In mehrerer Hinsicht ist der alte Lesehof der französischen Zisterzienser, als „grangie“ nach burgundischem Vorbild im 12. Jahrhundert angelegt, einzigartig. Das heutige Freigut Thallern hatte nicht nur den legendären „Clos de Vougeot“ als Bauvorbild, es wird seit Jahren von gleich mehreren Winzern der Region bewirtschaftet. So kommen Rebsortenspezialisten zum Zug, die die Gegend bestens kennen (und auch ihre eigenen Rieden neben dem Klosterbesitz haben). Florian Alphart (Weingut Alphart), Lorenz Alphart (Weingut Alphart am Mühlbach) und Johannes Gebeshuber (weingut gebeshuber) stellen wie Leo Aumann (vom Weingut Aumann) bekannte Namen der Thermenregion dar. Von Thallern hat der Weinfreund zwar die historischen Rieden wie „Wiege“ und „Student“ im Ohr, die Weine des 30-Hektar-Gutes trinkt man aber zu selten. Da nehmen wir uns auch durchaus bei der Nase. Und es passt bestens, dass letztens eine von Aumann in Tribuswinkel verantwortete Flasche aus dem zweit-ältesten Weingut Österreichs in den Keller kam.
„Es ist eine Ehre diese historischen Lagen, die seit jeher ein Aushängeschild der Thermenregion sind, zu bewirtschaften“.
Leo Aumann, Thallern-Winzer
Zudem ist es ein Sankt Laurent, für den man seit Jahren fast plädieren muss, weil dieser Schatz zu wenig Anerkennung findet. Nicht so fragil wie sein Cousin Pinot Noir, dafür viel würziger, zeigt sich diese Rarität. Im Falle Thallerns stammt sie aus der Pfaffstättener Riede „Ronald“. Die warme Lage mit Süd-Ost-Ausrichtung trägt bis heute den Namen eines Heiligenkreuzer Abtes, da das Stift auch den Thallerner Weinbau leitete.
Tiefgreifend ist die Frucht des St. Laurents, sie erinnert vor allem an Cranberry und Grenadine. Doch da ist noch mehr. Etwas Kakao stellt die schmeckbare Erinnerung an 20 Monate im großen Holzfass dar. Ganz leicht duftet er auch nach Gewürznelken; mit Luft kommt dann auch eine dunklere Fruchtausprägung hinzu. Brombeere leitet dann schon zum Geschmack über. Denn im Mund zeigt sich der „Ronald“ raumfüllend, man denkt an den wohligen Samt von roten Vierteln, wie es sie Anno 1990 noch an jeder Schank gab: Die Frucht ist im Vordergrund, nichts Resches oder Forderndes.
Dass man hier nicht ganz und gar von einem „old school“-Roten sprechen sollte, zeigt die leichte Pikanz. Sie bricht in dem geschmeidigen Guss aus Beerenfrüchten und Schokolade immer wieder durch – im Finale sogar mit etwas Paprika-Tönen. Insgesamt aber hat man in Thallern einen sehr zugänglichen Wein vorgelegt, der getrost als Allrounder gesehen werden kann. Das kann man zu jeder Zeit brauchen. Für den Herbst aber ist er ein speziell wunderbarer Begleiter. Steinpilze empfiehlt etwa Katharina Graner als Geschäftsführerin des Freiguts dazu. Aber auch wenn im italienischen Stil Wildbret zur Pasta kommt – Enten-Sugo oder Rehragout auf Nudeln: Dann macht man alles richtig mit Mister Ronald.
Bezugsquelle:
Freigut Thallern, Sankt Laurent „Ried Ronald“ 2020 kostet EUR 20,40 in der Thermenregion-Gebietsvinothek, www.freigut-thallern.at