Die nächste Folge in unseren Kostnotizen vom SALON Österreich Wein widmet sich jener Rubrik, in der Qualität und Wertschätzung im Inland am meisten auseinanderklaffen. „Edelsüße Weine“ heißt diese Kategorie, die viel zu selten jene Würdigung erfährt, die sie verdient und – ein Blick auf die Weinkarten zwischen Tokio und Las Vegas zeigt es – im Ausland oft genug hat. Dass es hier heuer eine kleine Sensation gab, lag daran, dass die Phalanx der Süßweine aus dem Burgenland von einer Trockenbeerenauslese (TBA), made in Niederösterreich, gesprengt wurde.
Das soll aber nicht heißen, dass die anderen drei Kandidaten nicht ebenfalls grandiose Spezialitäten darstellten – 2015 gelangen die TBA offenbar schön balanciert, auch wenn die (technischen) Säurewerte schon einmal höher waren. Die älteste Abfüllung stellte aber ohnehin eine 2011er TBA von Gerhard Kracher dar. Dieser Wein war sozusagen außer Konkurrenz – über Empfehlung der Fachverkoster als so genannter „Auserwählter“ – in den SALON gelangt. Malve, Ananas-Gelée und Honig, notierten wir zum „Welschriesling No. 4 Zwischen den Seen“, der nach Lebkuchen, Honig und „Earl Grey“-Tee schmeckte. Dieser Süßwein ist quasi ein Dessert für sich und trotz des vergleichsweise niedrigen Zuckergehalts (186,3 Gramm pro Liter) eine Essenz von einem Wein. Ganz groß!
Mit einem von Krachers Welt-Weinen bekannten Süßwein-Namen, nämlich „Grand Cuvée“, mischte ein anderer Seewinkler mit. Roland Steindorfer hat dafür Muskat Ottonell und Sauvignon Blanc vermählt und einen mit 11,2% auch kräftigen Süßwein vorgelegt. 190 Gramm Restzucker standen zu Buche, doch der eigenwillige Charakter dieser Entdeckung definierte sich nicht über die Süße – wie bei jedem guten Wein dieser Kategorie! Die 2015er Apetloner TBA brachte schöne rauchige Noten mit, dazu eine Mischung aus Hagebutte, Hibiskus, Walnuss und Kaffee. Das Bukett-Spiel zwischen röstigen-cremigen und rotfruchtig-frischen Tönen setzte sich bei Steindorfers Wein auch am Gaumen fort. Hier kam bei aller Fruchtsüße – wir dachten an Marillen-Röster – auch eine röstige Geschmacksrichtung durch. Die cremig-dichte Art, die auch an weiße Schokocreme erinnerte, wurde im Abgang von einem säurigen Schlussakkord gekrönt: Pink Grapefruit sorgte für Frische nach dem üppigen Mittelteil. Fazit: Vielschichtige TBA, die schön zwischen den beiden Sorten pendelt und das Beste davon in einen Süßwein übersetzt hat.
Wer Frische schätzt, wurde mit dem dritten TBA-Vertreter gut bedient; das riesige Weingut Esterházy hatte ebenfalls einen 2015er am Start unter den Besten, auch hier war der Welschriesling Rebe der Wahl. Was mit einem Duft nach Marmorkuchen und Nussbrot begann, zeigte bald den dominierenden Zug, der sich aus der Malven-Duftigkeit, die mit mehr Luft einsetzte, herausschälte. Es war Blutorange, die in der Nase wie am Gaumen am eindrücklichsten blieb. Der frische Kostschluck brachte neben den Zitrusfrüchten (hier Kumquat und Orange) auch säurige Marille mit. Hier sorgt der Schmelz für eine ideale Begleitung zu Schokodesserts und reifem Rotschmierkäse.
Säure wie bei einer Limo: Der Sieger aus dem Stift
Doch nun zur „kleinen Sensation“, wie Wolfgang Hamm das Ergebnis der SALON-Jury kommentierte. Denn dass ein Prädikatswein aus Niederösterreich als besten Süßwein Österreichs abschneidet, kommt nicht allzu oft vor, so Weingutsleiter Hamm vom 2017 siegreichen Stift Klosterneuburg. Als Burgunder-Spezialist auch in der Thermenregion aktiv, hatte man die „Weissburgunder Trockenbeerenauslese“ eingereicht und den Sieg eingefahren.
„Die Weissburgunder Trauben wurden mit einer Gradation von 34 Grad KMW geerntet und haben für eine Trockenbeerenauslese mit knapp 4 Wochen relativ zügig vergoren.“
Dr. Wolfgang Hamm, Weingutsleiter
Der Wein mit niedrigen 9,4% Alkohol brachte entsprechend viel Zucker mit, doch die 239,9 Gramm erahnte man im Duft nicht. Im Gegenteil, wie ein „Ananas-KELI“, also säurig, limonadig und auch leicht spritzig riecht der beste Süßwein des SALON 2017. Dass dieser Eindruck nicht täuscht, zeigt das Mundgefühl. Zwar kommt zunächst ein an Hagebutten-Marmelade erinnernder satter Zug daher, doch überrascht der Klosterneuburger dann mit einer säurigen Art, die für einen schönen Trinkfluss sorgt (was nicht oft bei einer TBA zu notieren ist). Die Noten von rotem Apfel, Malvenblüten und rotem Früchtetee werden aber nicht nur von Säure, sondern auch einem leichten Bitterl begleitet, das zusätzliche Struktur verleiht. Bei aller Kraft hat man hier auch Eleganz zu bieten. Vielleicht entfacht ja dieser Wein ein wenig mehr Interesse für die „Edelsüßen“. Verdient haben sie es allemal.
Bezugsquellen:
Weinlaubenhof Kracher, Welschriesling No. 4 „Zwischen den Seen“ 2011, ist um EUR 39 (0,35 Liter-Flasche) im Fine Wine-Shop erhältlich, www.finewineshop.com
Weingut Steindorfer, „Grand Cuvée“ 2015 ist um EUR 18,70 beim Versand Weingrube erhältlich, www.weingrube.com
Weingut Esterházy, Welschriesling TBA 2015, ist laut Weingut leider bereits ausverkauft.
Stift Klosterneuburg, Weissburgunder Trockenbeerenauslese 2015, ist um EUR 25 in der Stifts-vinothek bzw. im Webshop erhältlich, www.stift-klosterneuburg.at