Vielleicht hat es Reinhold Barta geahnt, dass ich dieser Tage in einem nicht übermäßig warmen Zimmer sitze. Denn der Braumeister hat seine Flaschen-Lieferung aus dem Gusswerk mit „Winter-Überlebenspaket“ betitelt. Stilistisch sind beide Biere auch der kräftigen Fraktion zuzurechnen, wobei wir persönlich nicht unbedingt Weihnachten oder Ostern brauchen, um zum „Festbock“ zu greifen. Wer mit Wein sozialisiert wurde, schreckt sich bei einem Glas mit 8% vol. nicht. Wer dem Typus „Normalbiertrinker“ angehört, dem kommt aber alles jenseits der „Märzen“-Intensität verdächtig vor.
Das aber nur so nebenbei, denn Bartas Duo bricht ohnehin eine Lanze für kräftigere Brauwaren. Beim „Winter-Steinbier“ sollte man zudem weniger über den Alkohol (6,4% vol. wären es) reden, denn über die wunderbar alte Machart, die teilweise sogar in der ethnographischen Literatur ihren Niederschlag fand. Vor allem in Kärnten wurde einst gerne mit heißen Steinen in der Bierwürze der Malzzucker zum Karamellisieren gebracht, wenn man diesen Zeugnissen traut. Doch die Methodik war in den kalten Monaten, in denen gebraut wurde, seit dem Mittelalter auch anderswo als Alternative im Einsatz. In Salzburg hat sich Gusswerk dieser hergebrachten Methode angenommen. Das eigentliche „Steinbier“ bekam mit deutlich höherer Stammwürze nun eben diese winterliche Edition zur Seite gestellt.
Es ist von der Machart her ein „Festbier“, wie man es vor allem im Bayrischen kennt, wenngleich mit den heißen Steinen ein eigener Charakter ins Spiel kommt. Doch dazu gleich mehr. Denn es liegt Lebkuchen-Duft in der Luft, kaum dass das winterliche Steinbier eingeschenkt ist. Piment und Hirschhornsalz stimmen einen bei diesem dunklen, bernstein-farbenen Bier festlich. Karamell im „Stollwerck“-Stil verbindet dann Nase und Geschmack. Hopfen ist hier – erwartbarer Weise – nicht das Thema. Doch wie es sich für ein als „Festbier“ etikettiertes Gebräu gehört, ist bei aller Malzkraft auch die Säure ausgeprägt. Damit entsteht neben der cremigen Saftigkeit im Geschmack auch gehöriges Trinkanimo: Da darf es gerne ein (Stein)Krug voll damit sein!
Eine Art Einstiegsmodell stellt dagegen Gusswerks „Heller Bock“ dar, auch wenn er im Alkohol (7% vol.) ein wenig höher angesiedelt ist. Doch der Verzicht auf die dunklen (Kara-)Malze bringt nicht nur eine lichtere Farbe zustande. Erstens ist hier Karamell weniger das Thema als beim „Winter-Steinbier“, zweitens spielt der Hopfen (für Auskenner: es sind 30 IBU) zumindest im Duft noch schön mit neben der Malzsüße. Ein wenig Maracuja legt gemeinsam mit saftigen Orangenspalten säurig-fruchtig vor, ehe Haferkekse einen leichten Röstgetreide-Touch einbringen.
Im direkten Vergleich zeigt der „Helle Bock“ eine höhere Rezenz, die Kohlensäure unterstützt einen anschmiegsamen Weichkaramell-Geschmack bei der Ausbreitung im Mund. Dieses Mal sind es eher die Naschereien mit der Kuh am Einwickelpapier, denn „Stollwercks“. Weniger süß, dabei aber zart und cremig, fällt der Mittelteil aus. Im Finale erinnert dann ein wenig Kräuter-Mix an die Hopfenaromatik in der Nase – so fällt der Nachtrunk wunderbar frisch aus.
Wer bislang also zweifelte, ob es abseits der Weizenbiere auch eine Berechtigung für einen „hellen Bock“ geben sollte – Reini Barta lieferte mit diesem Bier den Gegenbeweis. Denn der schmeckt keineswegs nur im Winter.
Bezugsquelle:
Brauhaus Gusswerk, „Winter-Steinbier“ kostet EUR 3,20 (in der 0,33 Liter-Flasche), „Heller Bock“ wiederum ist um EUR 2,90 erhältlich, beide bei BeerLovers im Webshop, https://beerlovers.at