Das Treffen der Demeter-Winzer ist immer eine vinophile Wundertüte. Denn der erste Bio-Verband, der kommendes Jahr auch schon 100 Jahre alt wird, vereint junge Wilde ebenso wie weltbekannte Betriebe, bei denen man oft erst am Rücketikett und dem kleinen, orangen Logo erkennt, dass sie auch Biodynamiker sind. Eingestimmt wurde das Treffen der 50 WinzerInnen aus 8 Ländern mit einem Vortrag von Vincent Masson, der so etwas wie die „hehre Lehre“ beschwor. Dass etwa die Mondphasen weniger wichtig sind als das korrekte Rühren der biodynamischen Präparate für die Pflanzenstärkung, überraschte auch manchen Praktiker.
Natürlich kam Masson auch auf die vergrabenen Hörner mit Mist zurück, zumal er selbst 70.000 davon im Herbst in die Erde legt. Manchem wird das ebenso wie die „elektromagnetische Information, die ans Wasser übertragen wird“ ein wenig zu esoterisch sein. Doch am Ende zählt für den Genießer ja nie die Kellertechnik, die begnadete Hand oder gar ein Zaubertrick des Weinbauern – sondern, was in die Flasche kommt. Und da beeindruckten eine Menge Weine im Museumsquartier! Auch wenn nicht alle noch einen heimischen Händler aufweisen konnten (etwa der famose Rosé der Domaine Arquiris aus Südfrankreich).
Wenn man aber Stummfilm-Legenden auf einem Weinetikett sehen will, ist man ebenso richtig bei den Demetern. Dass er in der Tat das Original-Plakat des 1920er Films „Der Golem, wie er in die Welt kam“ als Label wählte, erwähnt Leo Uibel nebenher. Für uns, der als eine der letzten drei VHS-Kassetten aus einer einst mächtigen Sammlung auch Paul Wegeners Performance aufbewahrt, muss dieser „Golem“ aber einfach verkostet werden. Kaktusfeige, Nektarine und Apfel bilden einen gelbfruchtigen Duftkern, der aber wie durch einen Schleier wahrgenommen wird – den legt der Gerbstoff über den Geruch des 2021ers aus dem Weinviertel. Ein zartes Bitterl ist auch von Anfang an da, Quittenkäse wäre eine Analoge zu diesem leicht adstringierenden Geschmack, der aber auch von frischer Säure begleitet wird. Wie verwoben wirken diese beiden Driver des „Golem“, der damit einen ungewöhnlichen Aroma-Druck entwickeln kann. Diese Kraft verwundert nicht, nachdem Uibel hier eine „trockene Spätlese mit mehr Lagen-Anteil“ vorlegt.
Während Uibel, der 2007 mit seinem Weingut startete, immer noch nicht allen Weintrinkern ein Begriff ist (dafür reichen seine Abfüllungen aber eh nicht), trägt Alexander Zahel einen traditionsreichen Namen. Zumindest für alle Wiener Phäaken, die entweder die Bemühungen von Onkel Richard Zahel um den Gemischten Satz oder den Heurigen in Mauer kennen dürften. Und „Alex“ ist einer, der gerne experimentiert. Etwa mit der Serie „Ein kleines Fass”, die eine Selektion der besten Trauben aus den Lieblingsweingärten umfasst. Allerdings ergibt das namensgebende Barrique auch nur 225 Liter oder 300 Flaschen. Somit war es eine Art Belohnungswein, der ins Glas kam (wobei man empfiehlt, vor Ort „lieb zu fragen“, ob denn nicht noch ein Flascherl da ist). Als Neuburger-Fans sahen wir mit Freude, dass es auch diese Sorte als „Kleines Fass“ gab. Doch natürlich will man den Gemischten Satz kosten, den man 2021 in das Gebinde gefüllt hat. Tropenfrucht wie Papaya, die sogar intensiver durchkommt als der Mango-Duft, legt einmal vor, ehe es fast rotfruchtig (ein Anflug Preiselbeere) wird bei diesem Wein, der Anteile aus Oberlaa enthält, wie Alex Zahel (links im Bild) verrät.
Druckvoll und dicht umspielt der Gemischte Satz dann die Zunge; auch da ist es eine Mischung aus roten Tropenfrüchten, vor allem Guave, und Hagebuttengelée, die für attraktiven Schmelz sorgt. Doch keine Bange, üppig wird da nichts, denn der zarte Kaffeesatz-Ton deutet auf den Gerbstoff hin, der fein, aber merklich im letzten Drittel auffrischt. Zum Finish hin greift er der Fruchtigkeit des „Ein kleines Fass“ 2021 noch schön unter die Arme. Es ist ein reifer Wiener Wein, aber einer, der auch guten Trinkfluss hat. Nur schnell sollte man halt sein bei dieser Zahel-Rarität mit ihrem faszinierenden Fruchtspiel.
Die Lebendigkeit der biodynamischen Weine – meist auf das Bodenleben bezogenes Attribut – kann man mitunter auch riechen. Jakob und Günther Schönberger hatten aus Mörbisch ihren Grünen Veltliner mitgebracht. Und der „Goldberg“ brachte neben dem bekannten Duft nach Gelbem Apfel auch eine fast scharf-präsente Note mit, die sich nach einigem Überlegen in der Tat als frisch aufgeschnittenes Radieschen (mit etwas Grün) entpuppte. Das will man natürlich kosten, wenn der 2019er schon so prägnant duftet. Zumal mit Luft auch ein Quäntchen Quitte hinzutritt. Das Mundgefühl fällt überraschend satt aus, auch da sind es Apfelnoten – eher von gedarrten Apfelringen, die man schmeckt. Und auch das „spicy“ Element ist wieder vorhanden. Diesmal würzt ein wenig Kren den „Goldberg“, der mit einem gerade dosierten Gerbstoff auch noch im Nachklang eine Schippe drauflegt. Dass an burgenländische Veltliner nicht immer der knackig-pfeffrigen Ur-Meter von der Brünnerstraße angelegt werden soll, ist bekannt. Doch in diesem Falle gibt es eine Schnittmenge mit Schönbergers Wein: enorme Trinkfreude!
Nachgerade super-typisch ist die Riesling-Nase, die einem „late release“ vom Nikolaihof entströmt. Vor allem Marille bringt der Wachauer Wein, der 2016 geerntet, aber erste 2022 gefüllt wurde, mit. Sie ist pikant unterlegt, die leichten Paprika- und Rosendüfte heben die Steinfrucht aber noch. Die wiederum stellt die Klammer zum Geschmack dar. Hier sind es feine Zitrusakkorde, die für Trinkfluss sorgen bei einem Wein, der mit 12% ins Glas kommt (im gemeinhin als „heißes Jahr“ abgespeicherten 2016). Leichtigkeit ist bei diesem Federspiel von Nikolaus Saahs kein Mangel an Schwere, sondern eine eigenständige Kategorie. Und zwar eine, die nicht mit Geschmackseindrücken spart. Denn auch im Finish ist da wieder diese Fruchtpikanz zu spüren, die an Gelbe Paprika ebenso anklingt wie an (noch säurig-frische) Marilllen. Wenn man so will: ein Federspiel wie früher – auch wenn man sechs Jahre darauf warten musste. Doch parallel hatte der Nikolaihof auch seinen 1997er Riesling am Start: Der „Severin“ kam nach 25 Jahren erst aus dem großen Holzfass. Doch das ist wieder eine andere Geschichte….
Bezugsquellen:
Bio-Weinhof Uibel, Grüner Veltliner „Golem“ 2021 ist um EUR 10,50 ab Hof bzw. im Webshop zu haben, https://uibel.at
Bio-Weingut Zahel, Gemischter Satz „Ein kleines Fass“ 2021 ist um EUR 22 – in absoluten Restmengen – nur ab Hof erhältlich, https://shop.zahel.at
Weingut Schönberger, Grüner Veltliner „Goldberg“ 2019 ist um EUR 22 ab Hof bzw. im Webshop erhältlich, https://shop.schoenberger.eu
Nikolaihof, Riesling Federspiel (Late Release) 2016 kostet EUR 25 ab Hof bzw. über Online-Bestellung, www.nikolaihof.at