Es ist eine besondere Kundenbeziehung. Das merkt man, sobald man sich zu Tisch setzt. Eine kleine Festschrift, die nicht nur mit den historischen Bildern für Nicken bei altgedienten Weinfreunden sorgt, liegt dort auf. 60 Jahre währt die Partnerschaft der Marchesi Antinori und der Wörgler Weinhandelsfamilie Morandell. „Zu Beginn bekamen wir nur die Fässer samt Etiketten“, erinnern Christoph und Mario Morandell an den ersten Jahrgang „Villa Antinori“. Denn der wurde in Wörgl abgefüllt. In das Lachen stimmt auch Allegra Antinori ein, die als Teil der heutigen Führungsriege der Antinori-Weingüter nach Wien gekommen ist. Marchese Piero Antinori, ihr Vater, hat auch ihr die Geschichte des Anfangs mit den „Austriaci“ erzählt.
In der Cantinetta Antinori stellt sie aber auch die Gegenwart des Weinimperiums dar, das der 85-jährige Marchese gezimmert hat. Erst jüngst kam in Kalifornien „Stag’s Leap“ dazu, einer der renommiertesten US-Produzenten. Doch bei Trüffel-Risotto geht es mit Signora Antinori um die italienischen Weine. Ein Glas Franciacorta, gefolgt vom Chardonnay-Grechetto-Blend aus Umbrien („Cervaro della Sala“) leitet über zur Kernkompetenz des Adelshauses mit dem 20 Generationen zurückreichenden Stammbaum: toskanischem Rotwein. Wobei da neben dem Brunello di Montalcino auch der „Tiganello” nicht fehlen darf. Er ist einer der Weine, der den Ruf von Antinoris Cuvées in “rosso” begründet hat.
Heute bringt jedes Weingut ein Flaggschiff hervor – wir haben dieses Muster ja erst unlängst anhand der noch jungen Fattoria Le Mortelle und ihren „Ampio“ hier skizziert. Doch den Tiganello gibt es schon 25 Jahre länger und er löst immer noch große Erwartungen aus, sobald er ins Glas kommt. Dass die vom Klimawandel gebeutelte Natur den Rebstöcken kalt-warm gibt, ist man auch in Italien seit einigen Jahren gewohnt. Doch 2020 war ein „phantastischer Jahrgang“, erläutert Allegra Antinori die ausnahmsweise perfekte Abfolge warmer Tage und kühlerer Phasen zur Aromaausprägung.
„Der Jahrgang 2020 hat dem „Tiganello“ viel Authentizität verliehen – man merkt den Sortenausdruck gut“.
Allegra Antinori
Die berühmte Cuvée aus Sangiovese, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc habe in diesem Jahr besonders viel Authentizität, unterstreicht die Marchesa. Das trifft es auch. Denn der Mix aus Gewürzpaprika und Schwarzer Johannisbeere ist purer Ausdruck der beiden Cabernets. Doch die reiche Olfaktorik dieses 2020ers ist damit nicht erschöpft. Während Graphit und Schwarzer Tee für die Gerbstoff-Seite der drei Rebsorten steht, kommt als weiterer Frucht-Akkord Brombeere hinzu. Das Mundgefühl des „Tiganello“ beschreibt man ebenso einfach wie zutreffend mit „seidig“. Die feine Frucht fächert sich auf in Preiselbeere, kühle, unterreife Erdbeere, einen Touch Orangenzeste und Dörrzwetschke. Übersetzen lässt sich das als Saftigkeit, Frische und auch Tiefgang. Den überraschendsten Punkt aber stellt die Zugänglichkeit dieses Rotweins dar. Hier muss man auf nichts warten, auch wenn ein, zwei weitere Jahre den Genuss noch erhöhen. Aber gegen manch „austeren“ Jahrgang, der sich erst im Zehn-Jahres-Sprung richtig öffnete, ist dieser 2020 eine wirkliche Delikatesse, der man sich jetzt schon widmen kann.
Wobei wir bei der Zeit und Intervallen wären. Und das passt gut zum festlichen Nachmittag in der Cantinetta. Denn das Jubiläum brachte auch einen eigenen Wein hervor, um diese sechs Jahrzehnte zu feiern. Es ist keine Sonderabfüllung, sondern ein „late release“, der direkt aus den Antinori-Kellern zu den Morandells kam. Diese spezielle Allokation des Guado al Tasso 2014 ermöglicht allen Weinfreunden, die schnell sind, den Genuss eines italienischen Spitzenweins auf dem ersten Reifeplateau. Die Zusammensetzung der seit 1990 in Bolgheri erzeugten Cuvée ändert sich stets. 2014 verzichtete man auf die Zugabe von Petit Verdot. Der wurde zugunsten eines höheren Merlot-Anteils gestrichen, der nun die Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc ergänzt.
Es dauert, bis sich die Würze von Paprika und auch etwas Grüner Olive im Duftbild hervortut. Anfangs sind es fast Weißwein-Düfte wie Nektarine, die man wahrnimmt, ehe Roter Apfel und später auch Sauerkirsche – wenn auch viel weniger intensiv ausgeprägt – zu erschnuppern sind. Der kompakte Guado al Tasso braucht auch Luft im Glas, damit er seine saftige Art zeigen kann. Sie ist vollends vom Merlot geprägt, der am Gaumen seine typische Signatur, den Brombeer-Geschmack, hinterlässt. Die feine Würze meldet sich dann im Abgang wieder, ihre pikanten Kanten werden von einem immer noch spürbaren Tannin noch akzentuiert. Die erste Genussreife zeigt dieser 2014er mit dem würzigen Finish allemal, doch wer warten kann, hat mit diesem aktuell wieder erhältlichen Bolgheri DOC Superiore auch in zehn Jahren noch viel Freude. Zum 70er der Partnerschaft Florenz-Wörgl eventuell…
Bezugsquelle:
Tiganello, Tignanello Toscana IGT 2020 ist um EUR 145 erhältlich;
Guado al Tasso, Guado al Tasso Bolgheri DOC Superiore 2014 kostet EUR 137,30, beide Weine im Webshop Vinorama, www.vinorama.at