Australiens First Families of Wine oder auch die Barons of Barossa stellen so etwas wie den Wein-Adel des Fünften Kontinents dar. Stephen Henschke gehört zu beiden. Und er steht mit seinem Namen auch hinter dem Rotwein-Aushängeschild des Landes, dem „Hill of Grace“. „Wir feiern heuer 150 Jahre, der erste Wein wurde 1868 für die Gnadenberg-Kirche abgefüllt“, erzählt Prue Henschke, die uns durch die Weinberge führt. Von den 600 wurzelechten Shiraz-Stöcken, die über 135 Jahre alt sind („unsere Großväter“, nennt sie Henschke (kl. Bild rechts)), sieht man die Kirche deutlich. Mitten in den Reben, die man nur nach einem Fußbad gegen etwaig aus Europa eingeschleppte Rebläuse besichtigen kann, findet sich das Alte Postamt. „Hier hat Nicolaus Stanitzky die ersten Weintrauben gepflanzt“, es war ein halbes Hektar Shiraz, der bis heute den Ruhm von Henschke ausmacht.
Stephen Henschkes Deutsch ist aufgrund des Önologie-Studiums in Geisenheim makellos, der Winzer in fünfter Generation ein bescheidener Mann. Mit klaren Ansichten. Und einem Bewusstsein für den Schatz, den er im Eden Valley als Basis seiner weltberühmten Weine nützen darf. „1958 erfolgte die Jungfernlese aus fast 100 Jahre alten Rebstöcken“, erwähnt er beiläufig, wenn es um die Geburtsstunde des „Hill of Grace“ geht. Denn lange war man eher für Portwein-artige Süßweine und den „Hock“ bekannt, wie der Riesling hier gemäß britischer Tradition hieß. Reinsortiger Shiraz kam später. Doch er wurde die Grundlage der Legende, die mit Stephens Vater Cyril Henschke begann.
Der Start der Probe im heuer umgebauten Weingut erfolgt mit den beiden weißen Weinen der Rotwein-Legende: Chardonnay, vor allem aber der Riesling, haben ihren fixen Platz im Eden Valley. Mit 400 bis 500 Meter Seehöhe geht das Gebiet als hoch gelegen durch, vor allem die kühleren Nächte bewahren die Frucht der Rebsorte, die auf Kalk, aber auch Lehm ihre Heimat bei den Henschkes fand.
Der „Julius“ erinnert an den Bildhauer der Familie – von Julius Henschke stammen etwa die Engel am National War Memorial in Adelaide – und kommt aus dem Jahr 2017, das als groß angesehen wird. Viel Zitrusfrucht und eine ebenfalls leicht säuerliche Passionsfrucht stimmen auf den Kostschluck ein, dazu kommt Grüner Pfeffer. Feinst Säure sorgt für Frische am Gaumen, die durch den Grapefruit-Limetten-Mix noch unterstrichen wird. Etwas Gelber Apfel bildet den Kern, um den die knackigen Zitrusnoten gravitieren. Das salzige Finish bestätigt die Klasse dieses Rieslings, dem man ein Lagerpotential von 25 Jahren einräumt. Dass hier ein Alkohol von nur 11,5% dahinter steht, macht den Druck dieses Weins umso überraschender: Ein echter „Gaumen-Kärcher“, der Laune macht!
Zwei flüssige Hommagen an die Pioniere
Wo wir gerade bei weißen Weinen sind: Auch bei Henschke kennt man die „Ko-Fermentation“ (siehe dazu unseren Clonakilla-Beitrag). Auch hier ist es Viognier, der als weiße Rebsorte die Trias aus 66% Shiraz, Grenache (15%), Mataro (besser als Mourvédre bekannt, hier sind es 10%) aufpeppt. Der „Henry’s Seven“ erinnert an Pionier Henry Evans, „dessen originalen Weingarten aus 1853 seine Witwe, die den Temperenzlern zuneigte, aber ausreissen ließ“, wie Stephen Henschke (am Bild links) kopfschüttelnd erzählt. Es wäre ein noch älterer Weingarten als sein eigener am „Gnadenberg“ gewesen, was dereinst in Keyneton den Ruf der „Süd-Kolonie“-Weine begründete.
Der aktuelle 2016er Blend jedenfalls macht dem Namensgeber Ehre, er duftet nach Zwetschken-Mus samt Piment und Gewürznelke, auch Veilchen und ein Touch Schwarzer Pfeffer läßt sich erschnuppern. Der saftige Antrunk bringt erneut die dunklen Beeren und die Powidl-Note mit. Jugendliche Tannine und Kräuter wie Estragon und Koriander-Grüne stützen diese fruchtige Eindringlichkeit ab. Das Finale des „kleinen“ Henschke-Rotweins ist süßlich und von grünen Kräuter-Aromen zugleich getragen – in Summe ergibt das einen appetit-anregenden Rotwein, dem man seine 14,5% nicht anmerkt. Gern kühler servieren!
Ebenfalls aus Keyneton stammt der Blend, der den Ort im Namen trägt, aber ebenfalls auf künstlerische Ambitionen der Henschke-Dynastie anspielt. Paul Alfred Henschke, die dritte Winzer-Generation, spielte unter anderem das Euphonium in der Blaskapelle der deutschen Auswanderer. Der „Keyneton Euphonium“ 2014 vereint keine Klangfarben, aber die Sorten Shiraz (57%), Cabernet Sauvignon (36%), Merlot (12%) und Cabernet Franc (5%) aus dem Barossa Valley und dem kühleren Eden Valley. Rauchige Rote Paprika, etwas Ribisl und auch eine pfeffrige Komponente stimmen auf einen frischen Rotwein mit prononcierter Säure ein. Johannesbeeren und Brombeere lassen den Geschmack dunkelbeeriger ausfallen als erwartet. Eine leichte herbe Ader und Säure erinnern dann tatsächlich an Mandarinen-Spalten, mit Grünem Pfeffer und einem jugendlichen Gerbstoff klingt dieser trotz 18 Monaten Fass-Reife leichtfüßige und balancierte Alltagsrotwein aus.
Das Erbe Cyril Henschkes: Cabernet und „Edelstein“
Noch mehr Cabernet bringt der „Cyril Henschke“ mit. Denn der gleichnamige Winzer sorgte mit der Auspflanzung dieser Sorte für die endgültige Fokussierung auf trockene Tafelweine. Der 2013er „Cyril“ ist ein bemerkenswerter Blend aus 88% C. Sauvignon und 7% C. Franc, den Rest liefern Merlot-Trauben. Cassis und eine grüne Frische, die an Brombeer-Blätter und – Hecken erinnert, lassen keinen Zweifel an der dominierenden Sorte. Der Gaumen allerdings wird von der Würzigkeit überrascht, die sich rasch aus dem Brombeer-Holunder-Gemisch schält. Ist es anfangs klar Thymian, der hier für Tiefgang sorgt, entwickelt sich daraus ein langes und frisches Finale, in dem man mitnotieren kann, was sich alles abspielt: Grüner Paprika und Koriandergrün werden getoppt von erdig-frischem Wacholder, direkt vom Strauch. Große Klasse und ein hochreifer Cabernet, der wie eine feine Zigarre mit leicht holzigen (Zeder!) Noten ausklingt.
Während dieser Wein kaum im deutschsprachigen Raum zu erhalten ist (seufz!!), hat der „Mount Edelstone“ seine Fangemeinde gefunden. Als reinsortiger Shiraz steht er für die Kernkompetenz von Prue und Stephen Henschke schlechthin. Der 1912 gepflanzte Weingarten trug einst den Namen „Edelstein“, daher der ungewöhnliche Name, der sich dem Barossa-Deutsch, einem eigenen Dialekt verdankt. Er verband deutsche und englische Ausdrücke in einem anmutigen, makkaronischen Sprachgewirr, das an die schlesische Heimat erinnerte (und vor allem während der Weltkriege zu Repressalien gegen die längst Australier gewordenen Alt-Lutheraner führte). 1974 konnte Cyril Henschke, der die Qualität dieses Weingartens erkannte, den „Edelstein“ mit seinem Lehm- und Tonboden kaufen. Der aktuelle Jahrgang erinnert an Vanille-Kirsch-Gebäck, dazu kommt eine animierende Note im Duft, die an Lorbeer erinnert. Der würzige Zug, unter anderem auch manifest mit Rosmarin und gequetschten Grünen Oliven, zeichnet diesen 2013er aus. Ewig lang im Abgang, bringt er auch hier die fruchtig-herbe Würze der Olivenpaste („Tapenade“) mit, das kühle Rückaroma erinnert an Schwarze Johannisbeeren.
Australiens Rotwein-Ikone: Hill of Grace 2013
Eine besondere Ehre ist die Probe des mittlerweile an die 700 Euro teuren Flaggschiffs „Hill of Grace“, das Stephen Henschke entkorkt. Genauer: „entglast“. Denn mit der Kork-Qualität hat der Perfektionist lange gehadert. Was nützen auch Reben aus dem Jahr 1860 und sorgsamste Vinifizierung, wenn dann eine Bakterienschleuder das flüssige Kunstwerk verhunzt?
Australien bekam immer den miesesten Kork. Und was wir verweigerten, ging weiter nach Neuseeland.
Stephen Henschke, Glasverschluß-Fan
Henschke hat daher den Glasverschluss Vinolok 2004 für sich entdeckt. An sich würde er auch den „Hill of Grace“ gern mit Schraubverschluss versehen, „aber in manchen Märkten sieht man den immer noch als Qualitätsminderung“, zuckt der Winzer die Schultern. Dem 2013er vom Gnadenberg hat der Verschluss jedenfalls nicht geschadet. Er zeigt die ungewöhnlichen Duftnoten, die nur alte Reben in Verbund mit idealem Boden mitbringen. Consommé mit Sellerie-Würferl etwa steht sonst selten bei Weinbeschreibungen – hier ist es der erste Nasen-Eindruck. Dicht gefolgt von einer Dosis Salbei und Sternanis, der sich über die nun auffrischende Brombeer-Aromatik legt.
Nie werden mehr als 3.600 Flaschen von den Reben-Großvätern neben der alt-lutheranischen Kirche gefüllt. Schade, denn dieser komplexe Wein erschließt sich fast nicht beim ersten Trinken. Wieder ist da zunächst die dunkle Beeren-Mischung, aber dann driftet der 2013er „Hill of Grace“ in verschiedene Richtungen. Der eine mag seine betonte Würzigkeit, die im langen und ätherisch ausklingenden Finale ihre Finesse zeigt. Der andere wird sich an dem abgerundeten Gerbstoff freuen, der den fruchtigen Kern (Holunder) wie bei einem Nuss-Likör umhüllt. Mal bricht die Maulbeere durch, dann wieder etwas Zimtrinde oder auch eine leichte Rauchigkeit, die sich im Duft nur angedeutet hatte.
Wie immer erhebt sich die Debatte, ob eine Flasche Wein diesen Preis wert sein kann. An der Finesse und der raren Qualität des „Gnadenberg“-Shiraz ist im Gegensatz zu vielen anderen Abfüllungen nicht zu rütteln. Den Rest muss jeder Weinfreund selbst entscheiden.
Bezugsquelle:
Henschke Cellars, Riesling „Julius“ 2017 kostet ca. EUR 32, die Cuvée „Henry’s Seven“ 2016 wird um ca. EUR 35 gehandelt, der „Keyneton Euphonium“ 2014 ist um EUR 53, der „Mount Edelstone“ 2013 um EUR 132 zu haben. Der „Hill of Grace” 2013 kostet rd. EUR 540, alle beim Schweizer Importeur Rutishauser, www.rutishauser.com