Als Stadt von kleinen Weinorten umgürtet zu sein, hat Vorteile für die urbanen Trinker. Für den Stadt-Winzer allerdings bedeutet es einen Standort-Nachteil (oder: Stadtort-Nachteil?). Umso besser, wenn Mödlings Weingut Pferschy-Seper seinen 300. Geburtstag nutzt, um in einer großen Weinprobe zu zeigen, dass man nicht über die Weinstraße nach Gumpoldskirchen, Pfaffstätten, Vöslau oder Sooß „ausreiten“ muss. 1718 beginnen die Aufzeichnungen der damals noch „Purgkraber“ geschrieben Familie Burggraber. Josephine Burggraber leitete dann ein noch erstaunlichere Tradition ein: Am Betrieb haben den 1920er Jahren nämlich vier Generationen Frauen das Sagen (die fünfte studiert gerade, u. a. auf einschlägigen Praktika in Napa Valley).
Der heutige Standort des Kellers in der Friedrich Schiller-Straße war bereits die Wirkungsstätte ihrer Enkelin Margarete Pferschy, die zur Bio-Weinbau-Pionierin der Thermenregion wurde. Ja, die von den Effektiven Mikroorganismen (EM) überzeugte Seniorchefin träumte sogar davon, dass die wenigen Mödlinger „Hauer“, wie sie die Kollegen mit dem schönen, alten Begriff nennt, sich auf eine gemeinsame Bio-Erzeugung einigen könnten. In den 1990er Jahren ein Unding, selbst Tochter Birgit „schrieb nur einmal bei der Weinmesse auf den Stand, dass unsere Weine aus biologischer Erzeugung stammen“. Was heute Gütesiegel ist, war damals schlicht Kassengift.
Doch die Zeiten ändern sich. Nachdem 2004 Birgit Pferschy-Seper (am kl. Bild rechts) den Betrieb übernommen hatte, erkannten auch Kunden den Vorteil gesunder Weingärten allmählich und die Kundennachfrage zog nach. Sie macht heute – trotz der räumlichen Nähe – den Mödlinger Bio-Markt Plan Bio zu einem wichtigen Vertriebspartner. Doch man muss kein Anhänger der naturnahen Landwirtschaft sein, um Weine wie den Rotgipfler 2009 zu lieben. Er ist längst nicht mehr im Verkauf, doch am Punkt gereift, „wie eben die Weine der Thermenregion immer länger Zeit benötigen“, so die 50-jährige Winzerin. Grüne Banane, Mango und der Karamell-Duft von „Stollwerck“ signalisieren einen reifen Typus Wein. Doch am Gaumen kommt eine von der Säure befeuerte Saftigkeit durch, die man in zwei Worten beschreiben kann: Papaya pur. Intensiv in seinem von 12,6 Gramm Restzucker getragenen Schmelz, aber niemals plump oder süßlich wirkt dieser auf den Punkt gereifte Wein.
„Herzog v. Mödling“, 32 Jahre alter Weissburgunder
Der Wein des (Jubiläums-)Abends am Weingut war aber ein anderer. Für sentimentale Gemüter (und Hardcore-Mödlinger) kam für diesen Titel nur der Wein mit dem Faschingsnarren des Mödlinger Fördervereins MFV am Etikett in Frage. Der „Herzog von Mödling“ war der entschlafene Versuch eines gemeinsamen Qualitätslabels für die Babenberger-Stadt. Man trank Geschichte mit diesem Weissburgunder 1986. Geschichte, die 32 Jahre später nach Blutorange und zu lange gezogenem „Earl Grey“ schmeckte. Es soll die vorletzte Flasche überhaupt am Weingut gewesen sein, was in jedem Fall Ehrfurcht einflößte.
Dafür gab es einhellige Begeisterung für einen Wein, der noch erhältlich ist, ja eigentlich noch ein Jüngling. Und auch er war ein Weissburgunder. Allerdings eine Reserve aus dem Jahrgang 2015, die tropenfruchtig duftete, dass es nur so eine Freude war. Gibt man ihm Luft im Glas, erinnert er mit seiner Mango, Rosen- und Akazienhonignote fast an Rotgipfler. Seine saftige und mehr als zart buttrige Art erinnert an einen Panettone, die kandierten Zitrusfrüchte erwachten ab dem mittleren Gaumen aber zum Leben. Wie ein freundlicher Untoter verwandelte sich die süße Frucht in ein säuriges Finale: Das „zweite Gesicht“ dieses Weins steht gleichberechtigt neben den Sekundäraromen des Fasses, wenn sich das noch mehr verwoben hat, wartet ein perfekt balancierter Wein. Ein Touch Vulkanland – auch so eine Thermengegend! – zog mit diesem kräftigen Weissburgunder durch die Schiller-Straße. Doch auch in Mödling beherrscht man diesen Stil, zumal die Guntramsdorfer Ried Haberl mit ihrem lehmigen Boden („für Ziegelerzeugung ideal“, lachte Pferschy-Seper) eigentlich einen fordernden Untergrund für finessenreichen Wein darstellt. Doch ausreichend Säure scheint den Haus-Stil zu prägen, das war auch bei den Rheinrieslingen des Weinguts schon zu merken.
Der Weissburgunder ist nicht nur der persönliche Liebling von Birgit Pferschy-Seper, mit 30% stellt er auch die wichtigste Rebsorte der Mödlingerin dar. Die Thermenregion-Sorten schlechthin, Rotgipfler und Zierfandler, sind erst kürzer im Portfolio. Traminer und Neuburger wichen den beiden Weißweinen, die den säure-betonten Haus-Stil bestens vertragen. Selbst ein mit 13,5% Alkohol und satten 11,8 Gramm Restzucker gefüllter Zierfandler hat hier wunderbaren Trinkfluss. Er stammt aus dem Jahrgang 2016 und duftet pikant nach Gelber Paprika und Zwiebelschalen, dazu auch etwas „Golden Delicious“-Apfel.
Der Zucker ist gut versteckt, wie ein Osternest verdecken ihn die wuchernden Noten des Apfels, aber auch ein Dickicht aus weißer Schokolade, ja sogar ein paar eingestreute weiße Pfefferkörner nutzt er geschickt als Deckung. Die Tropenfrucht der Sorte, meist mit zarter Banane umschrieben, kommt hier als astreine Papaya durch, die das Finish des 2016er Zierfandlers prägt.
Wer es noch saftiger will, greift zum Jahrgang 2015, der weniger Restzucker (9,5 Gramm), aber mehr Extraktsüße mitbringt und mit seiner Nektarinen-Guave-Mischung und dem deutlicheren Holzton (eine kleine Charge reift im Eichenfass) etwas „breiter“ wirkt.
Grammeln und Schwarztee: Blauburgunder 2016
Und auch wenn Pferschy-Sepers Hauptaugenmerk nicht den Rotweinen gilt – nur 30% der acht Hektar Rebfläche umfassen sie – weiß man auch in Mödling, dass die Thermenregion als die österreichische Burgund gilt. Ergo gibt es einen Pinot Noir, der sich gleichermaßen von der Pappigkeit der Beerenfrucht, als auch vom Röstaromen-Exzess fernhält. Dafür darf beim großartigen 2016er Burgunder die kühle Frucht schon im Duft prunken; die Kirsche, die hier mehr Blüte als satte Frucht ist, steigt zusammen mit einer Würze in die Nase, die an Assam-Tee und – schwer zu glauben – trockene Grammeln erinnert. Dass das auch am Gaumen nicht die 08/15-Abfüllung sein wird, zeigt sich beim Kostschluck im Heurigenstüberl, der saftig und sortentypisch beginnt, über die Herzkirschen-Note aber von Beginn weg grünen Pfeffer streut. Die Spannung zwischen den Polen Würze und Frucht zeichnet diesen Wein aus, der sich im Zweifel für die Würze und gegen die dezente Frucht entscheidet. Das ist wunderbar für alle Pinot-Freunde, zu denen auch die Winzerin selbst gehören dürfte!
Denn sie teilt die am Tisch aufkommende Kritik am weitaus zugänglicheren, leichter verständlichen und sicher besser verkaufbaren 2015er. Er duftet nach Walnuss, dunklen Beeren und hat allerdings mit seinen Röstaromen deutlich zu viel „hölzerne“ Schminke aufgetragen für unseren Geschmack. Im Match der Marke „Autoren-Film gegen Blockbuster-Kino“ gibt er den Kassenschlager. Doch viel wichtiger ist: Beide Stile gibt es im Weingut – und beim Heurigen. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Sondern eine Nachricht, die man nicht nur in Mödling schätzen sollte.
Bezugsquelle:
Pferschy-Seper, Weissburgunder Reserve 2015 kostet EUR 15,60, der Weissburgunder 2016 ist um EUR 7, der Zierfandler 2016 um EUR 12,80 zu haben, auch der Pinot Noir 2015 kostet EUR 10,10, alle ab Hof bzw. über die Homepage, www.pferschy-seper.at