Drei Tage lang regierte in Ottakring Kaffeeduft statt Malz-Geruch: Zum fünften Mal verwandelten Günter Stölner (La Cimbali) und Günther Gapp (Magazin Lust und Leben) die Brauerei für das Vienna Coffee Festival zum Barista-Treffpunkt. Wer schlau war, verzichtete auf den Frühstückskaffee, denn Espressi, Filterkaffees, Cold Brews und sogar Cocktails mit dem Wachmacher gab es genug zu verkosten. Allein der kleine Nebentrakt mit den Wiener Spezialröstern reichte für eine Koffein-Überdosis. Wobei natürlich immer die Frage war, wie tief der Besucher in der dunklen Tassen-Materie fortschreiten wollte. Insofern bringt unsere kleine Auswahl auch drei Kaffees, die sich für verschiedene Trinker-Typen eignen – vom Ganztags-Schlürfer bis zum Coffee-Nerd, der den nächsten Kick sucht.
Beginnen wir daher mit der Antwort auf die oft gestellte Frage „Was ist ein guter Kaffee für Espressi“? Wobei bei Leuten, die so fragen, gerne auch das Thema Preis-Leistung mitschwingt. Sollte es so sein und auch viel getrunken werden, dann verweise ich gerne nach München. Denn Dallmayr mag zwar den gewaltigen Global-Umsatz mit Automaten-Kaffee machen, es hat aber immer noch das Stammhaus in der Diener-Straße. Dort wird beraten und aus den Keramik-Pötten erlesener Kaffee gewogen (aktuell übrigens ein zart vanilliger Single Origin aus Brasilien). Im angeschlossenen Restaurant allerdings, das einen vorzüglichen Espresso kredenzt, verrät man gerne den Blend dafür: Es ist die „Barista“-Mischung. Und sie kam auch in Wien bei der großen Präsentationsfläche der bayrischen Röster zum Einsatz. Der „Barista“ ist vollmundig und dennoch nie bitter, seine nussigen Duftnoten und die schulmäßige „Tiger“-Crema (haselnussbraun mit leichten Streifen, eben wie die Großkatze) wirken einladend.
Das herausragendste Merkmal neben einer schönen Öligkeit am Gaumen (Viskosität) ist aber eine praktisch nicht vorhandene Säure. Bitterschokolade und – vor allem gegen Ende – Kakao prägen die Tasse. Dazwischen entwickelt sich kurz eine Süße, die an Rosinen erinnert, aber auch Vanille und Schokotrüffel lassen sich am mittleren Gaumen finden. Der Ausklang ist kräftig und rundet diesen echten Wachmacher ab.
Die Mischung aus dem Café des Himmels
Wie sehr die neue Kaffeewelt in Österreich angekommen ist, demonstriert dann Ludwig Himmel. Einerseits ist er Cafetier im niederösterreichischen Wolkersdorf, zum anderen bringt er aber seine eigenen Kaffees auf den Markt. Der gebürtige Ungar hat viel gesehen als Gastronom, auf Kreuzfahrtschiffen, in Großhotels und Restaurants – entsprechend weiß er auch, was das Publikum will. Denn oft genug bleibt Kaffee länger stehen, wird dann – wegen Arbeit, lästigen oder willkommenen Anrufen oder anderer Wichtigkeiten – kalt getrunken. „Säure geht dann gar nicht“, weiß Himmel, „die steigert sich dann noch“.
Und so hat er neben seinen „Weltklasse“ genannten Single Origins aus Guatemala oder Indien auch zwei abgerundete Blends für die Kaffeeschwestern und -brüder nördlich von Wien zu bieten. „Drei Kontinente“ ist dabei seine Espressomischung mit indischem Robusta und Arabicas aus Brasilien und Guatemala. Es ist ein Kaffee, der nach hinten hinaus immer „breiter“ und aromatischer wird. Eine fast schon frische Säure blitzt zu Beginn auf zwischen dem röstigen Haselnuss-Duft und der leichten Bitterschokolade, die die Nase meldet. Die Limetten-Assoziation bildet auch den ersten Kosteindruck, wird aber umgehend verwischt von einer satten Schokolade-Charakteristik, in die sich Piment, etwas Lakritz und im Finale auch Zimtrinde mengen. Passend zu einer Marke, die Himmel’s Kaffee heißt, fällt die Tasse leicht im Mundgefühl aus, bietet dabei aber volles Aroma – ein Espresso, der den ganzen Tag gefällt, fanden wir.
Für Kenner, die schon alles in ihrer Kaffeemühle hatten, ist natürlich der Stand von Oliver Goetz‘ Rösterei Alt-Wien ein Ankerpunkt am Coffee Festival. Irgendeine verrückte Neuheit bringt der einzige Demeter-zertifizierte Bio-Röster des Landes schließlich immer mit. Diesmal ist es eine Tasse Espresso zu fünf Euro – in der eine echte Rarität ihre braunen Schlieren zieht. Kolumbianischer Kaffee von der Finca San José wurde drei Monate bei Fauder und Guillermo Alvarez in einem Rum-Fass fermentiert, die Aromen gehen so subtil auf die Bohnen über. Schon beim Brühen lächeln die Baristas (kl. Foto rechts, © Wolfgang Schmid) ob der angenehmen Düfte: Ein Schwall von Weinbrand-Praline, Rum-Schoko-Trauben und Haselnuss-Creme füllt nicht nur den Luftraum direkt über der Tasse.
Am Gaumen ist die Säure des kolumbianischen Kaffees, von dem es aktuell elf Kilogramm in Wien gibt, zurückhaltend. Die Wucht der Sekundärnoten im Duft fährt aber ebenfalls zurück. In Summe ergibt das einen an Aranzini, die in Bitterschoko getauchten Orangenschalen, erinnernden Ausdruck. Aber auch an Tiramisu läßt einen die Kombination aus leichter Süße (ein Touch Amaretto ist zu spüren) und klarer Kakao-Aromatik denken. Mit einem Finish zwischen gesalzenen Cashew-Nüssen und Crème brûlée klingt diese Rarität aus. Spätestens jetzt weiß man, warum Kaffeefreunde das Festival im Jänner als Fixpunkt betrachten!
Bezugsquellen:
Dallmayr, „Barista“ ist um EUR 9,90 (500 Gramm) nicht nur im Stammhaus München, sondern auch im Web-Shop erhältlich, www.dallmayr-versand.de
Himmels Kaffee, „Drei Kontinente No. 1“ ist um EUR 10,50 (250 Gramm Packung) im Online-Shop erhältlich – und natürlich im Café in Wolkersdorf, www.shop.himmels-kaffee.com
Alt-Wien, „Rum Barrique Fermentation“ (Kolumbien) ist um EUR 49,90 (250 Gramm) in der Schleifmühlgasse, Wien 4, erhältlich, www.altwien.at