Der Weg mag weit sein – hart an der tschechischen Grenze findet man die Granitdestillerie in Waidhofen/Thaya –, aber er ist lohnend. Denn Günther Mayer ist einer der ungewöhnlichsten Brenner Niederösterreichs. Und das nicht nur in punkto Whisky. Zum einen geht der Waldviertler immer noch seinem Brotberuf in einem Seniorenheim nach, zum anderen muss man genau schauen, ob man in „Hollenbach 117“ auch bei einer Destillerie gelandet ist. Denn Marketing gehört nicht zu Mayers Steckenpferden. „Das Produkt soll für sich sprechen“, ist sein Credo. Daher drängt sich das zweite AWA-Mitglied, bei dem wir diesen Sommer Whisky verkosten, auch niemand auf. „Presse ich mich wo rein, fliegt ein anderer raus“, liebt er es lieber fair.
Und so brennt Mayer auch manches Lifestyle-Produkt für andere Produzenten, ohne dass das groß ausgeflaggt würde. Der prall bestückte Verkaufsbereich zeigt, dass es auch kaum eine Rohfrucht gibt, die den Granit-Destillateur nicht interessiert: Brot-Brand macht er nicht nur mit dem Kultbäcker Kasses im nahem Thaya zusammen. Mandarine, Banane und Ananas stehen in gebrannter Form ebenso in Hollenbach wie ein herrlich süß-saurer Marillensaft oder Quittengelée aus eigener Erzeugung. Brände vom Gelben Muskateller gibt es genauso wie ein Kirschdestillat, das im Kirschholz reifte. Doch der innere Ordnungsruf lässt uns ausschließlich zu den kantigen Whisky-Flaschen schreiten.
2005 lief der erste Getreidebrand aus der Carl-Brennblase (150 Liter fasst sie). Und dieser „W 4“ stellt nicht nur im Namen eine Hommage an seine Herkunft dar. Auch die Getreide des Waldviertels werden in diesem Blend mehrerer Korndestillate verbunden. „80% sind gemälztes Getreide“, spielt Günther Mayer hier mit den Nuancen der Rezeptur oder „mash bill“. Seinen kleinen Anteil Rauchmalz kann der Whisky auch nicht verleugnen: Doch dieser feinst dosierte „smoke“ verhält sich wie der Waldviertler Nebel: Mal ist er da, dann entzieht er sich der Nase wieder. Dann kommt die fruchtige Seite durch, die zwischen Orangenblüte und Nektarinen (mit Schale) hin und her wandert. Mit 42% vol. abgefüllt, ist der „W 4“ nicht nur ein Allrounder im Sortiment, sondern auch ein guter Einstieg in die Whisky-Welt. Nicht nur in Waidhofen, sondern generell zum Austro-Whisky. Aromatisch baut die zarte Süße vielen Skeptikern und Malz-Novizen nämlich Brücken.
Edelprinz, Goldader oder doch das Gluatnest?
Sanft am Gaumen, zeigt sich wieder Steinfrucht, vor allem Pfirsich, zu Beginn. Im Trinkverlauf wird dieser Getreide-Mix dunkler in seinem Geschmack. Doch auch hier befindet man sich auf vertrautem Terrain und muss keine scharfen Weggabelungen fürchten. Nuss-Schokolade ist zu schmecken und auch ein wenig pädagogisch wird es am Ende. Denn die malzige Ader im Finish ist ausgeprägt. Hier kann man dann über die Charakteristisch von gemälzter Gerste oder Roggen philosophieren mit dem Neueinsteiger in Sachen Whisky. Der Kenner hingegen wird anerkennend bemerken: Hier werden alle Facetten der Getreidebrände gezeigt und bewusst weniger auf die finale Veredelung in besonderen Fässern.
Nach diesem Start kann man seine aromatische Fortsetzung aus den fünf weiteren Whiskys wählen. Die ursprüngliche Form des Roggens als wichtigstem Getreide des Waldviertels stellt z. B. die Rarität „Waldstaude“ dar. Es ist Schwarzbrot in seiner gebrannten Form und wird in der Intensität noch vom „Gluatnest“, dem Rauchmalz-Whisky des Hollersbacher Hauses getoppt. Wer die sanftere Gangart bevorzugt, greift zum „Edelprinz“, der seinen Namen einem Dorf verdankt, vor allem aber einen Mix aus Mais und Roggenmalz darstellt. Die Bourbon-artige Süße erinnert im Waldviertel aber wenig an Karamell, sondern an gelbe Früchte und weiße Schokolade. Er ist wie eine Biskuitroulade, in die jemand ein bisserl Pfeffer gerollt hat.
Der wirkliche Faserschmeichler im Sextett des nördlichsten Austro-Whiskys (und damit gefährlich trinkanimierend) ist aber die „Goldader“. Die zudem einen raren Single Malt aus Dinkel-Malz darstellt. Die helle Frucht duftet so ganz anders, als man es von Gerste gewohnt ist! Schließt man die Augen, sieht man förmlich einen Reisauflauf vor sich. Die leichte Süße des Getreides wird von einer tropenfruchtigen Art noch potenziert, die an „Goldbärchen“ und Ananas erinnert. Zur Eleganz am Gaumen bemerkt der Whiskybrenner (rechts im Bild) noch, dass man einen Irrtum über den Namensgeber Granit vermeiden sollte: „Unser Wasser ist nicht hart, sondern mit 2,9 Grad Deutscher Härte sehr weich“. Mit 56% Anteil an diesem Kostschluck der mit 44% vol. gefüllten „Goldader“ macht so was auch viel aus. Nicht geschmacklich, aber vom Mundgefühl, das seidig ausfällt und aus dem Pulk an gelben Früchten bisweilen auch eine feine Dosenmandarine aufsteigen lässt.
Erst ab der Mitte wird es dann pfeffrig, wie es das Etikett mit seinen 44% verspricht. Doch das Finale kehrt zielstrebig in die fruchtige Ecke zurück. Mit einem leicht herben, aber frischen Ton klingt der Dinkel-Malt Whisky aus. Ja, das erinnert an die Zesten von Zitrusfrüchten. Allein für die Erkenntnis, dass die hier üppig wachsen – im Fasslager Mayers, nicht im Gewächshaus! – zahlt sich der Granit-Besuch aus!
Bezugsquelle:
Wald4tler Granitdestillerie, „W 4“ (Blended Whisky) kostet EUR 46 (0,5 Liter-Flasche), der Dinkel-Malz-Brand „Goldader“ ist um EUR 46 zu haben, beide per Mail an die Brennerei oder im Webshop Bauernladen.at