Die wilden Myrten geben dem Weingut Le Mortelle den Namen. In der Maremma hat sich die Winzerfamilie Antinori bei diesem Zugang im Weinimperium viel Gedanken um die Natur gemacht. Die Schweine der Cinta Senese-Rasse mit ihren charakteristischen Halskrausen fördert man ebenso wie die ursprüngliche Landwirtschaft dieser Region: Obst, vor allem Erdbeeren und Kürbis. Vor allem aber hat man das eigentliche Kellergebäude in den Hügel „versenkt“, als man 1999 mit dem Weinbau begann. Doch die Adelsfamilie in Florenz gibt ihren Weinen Zeit („Patientia“, also Geduld, ist eines der drei „P“ von Piero Antinoris Weinphilosophie): Bis 2009 gab es keine Abfüllungen von Le Mortelle, von dem aus man die Insel Giglio zwischen alten Feigenbäumen durchblitzen sieht. Nicht minder spektakulär ist die Sich durch die Panoramafenster des Kostraums.
Der sitzt über drei Etagen eines Kellers, der von einer zentralen Wendeltreppe erschlossen wird. Tatsächlich wird auch von oben nach unten gearbeitet. Die Tanks werden von oben befüllt, die Schwerkraft steht im Mittelpunkt bei den „hängenden Tanks“, die noch dazu in eigentümlich konischer Form gehalten sind. „Das gibt es nur hier“, erklärt man stolz beim Rundgang. 500.000 Liter würden die Edelstahlbehälter fassen, doch aktuell hält man kaum bei der Hälfte der Auslastung. 90.000 Flaschen macht allein der Weißwein „Vivia“ aus. Eine jugendliche Pfirsich-Note gibt ihm ebenso Attraktivität wie zarte Mineralität. Der sommerliche Wein des Jahrgangs 2020 verbindet den lokalen Vermentino mit dem selteneren Ansonica und einem Anteil der französischen Traube Viognier.
Der Fokus aber liegt bei Le Mortelle auf den Rotweinen. Mit dem „Botrosecco“ hat man dabei auch ein echtes As im Ärmel, respektive in der Flasche. Denn der mit 40% Cabernet Franc und 60% Cabernet Sauvignon gebildete Mix verbindet rote und schwarze Waldbeeren mit leichter Neigung in Richtung dunkler Frucht. Überraschend sanft kommt das Cassis als Signatur der beiden Cabernets im Duft zum Vorschein. Die fruchtsüße Art des Kostschlucks liefert die Schwarze Johannisbeeren dann nach; das seidige Mundgefühl macht zusätzlich Freude. Das ist Rotwein, den jeder versteht, zumal auch das Tannin gut abgeschliffen wirkt. Eher an einen Tee, denn bitteres Holz erinnert diese Gerbstoff-Struktur. Malve und eine Schwenk in Richtung roter und damit säurig-frischer Frucht ist im Nachklang zu bemerken. Da schmeckt der „Botrosecco“ dann nach Himbeere. Und allein das ist für einen 100% auf Cabernet basierenden Wein erstaunlich. Nichts „Grünes“ zu finden, ist in den heißen Sommern der Maremma naheliegend, doch das die Frucht diese Frische zeigt, spricht sehr für den „crowdpleaser“ unter den drei Rotweinen des Hauses!
Johannesbeeren vom Ententeich: Poggio alle Nane 2020
80% Cabernet Franc und 20% Cabernet Sauvignon bilden die Mischung für einen Wein, der eine Hommage an die Natur ums Weingut darstellt. Genauer gesagt an die Enten, die sich im Teich befanden, der in der Senke in Richtung des Hügels liegt, auf den man vom Kostraum aus blickt. Immer wieder muss man sich zur Konzentration ermahnen, so Werbeprospekt-kitschig ist dieser Ausblick. Der „Poggio alle Nane“ – in unserem Fall ist es Jahrgang 2020 – holt einen aber schnell zurück ans Glas. Leichte Zigarren-Rauchigkeit zu Beginn wird von einem unverkennbaren Duft aus der Auto-Konsole gefolgt: „Grether’s Pastillen“, die Bonbons in der Metalldose, sind praktisch ein Synonym für reifen (!) Cabernet Franc. Schwarze Johannisbeere wird aber von einem tiefgehend herben und erdigen Duft begleitet. Man denkt an feuchte Dachsparren, mehr aber noch an Schwarze Trüffel. Kandierte Veilchen notierten wir ebenfalls bei diesem komplexen Cuvée-Duft.
Druckvoll und wie nicht anders erwartbar mit einem Schwall dunkler Beeren lässt sich der „Poggio alle Nane“ am Gaumen an. Noch jugendlich ist der Gerbstoff, die Frucht hingegen zeigt eine fast samtige Breite, in der man durchaus Ähnlichkeit zu Fruchtgummi oder Gelée aus Johannisbeere erkennen kann. Die feine Würze zieht sich durch den gesamten Trinkverlauf, allerdings unterliegt sie aktuell noch den Tanninen. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich hier die perfekte Balance einstellt. Dann hat man einen Rotwein zur Hand, der durchaus leistbar ist und verlässlich Wild – in der Maremma zuvorderst natürlich cinghiale (=Wildschwein) begleitet.
Während der nach dem Ententeich benannte Wein mengenmäßig das Herzstück dieses Weinguts darstellt, sorgt seit einiger Zeit aber auch der „vin de garde“ aus Castiglione delle Pescaia für Furore. Wenn man ihn bekommt. Denn 6.250 Flaschen machen den „Ampio delle Mortelle“ zu einer Rarität. Die beiden Cabernets und der Carménère erfahren eine seperate Reifung in neuen Barriques für rund 18 Monate, ehe weitere 12 Monate in der Flasche folgen. Der erste Jahrgang dieses Flaggschiff-Weines wurde erst 2015 gefüllt, wir haben also den fünften „Ampio“ überhaupt im Glas. Und der 2019er zeigt eine Frische, die sowohl für den Alkohol (14,5% vol.), als auch Rotwein generell ungewöhnlich ist. Ein Hauch von Gras-Schnitt weht über dem Kostglas, während Sauerkirschen und Heidelbeere für Frucht-Düfte sorgen. Sanft und schokoladig lässt sich dieser Rotwein am Gaumen an. Die floralen Noten aus dem Duftbild kommen als Hibiskus wieder zum Vorschein. Prägendes Geschmackselement ist aber der gut eingebundene Gerbstoff. Er liefert die fast rauchige Bitter-Note, vor der die so sanften und doch in den Farben rot und schwarz präsenten Beeren glänzen dürfen. „Mehrheitlich Carménère“ erfährt man zum genauen Blend des „Ampio“ 2019 – die fruchtige Prägung dürfte in der Tat der exotischsten Sorte zu verdanken sein. Cabernet Franc liefert im Finale dann die Würze, die an Grünen Pfeffer erinnert. Auch etwas Bitterschokolade klingt noch lange nach. Dank der Erfahrung der Marchesi ist hier tatsächlich in kurzer Zeit ein großer Wein gelungen. Wie wird das erst in zehn Jahren schmecken?
Bezugsquelle:
Fattoria Le Mortelle, der „Botrosecco“ 2021 kostet EUR 20,34; „Poggio alle Nane“ 2020 ist um EUR 69,- zu haben und der „Ampio delle Mortelle“ 2019 wird um EUR 238,10 angeboten, alle im Online-Handel von Vinorama, www.vinorama.at