Standen beim ersten Teil unserer Trinkprotokolle aus dem „Verkostsalon“ der Trinkreif-Mannen die heimischen Empfehlungen im Fokus, geht es jetzt um Internationales. Auch dieser Teil des Portfolios ist gewachsen. Wobei in der Reifekammer 11.500 von 14.500 Flaschen noch immer made in Austria sind. Wir schreiben bei den anderen Regionen auch nicht von Bordeaux und Burgund, wo sich Clemens Riedls und Markus Inzingers Handelshaus ohnehin zu den heimischen Topadressen für „reife“ Raritäten entwickelt hat. Denn so manches „passiert“ dem Händler auch, wie man beim Rundgang im Reifelager erfuhr. Allen voran beim Portfolio aus Deutschland, in dem der erklärte Liebling der Gründungsjahre – Katharina Wechsler mit ihrem Lagen „Morstein“ und „Kirchspiel“ – allmählich Gesellschaft bekommt. Auch diese Weine lagert man, fungiert aber auch als Importeur. Was sich als Glücksfall erweist, denn um Karsten Peter und vor allem Tobias Knewitz entstand bald ein gewisser Hype, sobald Sommeliers ihre Weine entdeckten.
Tatsächlich stellt der Chardonnay Reserve 2020, von dem Riedl „selbst gerne größere Allokationen hätte“, einen herausragenden Burgunder dar. Eine ähnliche Entdeckerfreude hatten wir einst mit dem „Bienenberg“ von Bernhard Huber, der allerdings ein Grauburgunder ist. Das ist lange her und Bernhard leider verstorben, das Weingut allerdings hat Sohn Julian endgültig als Topadresse abseits des deutschen Rieslings etabliert. Im Falle des Rheinhessener Geheimtipps Knewitz stellt aber ein Chardonnay den überzeugendsten Weißwein dar. Kalkboden ergibt hier eine Würze, die großes Gaumenkino mitliefert.
Wenn der Wein nicht aus Frankreich sein sollte, dann kann da einer wirklich mit Holz umgehen!
Clemens Riedls Erst-Eindruck von Knewitz (Blindprobe)
Reduktion aus dem Bilderbuch – das steht da als erstes bei unserem Trinkprotokoll des Jahrgangs 2020 aus Appenheim. In der Tat lässt sich dieser Stil mit seinem Sauerstoff-Abschluss mit dem „Chardonnay Reserve“ allen erklären, die ihn nicht kennen sollten. Viel gerösteter Sesam, Yuzu-Schale, vor allem aber ein Rauch-Ton, der richtig betört. Doch wir haben keinen „Nasen-Wein“ im Glas. Am Gaumen setzte sich der Rauch – hier als Popcorn-Spelzen und Toast – fort. Dazu addiert sich eine an Cedratzitrone („Tassoni“-Limo, falls die wer kennt!) erinnernde Zitrusnote, die man getrost den auf Kalk wurzelnden Reben Knewitz‘ zuschreiben kann. Im Finale nehmen dann alle Eindrücke erneut Aufstellung: Kühle Frucht, markanter Rauch und tragende Säure. Ein Vergnügen und eine Werbung für „burgundischen“ Chardonnay, made in Germany!
Bei Karsten Peter als zweitem Winzer war es neben dem Riesling „Ancestral“, der allerdings mit seinem Mix aus Topfencreme, Hefe, Grünem Paprika nur für Fortgeschrittene taugt (dann aber als Top-Apéro mit 12% vol. fungiert!), ein Rotwein, der begeisterte. Sein Spätburgunder „Charme R“ aus dem Jahrgang 2021 knallt einem Frische um die Ohren, wie sie bei der Sorte selten geworden ist: Nach dem ersten burgundischen „Stinkerl“ matchen sich rote Johannisbeere und rote Traube um das Primat auf der Fruchtseite. Gekochter Paprika („Peperonata“-Style) liefert die Würze im Aromenspektrum. Im Mund beginnt der Rotwein sanft. Dann zieht der „Charme“ ein Register nach dem anderen und macht seinem Namen alle Ehre. Peters Wein ist ein leiser, fast ätherischer Wein, dessen Eleganz man schätzen können muss. Himbeere als Aquarell von Frucht, gerade so hingetupft, dass man sie wahrnimmt, wird von einem Schwung Blutorange begleitet. Auch dieser säurige Akkord ist von einer Feinheit und Finesse, die große Burgunder auszeichnet. Eine fast schwebende Delikatesse!
Burgunder-Freunde, bitte „Arista“ vormerken!
Und roter Burgunder blieb auch weiter das Thema. Denn besonders ans Herz am internationalen Tisch 4 legte man uns das Weingut Arista. Der sprechende griechische Name („das Beste“) klingt fast nach Anmaßung, doch schon der erste Pinot Noir der Kalifornier lässt einen sein eigenes Vorurteil überdenken. Der 2019er aus dem Russian River Valley bringt eine so unwirklich typische Spätburgunder-Nase mit, dass man ihn förmlich ausriechen will! Erdbeer-Röster und Traubenkirsche sind hier nahezu verschmolzen, die beiden roten Früchte sind jugendlich, klar und säurig erkennbar, die dezente Süße als verführerisches Element steuert ein Alzerl Honig bei. Dieser Honigseim begegnet uns im hoch eleganten Mundgefühl, seidig und doch packend, wieder. Viel Orange und Erdbeere sorgen für Saftigkeit und beachtlichen Trinkfluss. Dem setzt das finale Bitterl des Gerbstoffs keine Ende, sondern liefert eher die Ermutigung: Bitte weitertrinken!
Das wäre schon aller Ehren wert, doch bei Arista hat man mit dem Ferrington Vineyard im Anderson Valley auch eine Einzellage aus dem Jahrgang 2019 zu bieten. Die darf man sich durchaus europäisch, also en minature vorstellen (tatsächlich sind es keine 11 Hektar, die sich acht Winzer teilen). Und der Qualitätssprung wird schnell sichtbar – ausgehend vom hohen Level des „Russian River“ freilich. Im Duft kommt hier eine französischere Machart zum Vorschein; das Burgunder-„Stinkerl“ ist definitiv vorhanden, es erinnert an Steinpilz. Allerdings legt es sich als nur eine Duftnote neben die offene Erdbeer-Fröhlichkeit dieses Weins ins Sammel-Schachterl mit geilen Pinot Noir-Noten. Die echte Begeisterung stellt sich nach diesem Vorspiel am Gaumen ein. Denn der 2019er Ferrington Vineyard liefert ab!
Pervers intensive Erdbeer-Frucht wird von einem herben Aufguss Assam-Tee begleitet. Orange liefert fruchtige Säure und hat als partner in crime auch reife Himbeeren. Das Tannin ist geschliffener als beim „Gebietswein“ der Kalifornier und vor allem ist dieser Pinot Noir in bestechender Frühform. Richtig temperiert zaubert er einfach ein Lächeln auf die Lippen jedes Freunde balancierter und feingliedrig-eleganter Rotweine. Holz, kein Holz, welches Holz, wie lange – all das ist bei dieser Meisterschaft eine völlig belanglose Frage. Erst will man wissen: Gibt’s noch was davon? Dann später interessiert der Preis, der deutlich unter den französischen Vorbildern liegt.
Bezugsquelle:
Weingut Knewitz, Chardonnay Reserve 2021 (Jahrgangswechsel!) wird um EUR 37,50 (0,75 Liter-Flasche) angeboten;
Karsten Peter, Spätburgunder „Charme R“ 2021 kostet EUR 29,17;
Arista, Pinot Noir „Russian River Valley“ 2019 ist um EUR 66,67 erhältlich, der Pinot Noir „Ferrington Vineyard“ 2019 um EUR 91,67, alle über Trinkreif.at, solange der (teils kleine) Vorrat reicht, https://trinkreif.at