„Manchmal ist es besser, Barolo mit Leuten zu kosten, die ihn noch nicht kennen“. Achille Boroli darf das sagen; er ist selbst Produzent im Piemont und das nicht irgendwo. „Brunella“ stellt eine der wenigen Monopollagen des Barolo-Gebiets dar, „Cerequio“ wiederum teilt man sich mit vier Produzenten, darunter Weltberühmtheiten wie Roberto Voerzio oder Angelo Gaja. Was Signore Boroli aber meinte, ist dass viele ihr Bild des weltberühmten Nebbiolo bereits im Kopf haben. Wenn Gerbstoff und Säure dann einmal nicht gleich da sind, wird schon Zeter und Mordio geschehen. Das passierte etwa beim Jahrgang 2003, den Achille Boroli (kl. Foto links) mit seinem Österreich-Importeur Gerhard Kracher (Fine Wine) entkorkte. Ein herrlicher Wein, aber immer noch vom Holzeinsatz der frühen Jahre – die Borolis stiegen 1998 in den Weinbau ein – geprägt.
Ort des Geschehens war eine Wiener Weinliebhaber-Wohnung, in der Federico Gallo auch eine perfekte Küche für seine Michelin-Star-gekrönte Küche vorfand. Der Chef aus der „Locanda di Pilone“ hoch über Alba sorgte für die piemontesischen Genüsse zu den Weinen: Das Rindfleisch Fassone, zart geschmort (eine Gabel reichte zum Zerteilen), Haselnüsse und natürlich Trüffel bildeten die Unterlage zu den aktuellen Jahrgängen 2013, 2012 und 2010. „Barolo“, so heißt es im Boroli-Buch „Brunella – Birth of a Barolo Cru“, „braucht Essen geradezu“, um alle seine Finessen zu zeigen. Und das Wiener Gastspiel zeigte auch das. Zu einem Winter-Dessert, das man sich wie in Nutella gehüllte Steinpilze vorstellen darf, muss man erst einen Wein finden.
Doch bleiben wir in der Menüfolge: Der einleitende Barolo „Classico“ aus dem Jahrgang 2010 lebt von der Würze; schon im Duft sind da Kerbel und Thai-Basilikum, dazu auch Kakao und Vanilleschote zu bemerken. Der Umschlag dieses Barolo in Richtung ätherisches Geschmacksbild erfolgte bereits. Die Aromen sind fein gesponnen, die Noten von Erdbeere und Himbeere nur fein hingetupft und durch eine saftige Art verbunden, die niemals plump wird. Dem steht der Barolo „Classico“ 2012 gegenüber, dessen Geruch schon die „fettere“ Art signalisiert: Rumtopf-Erdbeeren, Nougat und Haselnusscreme (Achille Boroli erwähnte zuvor „Nutella“ als piemontesisches Erzeugnis, vielleicht liegt daran die Assoziation). Der Eindruck am Gaumen ist deutlich frischer, hier ist die Säure noch sehr betont, auch eine an Blut erinnernde Eisen-Note kommt in dem jugendlichen Barolo durch. Sein Geschmack baut sich erst auf, nicht nur im Mundgefühl, das immer intensiver wird und am Ende vom Gerbstoff beherrscht wird. Warten ist angesagt bei diesem Jüngling.
Der jüngste Wein, der tiefste Grund: Brunella 2013
Aus der erwähnten Monopol-Lage Brunella steht der 2013er am Tisch, der jüngste Wein in der Boroli-Probe überhaupt. Er duftet nach jugendlicher Brombeere und gerösteten Mandeln, in diese Düfte mischt sich weißer Pfeffer. Je mehr Luft der Wein bekommt, desto eher erinnert er auch an schwarze, eingelegte Nüsse. Dass dieser Eindruck nicht täuscht, zeigt eine nussige Ader im Kostschluck, die sich um eine insgesamt herb würzige-säurige Art schlängelt. Preiselbeeren beschreiben diesen Eindruck am besten, denn auch der Säurebogen ist ausgeprägt und frischt im Abgang nochmals auf. Das Mundgefühl ist trotz der Frische recht cremig, die relativ zugängliche Art überrascht. Allerdings wird man in vier Jahren (oder so um den Dreh) noch mehr Spaß mit dem dann noch balancierten Brunella haben.
Ihm zur Seite steht der zweite rare Wein des Guts, der Barolo Cerequio 2012. Bei ihm kommen die Preiselbeeren im Duft durch, reife Noten wie Steinpilz, aber auch grüner Pfeffer sind zu notieren. Der Wein kommt vom „linken Ufer“ von Alba, dem man gemeinhin größere Zugänglichkeit attestiert. Hier äußert sich das in einer betont saftigen Art, die Aromen (fleischige Erdbeere vor allem) sind plakativer, auch das Tannin ist noch deutlich, aber auch blind würde man diesen Wein nach Italien verorten. Er ist „juicy“ und dunkel zugleich, das alles bei einer jugendlich-frechen Tannin- und Säurestruktur.
Wer nicht warten mag, hat mit dem 2012er jetzt schon einen alltagstauglichen Wein, der etwa zu dem gereichten Fassone-Rind bestens passt. Das saftige, nur leicht gewürzte Schmorfleisch stellt fast einen Spiegel dieses Barolo dar.
Villero 2003: Der Fruchtschmelz des reifen Jahres
Der Barolo Villero wiederum erweist sich als Wein für Einsteiger in diese Spezialität des Piemonts. Der Jahrgang 2012 hat mit 14% Alkohol Kraft, die sich auch in der Nase äußert. Schwarzer Pfeffer, Erdbeeren und eine satte Dosis Milchkaramell stehen hier zu Buche. Süß und zugänglich beginnt der Villero 2012 im Mund. Roter Apfel, wieder die Erdbeer-Note des Haus-Stils, weiße Schokolade und ein zurückgenommenes Tannin (etwa im Vergleich zum „Classico“ des gleichen Jahres deutlich!) stehen für einen zugänglichen Wein. Auch dass dieser Barolo den Alkohol gut versteckt – im Finish dann vor allem hinter einer schönen kräuterwürzigen Note – trägt zu diesem Eindruck bei.
Der Kontrast könnte nicht größer sein zum zweiten Wein des Flights, einer Abfüllung aus den Anfangstagen der Borolis, nämlich dem Villero 2003. Damals verließ man sich noch mehr auf externe Berater, was schnell zu lebhaften Debatten führt am Tisch: Wurde der Stil zu Holz-lastig in dieser Zeit? Nun, mit den Jahren, die den Barolo geschliffen haben, steht ein beeindruckender Wein vor uns. Federico Gallo reicht dazu Käse – und der 18 Monate „in foglie di Castagno“ (Kastanienblättern) gereifte Hartkäse Beppino Occellis etwa passt perfekt zum Villero 2003. Die gekochten roten Früchte, in die sich auch etwas rote Rübe mischt, halten mit dem salzig-süßen Käse und seiner cremigen Textur mit. Rund und in sich ruhend ist dieser Barolo, der mit seiner rotbeerigen Art und dem immer noch zart dahinter „lauernden“ Gerbstoff einen seriöser Wein darstellt, der vielleicht nicht die heute gefragte Feingliedrigkeit der Boroli-Selezione aufweist. Im Moment allerdings gefällt der fruchtsatte Wein durchaus.
Bezugsquelle:
Boroli, Barolo Cru „Brunella“ 2013 kostet EUR 109,00, der Barolo „Cerequio” 2012 EUR 99,90; der Barolo „Villero” 2012 ist um EUR 99,90 erhältlich und der Jahrgang 2003 des „Villero“ um EUR 119, alle bei Kracher Fine Wine, www.finewineshop.com