Als Apotheker in sechster Generation ist Alexander Ehrmann mit Mazerationsbottichen aufgewachsen. So manche Arznei wurde beim Großvater im Keller noch selbst „angesetzt“. Die Wirkstoffe kamen aus Kräutern und Wurzeln, gelöst wurden sie in Alkohol. Dieses Prinzip verbindet die Pharmazie mit der Bar – und es ist kein Zufall, dass die ersten „Cocktails“ historisch in Apotheken verabreicht wurden. Diese Tradition lässt Ehrmann, der kreative und kräuterkundige Kopf hinter der Wiener Saint Charles Apotheke, nunmehr in kleinen schwarzen Gläsern (Apotheker-Menge, haha!) aufleben.
Die Namensgebung seiner „Shots“ erinnert bei der Dosierung an die Bar, bei der Wirkung an die Apotheke. „Tonikum“ nennt sich sein Wermut-ähnliches Präparat, das es in vier Sorten gibt. Basis ist in allen Fällen Rosé-Wein aus dem burgenländischen Pamhagen, denn auch Alexander Ehrmann (kl. Bild links) versah sich der Hilfe des Demeter-Winzers Michael Andert, der auch hinter der Wermutlich-Produktion steht. Dass man die Tonika mit Andert-Wein nicht nur pur genießen kann (sie sind erfreulich wenig süß!), zeigte eine Kooperation von „Aurora“-Barkeeper Marius Willenbücher. Am Dach des Andaz-Hotels servierte er die mit Rosé-Sekt bzw. Tomatensaft erweiterten Saint Charles-Tonika.
Denn listiger Weise gibt es auch eine Version namens „Hangover“, die sich in der „Bloody Mary“-Version der Rooftop Bar bestens machte. Nicht, dass wir sie gebraucht hätten! Schließlich kosteten wir brav pur und die kleinen Schlucke enthalten bereits viel Kräuterkraft. Die Mischungen unterscheiden sich beträchtlich, vor allem der Wermutkraut-Charakter tritt mitunter in den Hintergrund, gleiches gilt für die fruchtige Weinigkeit. Hier das Quartett in der aromatischen Nah-Aufnahme:
Relax: Hier mischen sich Wildkirschen-Düfte mit Rhabarber und auch der Wermut kommt am klarsten durch in der Nase. Der Kostschluck bringt mit dem Mix aus Melisse, Hopfen und Weißtanne eine leichte Käsepappel-Note ein. Malven und ein immer klarer auffrischendes Hopfen-Bitterl erinnern im Finish dann beinahe an ein Pale Ale.
Energizer: Hier sind Weinraute, Eberwurz und Vogelmiere als Botanicals im Spiel; in der Nase kommt das als süßsaures Spiel an, das an Zwiebelmarmelade, rote Trauben (ein Touch Uhudler-Beerigkeit) und Hibiskus erinnert. Im Geschmack bringt die Zugabe von etwas mehr Honig hier ein angenehme Fruchtigkeit, die an Himbeeren erinnert, im Finish aber auch Nuss-Noten umfasst und an Portwein erinnert.
Digestive: Der Wacholder (neben Löwenzahn und Rhabarber im Einsatz) macht eine herbe Duftnote aus, beflügelt quasi das Wermutkraut. Er zeigt die vermutlich feinste Klinge, denn zum herben Beginn gesellt sich ein Zug grüner Frische und Würze, die an Korianderblätter und Zitronenmelisse erinnert. Viel rote Frucht bildet das Mittelstück, Schlehen und Hagebutten beschließen das herb-süße Spektakel.
Hangover: Der Duft erinnert an Kaffirlimetten-Blätter, Galgant und roten Wermut. Die herben Noten stammen vom Enzian, aber auch der „Lieblingswurzel“ Ehrmanns, dem Meisterwurz. Das leichte Bitterl und die alpine Note am Gaumen lässt auch an Arnika und Cumin denken.
Und natürlich lassen sich die vier Tonika auch mit Soda genießen – dann wäre der Energizer vermutlich die erste Wahl im Sommer. Außer es gilt Grillfleisch zu verdauen. Dann nämlich – siehe oben! Schließlich ist im Mazerationsbottich für alles ein Kraut gewachsen.
Bezugsquelle:
Saint Charles, Apotheker Tonikum ist in vier Sorten (Relax, Energizer, Digestive und Hangover) erhältlich, das Set (4×30 Milliliter) kommt auf EUR 27,20, die Flasche zu 0,5 Litern auf EUR 24,80, beides im Online-Shop, https://shop.saint-charles.eu/saint-charles.eu