Hat man sich einmal ein gewisses Faible für die australischen Weine „ertrunken“, dann steht man rasch vor einer Schwierigkeit. Denn die besten der gekosteten Abfüllungen landen vielfach nicht in Europa. Nein, nicht nur nicht im deutschsprachigen Raum. Abseits von Großbritannien ist kaum etwas zu bekommen von den leistbaren Geheimtipps! Das fiel dieses Jahr vor allem beim winzigen Gebiet Beechworth auf, dessen 112 Hektar selbst im österreichischen Maßstab noch klein wären (die kleine DAC-Region Rosalia umfasst mit 297 Hektar). Eine eigene Verkostung stellte die Weine der Region beim Londoner „Australia Day Tasting 2020“ vor. Allerdings: Praktisch keiner der verkosteten Weine war in Europa erhältlich. Selbst britische Importeure gab es nur für vier der acht Proben, darunter vom größten Anbieter. Nur war halt dessen Wein recht unspektakulär.
Das ganze Austria-Australia-Problem wird dadurch verschärft, dass man somit entweder die absoluten Ikonen kennt (Penfolds „Grange“ liegt aktuell bei rd. 800 Euro pro Flasche) oder die Millionen-fach exportierten Billig-Schiene. Das Mittelfeld des australischen Weinbaus hingegen bleibt ein Experten-Tipp ohne Erhältlichkeit. Doch natürlich gibt es hier auch Ausnahmen. Zwei davon, eine in Weiß, eine in Rot, stellt die dritte Folge der „Australia Day“-Nachlese vor.
Der Sémillon von Tyrrell stammt aus einer der bekanntesten Wein-Dynastien; 160 Jahre Weinbau in Australien und fünf Generationen in New South Wales sind eine beachtliche Tradition. Der Stammbaum der Winzerfamilie in England geht noch viel weiter zurück; ein Vorfahre soll den Sohn von König William, dem Eroberer mit einem Pfeil getötet haben. Doch in diesem Fall geht es nicht um Pfeil und Bogen, sondern den Aromabogen des 2018er „Hunter Valley Sémillon“.
Wer steirische Weißweine mit ihrer Knackigkeit mag, wird sich in Tyrrell’s Sémillon hinlegen wollen. Nicht nur, weil er frisch wie ein Schaumbad duftet, sondern weil Ringlotte, Farnkraut und Küchenkräuter (Petersilie) eben diesen bekannten Frische-Indikator an die Nase vermitteln. Und der Weißwein aus Hunter Valley täuscht da niemanden: Auch im Mund sind die fruchtigen Töne sofort da. Mit lediglich 11,5% Alkohol und einer verhältnismäßig milden Säure (die bei der Sorte manchmal zum Problem werden kann) liefert er auch genau die Art Wein, die aktuell im Zeitgeist liegt. Nicht üppig, aber auch kein Leisetreter in der Aromatik. Grüne Birne, frisch aufgeschnitten, oder auch Koriander-Grün für die Thai-Suppe, darf man sich vorstellen. Danach schmeckt der Sémillon – und er kann praktisch immer geöffnet werden. Gerne auch mit einem Schluck Soda. Denn wenn es ein Australier nach Austria schafft, dann kann man ihn auch im österreichischen Stil konsumieren.
Die französische „Handy-Kombination“ GSM, also ein Blend aus Grenache, Shiraz (bzw. Syrah in der Alten Welt) und Mourvedre hatten wiederum unsere alten Bekannten von Torbreck mit. Über unseren Besuch im Barossa-Valley findet sich hier ein Eintrag; die ungewöhnlich alten Rebstöcke, aus denen Ian Hongell eben nicht nur die 430 Euro-Ikone „The Laird“ keltert, sind ein Asset: „35% unserer Reben sind älter als 80 Jahre, 20% sogar älter als 100 Jahre“. Unter 40 Jahren kommt also kaum etwas in den „Old vines“, von dem aktuell der Jahrgang 2015 ausgeschenkt wird.
Walnuss-Duft und auch Adlerholz („Oud“, werden Parfümkenner sagen) leiten ein, doch dann stocken wir schon: Säurige Brombeere oder reife Himbeere, das ist hier die Frage! Der fruchtig-säurige Auftakt am Gaumen bringt dann etwas Aufklärung, denn im Finale dominiert eindeutig die dunkle Seite des „GSM“, die Brombeere obsiegt. Die Würze, die alte Rebanlagen gewöhnlich mitbringen, lässt sich hier sogar beim Trinken recht präzis verorten. Ihr gehört im Mittelteil die Bühne – der saftigste Part ist zugleich von einem Nuss-Mix durchzogen, der Pekan und Macadamia mit etwas Erdnuss verbindet. Dieser salzig-röstige Part funktioniert als Widerpart zu Frucht und Säure dieses immer noch jugendlichen 2015ers von Torbreck. Der, das sei gesagt, einen der besten hierzulande erhältlichen Preis-Leistungsweine darstellt.
Bezugsquelle:
Tyrrell’s, „Hunter Valley Semillon“ 2018 kostet EUR 19,90 in den Wein&Co.-Filialen bzw. online, www.weinco.at
Torbreck, „Old vines GSM“ 2015 ist um EUR 18,- beim Weinhandel Gottardi zu haben, www.gottardi.at