Was braucht man für solide Forschungsergebnisse? Eine große Fall-Anzahl und Experten sind schon mal kein Fehler, lehrt uns die Wissenschaftstheorie. Und dass es keinen „byass“ – unmerkliche Vorurteile – geben sollte, ist Thomas S. Kuhn-Lesern auch klar. Ergo sollten sich nicht die Österreich-Auskenner allein darüber unterhalten, ob der Blaufränkisch eine bemerkenswerte Rebsorte („große“ stand sogar in der Einladung!) darstellt. Denn bei Arlberg Weinberg will man es wissen; das Festival von Lech Zürs und Vintage-Weinhändler trinkreif setzt weniger auf Bespaßung mit „Big bottle“-Parties, sondern will die „echten“ Weinfreaks zusammenbringen. Vor allem aber sollen diese hier Erlebnisse haben, deren Qualität dem Skierlebnis am Arlberg entspricht.
Das „Blaufränkisch-Symposium“ brachte in der Tat schon zum Auftakt in der Allmeinde ein paar Erkenntnisse, die man in einigen Jahren sicher als wohlig zitierte Erinnerungen wird lesen können. „Die Entwicklung in den aufstrebenden Weinregionen sollte vom „Wir auch!“ zum „Nur wir““ gehen“, formulierte etwa David Schildknecht sein Credo. Der langjährige Bewerter für Robert Parkers Weinguide sprach damit das Finden eines eigenen Stils an. Der – um ein Ergebnis der Verkostung von 36 Blaufränkischen (von 17 Winzern) vorwegzunehmen – schlanker und weniger Holz-betont sein müsste. Denn das lobten die internationalen Verkoster von Jancis Robinson über Jamie Goode bis Harald Scholl am „BF“. Er weist Frische und Trinkanimo auf. Wenn man ihn nicht „schminkt“ oder als Verschnittpartner mit Merlot, Cabernet oder Syrah als Substitut internationaler Sorten ausgibt.
Die drei 12er Serien zeigten die Basisqualitäten sowie den Versuch einer Verortung als regionale Sorte (hier ergänzt Carnuntum die „pannonischen“ Vertreter vom Eisenberg, dem Mittelburgenland, vom Leithaberg und dem Neusiedler See). Die gereiften Weine der Sorten-Vordenker, wenn man die Gruppe 2 so nennen will, zeigten die schönsten Weine. Das war am Papier bereits klar. Denn die Sorten-Legende schlechthin – Ernst Triebaumers „Ried Mariental“ 1986 – beschloss diese Serie. Die unglaubliche Frische des Ruster Weines, präsent als Cassis-Ton und Kräuterduft, überraschte in jeder Hinsicht. Sogar das Tannin ist hier nicht totgeschliffen (nach 36 Jahren!). Aus der dunklen Beerenwolke werden im Abgang noch enge Räume. Dass es nicht immer die Sauerkirsche sein muss, die durch 94% aller Blaufränkisch-Kostnotizen geistert, zeigte sich auch beim 20 Jahre jüngeren, aber ebenfalls dunkelfruchtigen (hier war es Holunder) „Alte Reben“ von Roland Velich. Der Moric-Winzer (re. im Bild (c)Anna Stöcher) zählt ebenfalls zu den Initiatoren des „Blaufränkisch-Symposiums“ – und kommt in Teil 2 unserer Eindrücke noch zu Wort.
Der Nachteil des „In Pursuit of regional Expression“ getauften Flights: Nahezu alle Weine sind bereits Sammlerstücke und nicht erhältlich. Lediglich der „Alter Berg“ von Gernot Heinrich ist noch in einem – allerdings auch nur ähnlichen – Alter zu finden wie der gereichte 2011er. Der roch geradezu expressiv nach Wildkirschen und gequetschter Weichsel, die herben Noten waren im Duft schön präsent. Wirklich bemerkenswert allerdings war die großartige Balance dieses Golser Rotweins. Gerbstoff und Säure sind herrlich in den Fruchtbogen integriert – die getrocknete Kirsche verwandelt sich im Verlauf in eine Schwarze Olive. Denn mit feinem Bitterl, das für ein extremes Trinkanimo sorgt, klingt dieser Blaufränkisch aus.
Um nicht mehr lange Zähne auf Vergriffenes zu machen, stellen wir als Konsumenten-Portal aber zwei andere Weine der Top 5 unserer Arlberger Trinkprotokolle vor. Stefan David Wellanschitz hatte nicht nur das markanteste Etikett mit seinem „Ried Bodigraben“ zu bieten – auch der 2018er aus seiner Kolfok-Serie gab reichlich etwas her. Das beginnt bei der anfangs noch wilden Duftwolke, die sich vom leichten Cabernet-würzigen Ton schnell in Richtung erdig-mineralischer Gerüche verwandelt. Ziegelstaub und Kreide sind da zu notieren, kaum Frucht, was der Lage in Neckenmarkt (auf bis zu 400 Metern Höhe) und dem Boden (Orthogneis) entspricht. Das Mundgefühl fällt wunderbar seidig aus, die floralen Töne wie Hibiskus und Einsprengsel von Rosenblättern machen einen eleganten Wein daraus. Die Säure dieses Weins, der 30 Monate im großen Holz reifte, hat sich an die Frucht gekettet. Man mag das als einen „femininen“ Typus des Blaufränkisch ansprechen. Aber was mit der Sorte möglich ist, unterstrich dieser ätherische Sortenvertreter eindrücklich.
Einen ganz anderen Typus repräsentierte Reinhold Krutzlers „Ried Weinberg“, der einmal mehr die „dunkle“ Ausprägung der Eisenberger Rotweine unterstrich. Der sehr reife Duft seines 2017ers begann mit braun gewordener Banane, eingekocht aber wirkte schon nach etwas Glas-Schwenken nichts mehr. Cranberry lautete vielmehr die Devise im herben, wenig säurigen, aber doch tiefgründig fruchtigen Duft. Der Geschmack des „Ried Weinberg“ fällt dann noch dunkler aus. Hier dürfen Brombeere und Cassis von den satten Lehmböden in Deutsch-Schützen erzählen. Die Tanninstruktur ist noch recht fest, hier kommen Tapenade und Lorbeer auf den Gaumen. Sie deuten ebenso wie die stützende Säure des Weines das große Potential dieses Blaufränkisch an. Und dieser Krutzler ist jedenfalls ein großer Wein. Wegen der Forschungsfrage wäre es!
Bezugsquellen:
Weingut Gernot Heinrich, Blaufränkisch „Alter Berg“ 2011 ist vergriffen, Restflaschen aus den Jahrgängen 2012 und 2013 führt um EUR „Weinshop24“ online, www.weinshop24.at
Kolfok, Blaufränkisch „Güterweg“ Ried Bodigraben 2018 kostet EUR 46 beim „Wein am Limit“-Webshop, https://shop.weinamlimit.de/
Weingut Krutzler, Blaufränkisch Eisenberg DAC Reserve „Ried Weinberg“ 2017 ist um EUR 49,90 in den Filialen bzw. online bei Wein&Co. zu haben, www.weinco.at