht nur der Roggen eine Rolle.
Einen Abend lang stand dem Trinkprotokoll.at an der Bar des Berliner Amano-Hotels Tanja Bempreiksz Rede und Antwort. Während wir einen auf Woody Allen machten: „Was Sie immer schon über Bourbon wissen wollten (aber nicht zu fragen wagten)“. Die Infos der Jim Beam-Markenbotschafterin seien hier zusammengefasst – als Privatissimum über den „native spirit“ der USA.
Bourbon – eine deutsche Erfindung
Die erste Überraschung über den „native spirit“ der USA serviert die Whiskey-Kennerin beim Einschenken des 12-jährigen Jim Beam „Signature Craft“. Denn der Whiskey aus Kentucky hat deutsche Wurzeln. Johannes Jakob Böhm, der sich später Jacob Beam nannte, begründete 1795 die Destillerie Jim Beam, die heute einen Weltkonzern darstellt. Bis heute sorgt ein Böhm-Nachfahre, Fred Noe, in siebenter Generation für die Destillation. Die Unterschrift auf dem für US-Verhältnisse ungewöhnlich alten – mit jedem zusätzlichen Lager-Jahr verdunstet ja ein bisschen mehr vom Fassinhalt – „Signature Craft“ stammt aber von seinem Vater Booker Noe.
Der 2004 verstorbene Master Distiller gilt als Legende, weil er begonnen hat, kleinere Mengen an hervorragenden Fässern gesondert abzufüllen. Denn nicht alle Fässer lassen den Whisky gleich schmecken, „die Temperaturen im Lagerhaus sind je nach der Reihe im warehouse, wo die Bourbons lagern, unterschiedlich“. Normalerweise wird durch Vermischen (blending) von Fässern aus den unterschiedlichen Lagerzonen ein einheitlicher Geschmack erstellt. Damit brach Noe 1988. Unter seiner Ägide wurde nicht nur der erste „Small Batch“- (etwa „kleine Los-Größe“) Bourbon der Welt gefüllt, sondern auch eine Kollektion mit dem nach ihm benannten Booker’s, sowie den Marken Knob Creek, Basil Hayden und Baker’s erstellt, die wir in der Folge verkosten.
Die süße Seite des Whiskeys
Bei Beam-Suntory macht man in der Regel keine genauen Angaben über die „mash bill“, also den genauen Anteil der drei Brenngetreide Mais, Roggen und Gerste im fertigen Brand. Von Gesetz wegen muss ein Straight Bourbon Whiskey aus einer Mischung mit mindestens 51% Mais bestehen. „Beim Basil Hayden allerdings ist der Roggenanteil relativ hoch“, ließ die Whiskeybotschafterin sich ein wenig in die Karten blicken. Tatsächlich duftet unser Kostglas nach Pumpernickel und Frühstücksflocken, die Süße des Maisbrands wird von würzigen Aromen am Gaumen (weißer Pfeffer und Koriander) begleitet.
Der süßere Geschmack des Bourbons verdankt sich dem Mais und stellt einen der Unterschiede zum schottischen Gersten-Whisky dar. „Allerdings darf in den USA nicht mit Zuckercouleur gefärbt werden“, klärt Bempreiksz auf, „auch die Zugabe von Zucker und Aromastoffen ist untersagt“. Ebenfalls gesetzlich geregelt sind die zulässigen Fässer – sie müssen neu und aus amerikanischer Weißeiche sein. Einmal gebraucht, gehen sie dann meist nach Schottland in die Whisky-Brennereien, wie Thomas Domenigs neues Buch „Sweating the cask“ schön schildert.
Färben strengstens verboten
Für einen „Kentucky Straight Bourbon“ sind drei Jahre Mindestlagerung vorgesehen; scheint der Bundesstaat am Etikett auf, muss auch dort destilliert worden sein. Die lange Fasslagerung dient dabei auch der geschmacklichen Abrundung, „der Zucker des Fass-Holzes wird durch das Auskohlen, das so genannte Toasting, karamellisiert“. Die typischen Kokosnuss- oder Vanille-Noten, aber auch das eine oder andere Fruchtaroma in den Bourbons verdankt sich dieser Oberflächenbehandlung.
Eine Frage allerdings drängt sich noch auf: Was bedeutet „sour mash“ am Etikett? „Das ist ähnlich wie beim Sauerteig-Brot“, denn auch beim Bourbon wird seit der Erfindung der Methode durch James Crowe ein Teil der vorhergehenden Destillation für die nächste verwendet. Entsprechend wichtig ist die „ewige“ Hefe, die die Vergärung des Alkohols startet und bei Jim Beam seit den 1930er Jahren vom gleichen Hefestamm kommt. „Manche Destillerien haben versucht, das anders zu machen, sind aber meines Wissens alle wieder zurückgekehrt zum „sour mash“.
Rotierende Lager-Fässer
Wenn es aber unterschiedlich gut gereifte Fässer gibt, warum lässt man sie dann nicht hin und wieder die Lagerplätze tauschen? „Tatsächlich lassen manche Bourbon-Häuser ihre Fässer von oben nach unten wandern und umgekehrt“, bestätigt Bempreiksz diese Reife-Problematik. Allerdings gibt es auch die bewusste Bevorzugung der oberen, bis zu 40 Grad warmen Regalreihen. „Beim Baker’s ist das so“, schenkt uns die Whiskey-Expertin ein solches Exemplar ein, „der brutzelt dann wirklich sieben Jahre unter dem Dach“. Tatsächlich schmeckt dieser Bourbon deutlich intensiver als die Vorgänger: Rote Früchte, Nougat und sogar Kokos im Abgang sind zu merken.
Noch einen Schritt weiter geht man beim „Booker’s“, bei dem jede der Flaschen am Tresen vor uns unterschiedlich beschriftet ist. Mindestens 60 % beträgt der Alkohol dieses in Fass-Stärke abgefüllten Whiskeys. Denn während der hochprozentigere Bourbon aus dem Fass normaler Weise mit Wasser auf Trinkstärke (40-45%) herunterverdünnt wird, bleibt hier der pure Geschmack erhalten. 62,7 % steht auf einer der Flaschen, 63,1% auf der anderen. Auch die Lagerzeit variiert beim „Booker’s“ zwischen sechs und acht Jahren, „je nachdem, wann die einzelnen Fässer für ideal zum Abfüllen erscheinen“.
Was aber tut unser Bourbon-Scout jetzt? Tanja Bempreiksz greift zur Pipette und tropft ein bisschen Wasser ins Glas. „Das schließt den Whiskey auf, sonst kommt der Alkohol zu sehr durch“. Tatsächlich verändert sich der „Booker’s“ und wird noch schokoladiger. Sieht so aus, als hätten wir einen neuen Favoriten gefunden.
Bezugsquelle:
Baker’s ist um EUR 39,90 (0,7 Liter-Flasche) bei Killis Getränke erhältlich, www.killis.at
Thomas Domenigs Bourbon-Büchlein „Sweating the cask“ (88 Seiten; Eigenverlag) ist um EUR 18 via Webshop beim Autor erhältlich, http://bourbonbuch.de