Dass am Anfang der vinophilen Zusammenfassung – Teil 1 der Nachlese des „Blaufränkisch-Summits“ am Arlberg – alte, teils nicht erhältliche Weine standen, folgt einer gewissen Logik. Ziemlich pointiert hat sie in Lech Clemens Riedl von trinkreif angesprochen: „Noch nie habe ich einen Blaufränkisch getrunken, der in seinen ersten zehn Jahren besser war als danach“, analysierte er die Einzellagenweine der Sorte. Und in der Tat war der Niveau-Unterschied zwischen den „Gebietsweinen“, wenn man es weniger weinrechtlich formuliert: dem normalen Blaufränker, und der Spitze der Herkünfte gewaltig. Das soll ja auch so sein. Doch umso auffälliger war, wie wenige der 12 Weine in diesem Flight wirklich begeistern konnten.
Von der offenen, entfernt an Stallgeruch erinnernden Gär-Note zweier moderner „BFs“ abgesehen, konnten sich auch manche nicht entscheiden, Frische und Säurigkeit ungebremst zuzulassen. Mitunter standen dezente Holztöne quer oder kräftige Beeren-Akzente (mitunter der Marke Cabernet – bis zu 15% wären ja zulässig) verzerrten den Sortenausdruck. Doch einmal mehr sei es festgehalten: Das Trinkprotokoll verschwendet Ihre Zeit nicht mit Warnungen und Verrissen, sondern gibt Empfehlenswertes weiter. Und so sei eines der wichtigsten Ergebnisse der winterlichen Verkostung in der Allmeinde geteilt – das Idealprofil eines Blaufränkisch. Die Schwarmintelligenz der Weinkritiker zweier Kontinente fasste es nämlich bemerkenswert knapp zusammen: „Frische und Säure mit einer präzisen Fruchtigkeit und engmaschigem Körper. Die Aromen entsprechen jenen von dunklen Beeren, gemeinsam mit einer rauchigen Würzigkeit, und zeigen Noten von getrockneten Kräutern“.
Doch es gibt ein Problem. Diese Frische zu erhalten, wird nämlich in den letzten Jahren zunehmend schwieriger. Klar analysierte es Winzer Roland Velich als Mitorganisator des Symposions: „Blaufränkisch kann mit Trockenheit gut umgehen; in dieser Hinsicht ist er eine echte pannonische Sorte. Die Sommer waren ja früher immer trocken. Aber jetzt haben sich das Frühjahr und der Herbst sehr verändert“. Entsprechen liest sich auch einiges von den Eindrücken. „Speckig, dunkle Josta-Beeren-Noten“ oder „Kirsche in fast liköriger Art und Weise“ steht da neben „Zwetschke wie „Old school“-Zweigelt“. Sehr nahe kamen dem kollektiven Traumbild eines Blaufränkisch aber auch zwei Weine aus dem Verkoster-Dutzend. Keine schwache Aufgabe, das am Einstiegslevel zu schaffen!
Der erste Liebling war der „Leithaberg 2019“ von Georg Prieler. Die angesprochenen rauchigen Duftnoten waren das erste, was wir notierten, dazu kommt eine helle und offene Fruchtigkeit. Sie erinnert an Himbeer-Creme und Hibiskus-Tee. Auch am Gaumen ist die Saftigkeit ein hervorstechendes Merkmal; der rotfruchtige Mix im Geschmack bleibt stets kühl. Prieler selbst macht hier sogar einen zitronigen Ton aus und bestätigt die Kühle, die er dem Kalkboden im Pratschweingarten, oberhalb von Oggau, zuschreibt. Fast sind es mehr Blüten und kalter Früchtetee als die typische Sauerkirsche der Sorte, die hier durchkommt. In jedem Fall aber wirkt dieser – zum Glück auch perfekt angekühlte – Rotwein wunderbar elegant.
Der Schlüssel zu der positiven Einschätzung dieses Prieler’schen Leithabergs lag aber auch darin, dass er einem nicht das Gefühl gab, auf etwas warten zu müssen. Ein Gebietswein sollte trinkfreudig sein und nicht von Gerbstoff oder zu hoher Säure ausgebremst werden. Das geht sich interessanter Weise auch mit einem anderen Stil und deutlich anderer Herkunft aus. Der „Samt & Seide“ war einer der wenigen Weine vom Spitzerberg, der niederösterreichischen Hochburg des Blaufränkisch im Gebiet Carnuntum.
Dorli Muhr hatte diesen 2019er mit einem dunklen Charakter versehen. Das verwendete große Holzfass war anfangs im Duft als schokoladiger Ton präsent, dahinter liegen aber gleich die Beerendüfte – vor allem Heidelbeeren mit ihrem herb-säurigen Touch. Balanciert und dunkel, so lässt sich der „Samt & Seide“ seinem Namen gemäß an. Brombeeren und ein wenig Cassis liefern das fruchtige Rückgrat, die Säure stützt an den richtigen Stellen. Vom Gerbstoff steht nichts in den Notizen, er ist offenbar weggeschliffen bei diesem 2019er. Alles ist an seinem Platz, das zeigt auch die Zusammenfassung nach neun von zwölf Weinen des Flights namens „Origins“. Da steht zu Muhrs Prellenkirchener Blaufränkisch einfach: „Bislang der Beste“.
Bezugsquellen:
Weingut Prieler, Blaufränkisch Leithaberg DAC 2019 kostet EUR 27 – direkt beim Winzer oder im Webshop der Prielers, www.prieler.at
Dorli Muhr, Blaufränkisch Prellenkirchen „Samt & Seide“ 2019 kostet EUR 22,90 in den Filialen bzw. online bei Wein&Co. zu haben, www.weinco.at