Das Thema stand schon lange fest, die Besetzung änderte sich am Ende noch. Doch weniger die Verkoster, vielmehr die Weine sind das sine qua non bei jeder Ausgabe der „Baden Tastings“. So heißen die von Bernadette Steurer-Weinwurm selbstlos organisierten Runden bei uns seit dem Vorjahr. Weil das Kind ja einen Namen braucht. Einen Modus hat es ohnehin seit der ersten Durchführung, als es um entalkoholisierte Weine ging (hier nachzulesen). Sorten-spezifisch wurde es dann 2024 in der Agentur Die Zwei beim Cabernet Franc-Verkosten (findet sich hier trinkprotokolliert). Und diesmal stand ein ähnliche Underdog der Reben-Welt auf dem Prüfstand. Ladies and Gentlemen, der Traminer!
23 Sortenvertreter aus vier Ländern wurden gut eingepackt, auf dass die Blindprobe auch eine solche wurde. Die Lernpunkte waren somit auch gegeben, wir fassen sie gleich einmal zusammen:
- Rosenseife ist eine aussterbende Rasse: Das oft gefürchtete, üppige Element zeigte so gut wie keiner in dem Line up.
- Dicke Schale enden mit unreifem Gerbstoff, wenn man früh liest, um keine Überreife/hohen Alkohol zu riskieren.
- Punkt 2 ging öfter ins Auge; erstaunlich viele der Traminer am Start „bitterten“ nach. Manchmal einfach zu viel.
- Kraft muss man nicht fürchten – die am besten bewerteten Weine hatten alle über 14% vol, allerdings endete damit nicht ihr Spektrum.
- Umgekehrt braucht die Sorte nicht zwangsläufig „Wuchtbrummen“. Auch leichte Optionen kamen gut an.
Für den fünften Punkt steht etwa der Traminer von Heinrich Hartl, quasi ein Lokalmatador beim „Baden Tasting“. Vor allem die Nase stellte ein ungewöhnliches Erlebnis dar. Mit einem Rauchton und der Steinobst-Kombi Mispel und Marille hatte dieser Jahrgang 2018 eine wahre Riesling-Anmutung zu bieten. Und zwar die der wertigen Vertreter. Saftig und mit viel Marille auch am Gaumen, überraschte dieser 12,5% vol leichte Thermenregionswein schon als vierter Kandidat des Blind-Tests.
Diese große Ausnahme soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Leichtigkeit bei der Rebsorte in der Regel mit einem Preis kommt. Vor allem dann, wenn man (zu) früh liest, um nicht am Ende einen breiten Traminer zu haben.
Die Sache mit der Kräuter-Würze und den „grünen“ Noten spielt sich da auf einem schmalen Grat ab. Bei Franz Haas etwa konnte sein „Gewürztraminer Südtirol 2023“ mit einem Geschmack nach Estragon und Brennnessel eine ganz eigene Komponente einbringen. Das passte. Und war kein Einzelfall; in der Breite der Sortenverkostung zeigte Südtirol insgesamt „cool climate“-Qualitäten. Neben Haas konnte da auch die Weinkellerei Brigl punkten; beim „Gewürztraminer Südtirol 2022“ war es eine Kombination aus Himbeere und Rauch, die den Kern aus Zitrus und Ingwer aufpolierte. Auch die Kellerei Tramin, diesmal nicht mit dem berühmten „Nussbaumer“ am Start, hat dem „Seldia“ Gewürztraminer 2022 eine Frischzellen-Kur verpasst. Trotz 14% vol. zeigte der eine Top-Balance: Säure, feiner Gerbstoff und saftige Steinfrüchte waren allesamt am richtigen Platz.
Am Ende standen einhellig die „Top 3“ fest. Sie stammen aus zwei der Traminer-Hochburgen bzw. von einem Meister der Sorte abseits von Elsaß, Klöch oder Südtirol. Beginnen wir mit ihm. Josef Fritz und seine „Große Reserve“ 2018 zeigten, dass Kraft kein Hindernis für einen an Ende gut austarierten Sortenvertreter darstellt. Wie auch bei der Paradesorte des Wagramer Winzers (Roter Veltliner), weiß er auch hier zu verhindern, dass die Üppigkeit ins Kraut schießt. Der hochfärbige Wein mit dem Geruch nach hellem Tabak wechselt ins Schnitten-röstige Gefilde, versagt sich aber nahezu jede Frucht-Note. Das ist bei der Aromasorte schon einmal ungewöhnlich. Ein Verdacht formt sich: Wurde hier absolut auf die Struktur des über 14% vol. kräftigen Weins hingearbeitet?
„Well“, würde der Engländer bedächtig sagen, eher er der letzte Akkord dieses Traminers verklungen ist. Denn Mango und Nougat machen am Gaumen das sprichwörtlichen „Mäuvoll Wein“ aus. Ein geradezu geiler Schmelz zeichnet den Wagramer aus, der dann auch noch sortentypischer wird. Beachtlich ist aber auch das Rudiment an Säure beim vor sieben Jahren geernteten Traminer Fritz‘. Eines gilt es hier aber zu beachten: Auch der Gerbstoff stützt hier die relative Frische. Und stellt sich nicht quer wie bei manch anderem Schluck in der Sorten-Kost. Und wer sich nun fragt, wo ein solcher Barock-Wein seinen Platz hat. Dann in jedem Fall zum gebackenen Kitz oder einem Bries!
Elsässer ohne „ü“: Trimbach 2013
Doch diese Intensität lässt sich sogar noch steigern. Das zeigt allein die Speisenempfehlung (diesfalls ©Wolfgang „Weinadvokat“ Schmid): Pekingente – man ahnt, dass hier kein Wasserl den Lebensbund eingehen kann. Im Gegenteil! Mit Jahrgang 2013 war es der älteste Wein im Boden-Tasting. Aber schon der erste Farbschimmer, der beim Aufdecken der folierten Weine durchschimmerte, sagte dem Kenner, dass an im Elsass gelandet war. Die knallgelbe Trimbach-Farbsprache war die Bestätigung, dass man bei diesem nach Honig, Rum-Rosinen und Kokoscreme riechenden Traminer richtig lag. Dieser Botrytis-geprägte Duft mag manchen erschüttern. Doch gemach, denn im Mund zeigt sich, dass hier sehr wohl auch viel Frucht wartet. Mango, die in Honig getaucht wurde, aber auch Himbeere, Kumquats mit Überreife und Lychee sind die Wegzehrung von einem Grenzgänger. Beständig am Rand des noch Schicklichen wandeln, lässt der Weiße aus Ribeauville die Freude einer üppig zur Schau gestellten Sinnlichkeit spüren.
Wieder – und bis zum Schluss – schmeckt man die Rum-Kokos-Entspanntheit. Doch spielentscheidend wird auch bei der uralten Elsässer Weindynastie der Nachklang. Und hier tritt im Hintergrund ein unerwarteter Gast auf. Ja, da steckt noch Leben, vulgo: Säure, in dieser „Gewurztraminer Réserve“. Wem fehlen da schon Ü-Stricherl?
Damit aber nicht der Eindruck entsteht, Holz und Traminer wären die besten Freunde, sei noch ein weiterer Wein der Bestenliste trinkprotokolliert. Elena Walch, die Grande Dame des Südtiroler Weinbaus, steht am Etikett. Doch die Kellerarbeit ruht längst auf den Schultern der Töchter Julia und Karoline Walch. Der 90 Hektar große Betrieb brachte mit dem „Gewürztraminer“ des Erntejahres 2019 einen spannenden Wein mit. Denn der Duft nach Honig-Gebäck („Bienenstich“) und Mango ließ an sich einen üppigeren Stil erwarten. Der Kostschluck hingegen behielt zwar die Mango im Geschmack bei, der fruchtsüße Antrunk dreht aber schnell. Dann schmeckt man Maracuja, ein feiner Säure-Nerv mündet in einem beinahe pfeffrigen Finale. Diese Lebendigkeit lässt den 14% vol starken Weißwein leichtfüßiger wirken. Regelrecht „juicy“ von seiner Anlage, wird die Saftigkeit bei den Walch-Schwestern so in Bahnen gelenkt. Und auch bei ihnen bleibt die Rosenseife draußen!
Bezugsquellen:
Josef Fritz, Traminer „Große Reserve“ 2018 ist vergriffen; Jahrgang 2019 gibt es bei Stefan Roszners „Feine Weine“ um EUR 18,- zu erwerben, www.feineweine.co.at
Domaine F.E. Trimbach, Gewurztraminer Réserve 2013 ist vergriffen; Jahrgang 2017 führt um EUR 31,- aber „Kate&Kon“, www.kateandkon.com
Elena Walch, Gewürztraminer 2019 ist um EUR 17,50 im Wein-Leben-Shop zu haben, www.wein-leben-shop.at