Soll noch einer sagen, man lerne nichts für’s Leben an unseren Schulen. Die Diplomarbeit hat Matthias Auer schließlich auf Ideen gebracht. Gemeinsam mit seinem Bruder Lukas stellt er die „next generation“, die Jungwinzer vom Weingut Auer in Tattendorf dar. Der bekannte Heurigenbetrieb von Burgundermacher Leopold Auer erhält damit zwei ungewöhnliche Weine. Das zeigt sich schon bei der Namensgebung: „Die Geschichte vom Bienenweingarten“ bzw. „Die Geschichte vom Schafweingarten“ heißen die 2019er des Duos, die aber kein G‘schichtl, kein Marketing-starkes Schmähbruder-Latein von sich geben. Sondern eine nachzukostende Variante der Forschungsfrage aus besagter Abschlussarbeit darstellen: „Wie wirkt sich die Haltung von Nützlingen und Nutztieren im Weingarten auf die Weine aus“?
Und wie es bei einem „ceteris paribus“-Experiment gehört, änderten sich als einzige Variablen die Bewohner der Weingärten. Mal waren es Kamerunschafe, dann wieder bevölkerten den „Bienenweingarten“ – erraten! – Bienen. Tatsächlich befindet sich der „Bienenweingarten“ in Pfaffstätten und ist offiziell als Ried Preisen bekannt. Die Begrünung zwischen den Rebstöcken wurde aber auf Blühpflanzen abgestimmt; als Imker fungiert Matthias Auer mit einem Winzerkollegen.
Den Honig gibt es auch in der Geschenkbox mit dem Wein. Doch bevore wir jetzt was über den Honig erzählen (und ob man Klee, Wildrose und Co. rausschmeckt), begeben wir uns auf vertrautes Terrain: Als Wein besteht „Die Geschichte vom Bienenweingarten“ zu je 50% aus Rotgipfler und Zierfandler. Nach der einmonatigen Spontangärung gärte der Wein im Holzfass fertig und reifte für 13 Monate auf der Vollhefe. Unfiltriert und schwefelarm wurde er in markante Steinzeug-Flaschen abgefüllt.
Die Cuvée aus Rotgipfler und Zierfandler bringt die regionalen Sorten in einem Duftbild zusammen, das tropenfruchtig, aber nicht süß wirkt. Ananas und fast schon Lychee sind zu merken, vor allem aber keinerlei mostigen Töne oder Gerbstoff-Anflüge, wie sie so oft die Annäherung an maische-vergorene Weißweine erschweren. Der „Bienenweingarten“ zeigt sogar leichte Honigtöne im Mund, die Vollmundigkeit zu Beginn wird aber von einer feinen Würze abgelöst, die sich als lebendiger Nerv durch diesen Auer-Wein zieht. Wieder ist da ein tropenfruchtiger Mix, der aber keineswegs kitschig wirkt und den man sich am ehesten wie den verbleibenden Saft des Obstsalats beim Chinesen vorstellen darf – allerdings bar jeder Zuckrigkeit! An Guave, wieder Ananas und etwas Papaya könnte man sich gewöhnen. Final fordert dann doch der Gerbstoff des langen Schalen-Kontakts seinen Tribut. Er wirkt aber kaum störend, eher überraschend, und bleibt vor allem als animierender Rest dieser Talentprobe im Rückgeschmack lange präsent.
Auch der Rotwein aus dem Schafweingarten alias der bekannten Tattendorfer Riede Weißes Kreuz kann als Naturwein mit Sinn und Bedacht gelten. Er ist einer von jenen Weinen, die ein Brücke zu gewohnten Geschmacksbildern und nicht zum Apfelmost bauen, der von Konservativen gern als negativer Vergleich bemüht wird. Doch zurück zu den Wildschafen, sie fressen u. a. die Blätter der Rebstöcke innerhalb ihrer Reichweite ab. „So sorgen sie auf natürliche Weise für die Belüftung der Stöcke und Trauben. Gleichzeitig düngen sie auf natürliche Weise die Böden unseres Weingartens“, schmunzelt Lukas Auer. Als Erntehelfer fungieren sie zum Glück nicht, dafür zaubern sie den Jungwinzern ein Lächeln auf die Lippen. Auch „Die Geschichte vom Schafweingarten“ ist eine 50:50-Cuvée, in diesem Falle aus Sankt Laurent und Pinot Noir. Hier gab es nach der Gärung im Holzfass 15 Monate Vollhefe-Kontakt.
Dunkelste Himbeeren und Sauerkirschen evoziert der Geruch, etwas Koriander-Saat und Grünen Pfeffer erkennt man erst in zweiter Lesung. Gibt man dem Burgunder etwas Zeit im Glas, erinnert er auch an Wacholder-Rauch und Erdbeere. Schön jedenfalls kommen beide Seiten der roten Sorten durch, die Beerenfrucht in rot und die Würze! Sehr lebendig am Gaumen, denkt man fast, ein leichtes Prickeln zu spüren. Das verdankt sich aber weniger einem Kohlensäure-Rest, als den Kräuter-Noten, einem Erbteil des St. Laurents, wie wir annehmen. Der Pinot dagegen entfaltet sein Füllhorn mit Noten von Weichsel und Kornellkirsche nebst den Himbeeren. Die feine Pfeffer-Note des „Schafweingarten“ 2019 frischt stetig auf und geht praktisch direkt über in das Tannin. Auch hier bleibt am Ende ein Gerbstoff-Bitterl länger haften. Und auch hier hat es vor allem einen Effekt: Man trinkt nach. Und denkt vielleicht an Bienen und Schafe.
Bezugsquelle:
Weingut Auer, „Bienenweingarten“ 2019 kostet EUR 38,90 ab Hof, der rote „Schafweingarten“ ebenso, im Doppelpack (samt eigenem Honig) sind sie um EUR 77 zu haben, alle Preise ab Hof bzw. im Webshop, www.weingutauer.at