Wenn es noch einen Beweis für den massiven Einfluss deutschsprachiger Einwanderer aus den US-Whiskey braucht, dann liefern sie die Namen aus der Frühzeit von Michter’s. Am „Snitzel Creek“ (sic!) richtete 1753 in einer Stadt namens Schaefferstown der Schweizer Mennonit Michael Schenk seiner Brennerei ein. Noch unter seinen Nachfahren firmierte das Unternehmen in Pennsylvania unter der Bezeichnung „Bomberger’s Distillery“. Doch wie so oft in der wechselhaften US-Whiskygeschichte gab es Unterbrechungen und Neuanfänge, die nicht nur mit dem „noble experiment“ – der Prohibition – zu tun hatten. Und so wurde 1942 die Brennerei kurzerhand nach den Söhnen von Louis Forman benannt. Aus MICHael und PeTER wurde das weiterhin deutsch klingende „Michter’s“.
Doch auch unter dem neuen Namen gab es einen Produktionsstopp; 1989 ging die Brennerei in Konkurs. Ein ehemaliger Vertreter der Whiskey-Firma nahm der Legende nach die 257 Dollar in die Hand, die es bedurfte, um die Markenrechte zu sichern. Joseph J. Magliocco hatte nicht vor, weiterhin in der historischen Heimat zu verbleiben. Er verlegte den Sitz in das Herz der Bourbon-Produktion, nach Louisville/Kentucky. Allerdings erzeugt man dort keineswegs nicht nur Bourbon. „Wir haben ein sehr innovatives Team“, leitet Sandra Winters ihre Präsentation in der Wiener Bar The Birdyard ein. Bester Beweis ist jener Whiskey, der eine der wichtigsten rechtlichen Regeln des Bourbons bricht. Für den „Unblended American“ verwendet man die US-Weißeichenfässer nämlich ein zweites Mal.
Als Konzern-unabhängiger Hersteller will man zum einen nicht verschwenderisch mit den Fässern („dem teuersten Teil der Herstellung“, so Winters) umgehen. Zum anderen überzeugt das Ergebnis ungeachtet der Aufschrift am Label. Der Popcorn-Duft des Mais kommt bestens durch, die feine Holzleim-Note wiederum zeigt auch den Roggen in der „mash bill“ bereits in der Nase an. Über allen beiden Eindrücken thront der satte Nuss-Schokoladen-Duft. Auch am Gaumen bringt der 41,7% vol starke Whiskey sanfte Noten von Mandelcreme und Schoko ebenso mit wie die Würze eines Roggen-starken Rezepts. Gesalzene Pekan-Nüsse lassen sich schmecken in einem langen und kräftigen Schluck. Hier freut sich der Cocktailmixer, denn das „schreit“ förmlich nach einem Longdrink mit z. B. Ginger Ale.
Auch der „Sour Mash Small Batch Whiskey“ tanzt aus der Reihe der üblichen Nomenklatur. Sein Etiketten-Zusatz „Small Batch“ hört sich übrigens handwerklicher anhört, als es ist. Bis zu 15.000 Fässern á 201 Liter dürfen in eine solche Charge laufen, auch wenn man es in der Brennerei selbst bei deutlich kleineren „mingles“ belässt. Der „Sour Mash“ selbst nimmt ein altes Rezept auf, über das man sich ausschweigt in Kentucky. Klar ist nur, dass der Mais-Anteil unter 51% liegt. Tatsächlich ist es der gefühlt süßeste Whiskey der Probe. Die Nase vermeldet Milchschokolade und Nuss, in diesem Fall kommen aber auch rote Früchte mit einem Breitband-Spektrum hinzu, die von Papaya bis Rotem Apfel reichen. Die 43% vol. zeigen dann im Mund etwas mehr Kante, die Geschmeidigkeit seines Charakters bleibt aber gewahrt. Sehr rund und mit schokoladigem Touch wäre das der Stoff für einen feinen „Old Fashioned“!
Wo wir schon bei der Bar sind, muss man auch das Produkt erwähnen, mit dem Michter’s am bekanntesten wurde. Der Klebstoff-Ton eines echten Roggenwhiskys ist sofort präsent, in diesem Fall aber auch ein Tee-dunkler Gerbstoff, der mit etwas Luft auch Fruchtanklänge wie ein „Earl Grey“ aufweist. Und die zweite Charakteristik eines „Rye“, die dunkle Schokolade, die bisweilen an Schwarzbrot anstreift, findet sich ebenfalls im Duftbild. Es wird auch nicht mehr heller in der Aromatik, wenn man den 42,4% vol. kräftigen Roggenwhiskey am Gaumen hat. Allerdings runder und geschmeidiger, wobei die prägende Note von getoastetem Schwarzbrot schön zu schmecken ist. Die intensive Reifung wird auf zwei Weisen befeuert im wahrsten Sinn des Wortes. Zum einen toastet man die Fässer, bevor sie im US-Stil ausgekohlt („charred“) werden.
Zum anderen werden die Lagerhäuser durch „heat cycling“ abseits der Jahreszeiten beheizt und gekühlt, um weiteren Austausch zwischen Destillat, Holz und Umgebungsluft zu provozieren. Dem „Straight Rye“ merkt man das auch an: Die intensiven Noten von dunklen Cerealien, Bitterschokolade, aber auch Kräutern wie Rosmarin und Lorbeer haben einen besonderen Tiefgang. Das schätzen nicht nur Cocktailprofis – auch für uns war dieser Whiskey ein Highlight. Denn nicht zuletzt im direkten Vergleich mit dem „Straight Bourbon“ daneben zeigte sich, das der Roggen als führendes Getreide einer „mash bill“ diese intensiven Reifetöne weit besser trägt als der Mais. Da trifft eben zwei Mal dunkle Power aufeinander – aus der Brennblase und dem Fass. Plus und Plus ergibt eben „Superplus“ beim Rye aus Louisville!
Bezugsquellen:
Michter‘s, „Unblended American Small Batch Whiskey“ kostet wie der „Sour Mash Small Batch Whiskey“ und auch der „Straight Rye Single Barrel“ EUR 55,10 (0,7 Liter-Flasche), alle über den Versandhandel von Vinorama, www.vinorama.at