Es ist ein bisschen Zeit ins Land gegangen seit unserem ersten Trinkprotokoll zu Antinoris Maremma-Weingütern (Sie erinnern sich? Hier war das). Doch neben dem jüngsten Neuzugang im weiten Vino-Reich der Marchesi Antinori, der Fattoria Le Mortelle, findet sich auch das ungleich bekanntere Guado al Tasso. Auch hier hat man Familien-gemäß einen „vino grande“, den vor allem die Freunde reinsortiger Cabernet Francs kennen. Die Nachfrage hat die Preise in die Höhe getrieben, doch es ist immer noch eine Ausnahmeerscheinung. Das zeigte sich bei der Verkostung des aktuellen Jahrgangs (2019).
Doch zuvor war ein Rundgang durch den ganzen Stolz der Winzerfamilie angesagt. Denn ein Wein wie dieser sollte auch einen eigenen Keller haben und nicht Seite an Seite mit dem guten „Brot und Butter-Wein“ Il Bruciato Bolgheri DOC reifen. Der Neubau verschwindet praktisch im Erdboden vor der Familien-Villa der Marchesi, lediglich der Eingang blieb sichtbar. „Architektur ist eine Passion von Allegra Antinori“, kommentiert Luisa Foschetti den ungewöhnlichen Barrique-Keller der Tenuta. Organisch windet sich die Holztreppe ins Erdinnere, wo dann nackte Felswände die archaische Rahmung der Fässer mit dem 480 Euro-Rotwein darstellen.
Man ist also entsprechend ehrfürchtig, als der „Matarocchio“ ins Glas kommt. Was mit zwei Parzellen besonderer Güte begann, ist längst Teil der „Supertuscan“-Geschichte. Mit französischen Rebsorten wurde Bolgheri damit binnen Jahrzehnten zur Region, die bei den Wein- und Grundstückspreisen dem Piemont den ersten Rang in Italien streitig macht. Der Duft frischer Steinpilze steigt aus dem Glas, in dem der Wein mit seinem Rubin-roten Rand förmlich erglänzt. Dazu auch etwas Olivenblatt und getrocknete Nudel-Minze. Erst dahinter findet sich die sortentypische Schwarze Johannisbeere. Doch wie durch einen Schleier nimmt man die dunklen, säurigen Aromen wahr – ein wenig ist auch Hauszwetschke zu erriechen.
Das seidige Mundgefühl zeigt ebenso wie das Fehlen grüner oder bitterer Duftnoten an, dass der 2019er bereits ein sehr zugänglicher Cabernet Francs sein dürfte. Ist er auch! Der feine Grip von Beginn weg wird von einer „spicy“ Grundierung noch akzentuiert – er kehrt im Finale mit einer noch geschliffeneren Form zurück. Die Diskussion mit Luisa Foschetti über die Entwicklung des 320 Hektar-Weinguts gibt dem „Matarocchio“ (er stammt von nur 6,5 Hektar) auch viel Zeit um zu atmen. Nach einer halben Stunde entbindet sich die satte Cabernet-Beerenfrucht erst so richtig.
Dann zeigt ein Schwung Amarena-Kirschen nicht nur fruchtigen Tiefgang, sondern auch leichte Säure, die diesen extrem eleganten Wein in die Zukunft trägt. Hier versteht man das Lob, das dem Jahrgang 2019 mit seinem heißen Sommer und trockenem Lesezeitpunkt, vorauseilt. Denn trotz 18 Monaten im Barrique zeigt er nach ein-jähriger Flaschenreife eine klare Sorten-Charakteristik, die in den besten Momenten fast betörend wirkt.
Doch auch der „andere“, der große, Keller von Guado al Tasso hat einiges zu bieten. Benannt wurde das Weingut in Bolgheri übrigens nach einem Waldbewohner der Maremma: „Tasso“, der Dachs, gab schließlich dem aus einem Jagdhaus hervorgegangenen Weingut den Namen. Da wäre etwa der Rosé „Scalabrone“, der ironischer Weise nach einem Räuber („Robin Hood auf Toskanisch“) benannt wurde. Cabernet Franc wird hier mit Merlot, Grenache – seit zehn Jahren auch Teil des Sortenspiegels – und Syrah kombiniert. Ausgeprägte Nektarinen-Düfte, Grapefruit und ein wenig Himbeere bilden das Duftbild. Auch am Gaumen zeigt sich dieser Jahrgang 2022 fruchtig wie ein Korb mit Steinobst, der Cabernet kommt mit einer Beeren-Note schön durch. Wartet man bei dem nicht als Saftabzug erzeugten, sondern „rot“ vinifizierten Rosé ein wenig zu, zeigt sich auch edelsüßer Gewürzpaprika als finaler Gruß. Sehr wertig und ein echter südlicher Tischwein für viele Gelegenheiten, fanden wir.
Wer noch einen „richtigen“ Rotwein aus der Maremma sucht, der nicht dreistellige Liebhaber-Preise aufruft, sollte an den „Cont’Ugo“ denken. Der reinsortige Merlot wird wie alle Weine bei Guado al Tasso in Mikroparzellen von 0,5 Hektar geerntet – was dem Inhalt eines Tanks entspricht. Danach wandern die Bestände für ein Jahr ins kleine Eichenfass, zumindest ein halbes Jahr Flaschenreife ist obligat. Der Jahrgang ermöglichte eine langsame Reifung und zeigt entsprechend auch eine gute Frucht-Säure-Balance. Die 14,5% Alkohol sind somit bestens kaschiert, man bemerkt sie lediglich beim Blick aufs Etikett. In der Nase hingegen legen Cranberry, ja fast schon Granatapfel, und Orange richtiggehend säurig vor. Fett und dunkelfruchtig ist hier nichts!
Das bleibt auch am Gaumen so, denn dunkelbeerig zeigt sich dieser 2021er keineswegs. Vielmehr läßt er gleich zu Beginn eine untypische Würze erkennen. Etwas Gewürzpaprika erinnert entfernt sogar an die Cabernets des Weinguts. Erneut ist die saftige Frische von Orangen zu spüren, aber auch der fein schmirgelnde Gerbstoff eines noch jungen Rotweins. Die zwei Gesichter mögen nicht der Inbegriff eines Merlots sein. Doch Frische und Würze – hier mit einem ordentlichen Thymian-Büschel vertreten – verleihen dem seidigen Film am Gaumen eine hohe Attraktivität. Dieser „Cont’Ugo“ passt übrigens hervorragend zum Wildbret der Maremma, dem allgegenwärtigen Wildschwein. Aber auch die „Tortelli Maremmani“ im Weingut-Restaurant sind eine gute Wahl – Nachmachen zuhause hoch erwünscht!
Bezugsquelle:
Guado al Tasso, Matarocchio Bolgheri DOC Superiore wird noch als Vorgänger-Jahrgang (2017) um EUR 452,30 angeboten; Scalabrone Bolgheri Rosato DOC 2022 kostet EUR 17,01, der Cont’Ugo Bolgheri DOC 2021 EUR , alle beim Versandhandel Vinorama, www.vinorama.at