Es gibt keine Kängurus in Austria, steht auf vielen T-Shirts. Nicht nur die Beuteltiere sind selten, auch australische Weine sind hierzulande Mangelware. Nach wie vor klebt ein Vorurteil früherer Jahrzehnte an den „Trinkmarmeladen“: Alkoholisch, überholzt und plakativ fruchtig seien die Rotweine, säurearm und „kitschig“ die Weißen. Neue Welt-Weine haben es entsprechend schwer, speziell seit man auch die langen Transportwege mit Skepsis betrachtet und den Co2-Fußabdruck des Tischweins misst. Aktuell ist der australische Wein aber wieder auf dem Vormarsch: In Europa (ohne Großbritannien) legte man im Vorjahr um 6% zu. Eine boomende Traube ist auch der Riesling – sein Exportvolumen nach Kontinentaleuropa legt wertmäßig 65% zu – wobei speziell die deutsch-stämmigen Winzer ihn weit länger anbauen, als vielen in der Alten Welt bewusst sein mag. Selbst wurzelechte, also mit Rebmaterial vor der Reblaus-Katastrophe des 19. Jahrhunderts angelegte Weingärten, gibt es am Barossa Ridge, wie etwa Ronald Brown von Maverick Wines stolz bei einer Probe seines Rieslings erzählt.
Einziges Problem: Auch er sucht nach Importeuren, die Weine wie diesen in der „alten Heimat“ (Brown hat auch Schweizer Wurzeln) bekannter machen. So erging es uns bei mehreren Ständen im Victoria House, Londoner Schauplatz des Australia Day-Tastings. Dass wir nun schon die vierte Folge mit Empfehlungen von dieser Verkostung schreiben, zeigt, dass hier viel Unbekanntes wartet – zuerst einmal auf den Handel, denn nur er kann zu den Konsumenten vorstoßen. Und es gibt Hoffnung: Paul Liversedge, Master of Wine (MW) aus dem Schweizer Stallikon (bei Zürich) etwa hat sich die nämliche Winery herausgepickt, die auch uns faszinierte. „Ab dem Frühjahr 2018 sollte ich sie haben“, so der Händler von Real Wines. Wir sprachen über Salena, einen der größten australischen Bio-Produzenten. Unter dem Label „Twisted Sticks“, das auch Comic-Fans lieben dürften, beeindruckte der Cabernet Sauvignon. Er ist ein Musterbeispiel dieser Sorte, kostet nicht die Welt und bringt die schwarze Johannesbeere in Reinkultur mit.
Der Duft des 2015er Australiers deutet schon an, dass es sich um einen tiefgründigen Wein handelt: Kakao, Graphit und eine nur zarte grüne Paprika-Note zeichnen einen breiten Aromenbogen vor. Die Frucht schlägt dann im Kostschluck zu, zur Johannesbeere kommt auch eine saftige Brombeer-Note, diese Vollmundigkeit wird aber von einer merklichen Säure begleitet, die für Trinkanimo sorgt. Einen gewissen Widerrist stellt die kräutrig-würzige Paprika-Estragon-Verbindung dar, die sich in diese Spannung auch noch einbringt. Kurz: Ein zupackendes Glas Wein, das man auch selbst nicht so schnell aus der Hand gibt.
Die Sauflied-Winery und ihr Faible für Umlaute
Andrew Hoadley kam viel herum als Winemaker und so verdankt sich auch der Name seines eigenen Weinguts La Violetta einem Sauflied, das er im Piemont kennengelernt hat. Und der Meister hat ein Faible für unkonventionelle Namen und Aktionen: „das sakrileg“ – auf Deutsch am Etikett zu finden – heißt ein Wein aus dem westaustralischen Denmark, der „Spunk Nat“ wiederum vereint Shiraz und Riesling in einem Wein. Den Rot-Weiß-Mix mögen wir konservativen Süffler aber nur aus der Champagne, aber an einem Wein namens „Ü“ konnten wir dann doch nicht vorbeigehen. Auch er hat eine Dosis Riesling im Blend (60%), der Gewürztraminer – nicht gerade Australiens Einser-Rebe – und auch etwas Grauburgunder (je 20%) kam mit ins Eichenfass zur Gärung.
Der „Ü“-Jahrgang 2017 mit dem Bei-Namen „Röck döts“ rockt tatsächlich: Expressiver Duft nach Zitrusfrüchten, Nektarine und Zimtrinde steigt aus dem Glas, mit 12,5% Alkohol ist es ein für australische Verhältnisse schlanker Wein. Die Grapefruit bleibt von den Agrumen auch am Gaumen über; sie leitet einen kühlen Wein ein, der mit der Marillen-Note des Riesling (allerdings ohne Fruchtopulenz oder kitschiger Süße) ins Finish geht. Dort wird es ein wenig herb, ein kleiner Schalenanteil – Hoadley ließ bewusst Ganztrauben-Teile zu – sorgt hier für Tannin am Ende. Das regt den Appetit an, insgesamt ergibt der „Ü“ somit einen ungewöhnlichen Aussi-Apéro.
Es gibt keine Kängurus, aber den „Barossan“
Zum Glück auch in Österreich erhältlich ist der Sieger-Typ aus einer der hierzulande bekanntesten Wineries – Peter Lehmann. Er fand sich nämlich in zwei der Sonderpräsentationen des Australia Day-Tastings. Sowohl bei den 50 Besten, die das Fachmagazin Wine Merchant selektiert hatte, als auch bei der nach den errungenen Auszeichnungen gewichteten „Gold Medal“-Selektion stand der 2015er „The Barossan“. Die Herkunft aus dem Barossa Valley steht damit fest, die Rebsorte stellte der Shiraz. Hier hat man auf Trauben-Selektionen aus dem gesamten Weinbaugebiet zurückgegriffen und langen Schalen-Kontakt sowie eine Fassreifung in amerikanischer und französischer Eiche angehängt. Das Ergebnis riecht nach Bockshörndl, Kumquat, aber auch „After eight“ mit seinem Mix aus dunkler Schokolade und Würze. Das cremige Mundgefühl verstärkt den Eindruck einer Trink-Schokolade, fast wie schmelzende „Maltesers“ – die alten Schoko-Gebäck-Kugeln – kleidet der Barossa-Shiraz den Mund aus.
Von einer „Trinkmarmelade“ alten Zuschnitts ist man bei Lehmann aber entfernt. Die Beerenfrucht ist ausgeprägt, aber leichtfüßig und dunkel. Man mag an den ersten Holunder, direkt vom Strauch, denken. Grüner Pfeffer setzt gegen Ende ein, die jugendliche Tanninstruktur erinnert im Rückaroma an Espresso. Wenn jemand den idealen Wein zum Steak sucht – der „Barossan“ ist viel Rotwein für vernünftiges Geld.
Der andere Gigant des australischen Weinbaus, Penfolds, hatte zwar keine Weine in der Londoner Tischpräsentation, im Raum der ausgezeichneten Weine stand aber ein Monument am Ende der Kost-Reihung. Der aus Shiraz, Grenache und Mataro gekelterte „Rare Tawny“ brachte die australische Portwein-Abteilung nachdrücklich in Erinnerung. Schon vor ein paar Jahren hatte Winemaker Peter Gago ihn bei einem Dinner dabei und der „Grandfather“, wie dieser rare Wein heißt, blieb in Erinnerung. Die Wiederbegegnung begann mit dem platonischen Ideal eines Nuss-Duftes, in das sich auch Kakao-Pulver und die in Cocktails fast nicht mehr zu findende Amarena-Kirsche mengen. Der gemütliche Beginn am Gaumen, wieder mit viel Nuss und quasi auf Samtpfoten, erinnert kurz an den namensgebenden „Grandfather“.
Dann aber sprengt der „Opa“ den behäbigen Boden weg und gibt im Abgang den Mexikaner: Wie die Schoko-Chili-Sauce „Mole Poblano“ klingt der Tawny nämlich aus. Die Pikanz krönt diesen einzigartigen Wein, der zu Recht einen speziellen Preis hat.
Bezugsquellen:
Salena Estate, „Twisted Sticks“ Cabernet Sauvignon 2015 ist um ca. 16 Euro beim Schweizer Australien-Spezialisten „Real Wines“ erhältlich, www.realwines.ch
La Violetta, Cuvée „Ü (Röck döts)“ 2017 ist um EUR 34 beim britischen Importeur „Knotted Wine“ erhältlich, www.theknottedvine.com
Peter Lehmann, Shiraz „The Barossan“ 2015 ist um EUR 18,50 bei Wein&Co erhältlich, www.weinco.at
Penfolds, „Grandfather“ Rare Tawny, ist um EUR 159 bei Vinexus erhältlich, https://www.vinexus.de/penfolds/