Den 100. Geburtstag als Betrieb feiern die Reinischs zwar erst in drei Jahren, doch auch ein kleines Jubiläum durchkreuzt der böse Virus: Vor 25 Jahren wurde der markante „Johanneshof“ in Tattendorf errichtet, der damals von nicht wenigen als „kalifornische Ranch“ oder „Falcon Crest der Thermenregion“ geschmäht wurde. Selbstbewusste Architektur für „Agrar-Gebäude“ war damals abseits der Steiermark eher unbekannt. Doch „J.R.“, wie Vordenker Johann Reinisch gerne genannt wurde (damals waren TV-Serien halt noch was Prägendes, egal ob „Dallas“ oder „Falcon Crest“), war derlei Kleingeist egal.
Die drei Söhne des früh Verstorbenen teilen aber seine Innovationskraft. Und so schicken sie einen Vorboten darauf, was später einmal eine drei-teilige Chardonnay-Hierarchie werden soll. Hier wird von der Spitze aus konstruiert. Denn der „Chardonnay Lores“ zählt nicht nur zu den langlebigsten Vertretern der Sorte (bundesweit!), er steht auch für eine opulente Linie, die selten geworden ist und die man mögen muss. Unvergessen ist der Heurigenbesuch, bei dem der Mit-Zecher nach diesem Wein seine Buschenschank-Standard-Frage stellte: „Wos geht do no drüber?“ Es ehrt die Reinischs, dass sie nichts verkaufen wollten, sondern ehrlich zur Antwort gaben: „In Weiß nichts mehr“.
Nun reichen Hannes, Christian und Michael Reinisch die Stufen nach, die zu diesem Wein-Monument führen. So wie es bei ihren St. Laurents bereits eine klare Hierarchie unter der nicht minder legendären „Holzspur“ gibt (nämlich: Laurent Bio und „Frauenfeld“), soll es auch beim Chardonnay werden. Der 2019er ist der Erstling als Basis der Burgunder-Pyramide. Das „missing Link“ zum „Lores“ reift noch vor sich hin, es wird ein Riedenwein von der Lage Kästenbaum sein, der das Dreiergestirn dann komplettiert.
„Die Burgunder-Sorte passt wunderbar in die Thermenregion“, begründet Hannes Reinisch den Neuzugang eines klassisch ausgebauten Chardonnays. Die Trauben dafür stammen aus zwei Lagen am Anninger, genauer aus Gumpoldskirchen und Pfaffstätten. Lediglich im Stahltank wollte man den biologisch zertifizierten Weißwein aber nicht ausbauen; eine Teilcharge von rund 25 % kam ins große Holzfass. Das war eine wichtige Entscheidung, wie sich bei der Verkostung zeigt.
Denn der 2019er Chardonnay ist ein Springinkerl, dessen Duft jederzeit auch als Grüner Veltliner durchginge. Pomelo, Gelber Apfel, auch etwas eingelegter Ingwer und Kaktusfeige sorgen für frische, zart säuerlichen Frucht-Düfte. Wird der Wein etwas wärmer und atmet etwas, dann merkt man auch eine ganz zarte Vanille-Note. Sie ist ein Vorbote darauf, was auch geschmacklich nachzuvollziehen sein wird. Denn auch hier beginnt es frisch und nass-forsch wie mit einem gejohlten „Wir wären jetzt da!“.
Eine leicht pikante Note, haarscharf an einem Veltliner-Pfefferl vorbeigezielt, leitet ein, die Taille dreht und der neue Reinisch frech zu – sie zeigt die Kraft dieses Weines. Es sind nicht die 13% Alkohol, sondern intensive Eindrücke wie Melone und Gelbe Paprika, die neben Nektarinen Staat machen. Tatsächlich führt der Chardonnay 2019 einen Akt der Selbstdressur im Glas vor: Er zähmt seine wilde Kraft nämlich minütlich. Und die scheinbar widersprüchlichen Speiseempfehlungen Christian Reinischs – einerseits zu Fisch und Garnelen wie ein Chablis, andrerseits zur Pasta, Salami und Moussaka (!) – bestätigen diese zwei Gesichter.
Keine Frage, der „Neue“ lässt sich im Sommer auch gegen den Durst wegpicheln. Ein Zehntel (kein Achtel) in einem Burgunder-Glas wird aber ganz andere Facetten aufzeigen. Wenn man so will, ist das ein „inklusiver“ Wein, der Freunde der Sorte im französischen Stil auf mehr Holz einstimmt, das dann „Kästenbaum“ und sicher „Lores“ liefern. Er verprellt aber auch den Alltagstrinker nicht, der sich mal von der Hausmarke zum „Chardo“-Achtel vorwagt. Und dann mit der volksbildnerischen Erkenntnis endet: Ist doch nicht alles so übel, was französische Namen trägt… Ganz und gar nicht!
Bezugsquellen:
Johanneshof Reinisch, Chardonnay 2019 ist um EUR 9,20 ab Hof bzw. im Web-Shop erhältlich, www.j-r.at