Zwei Drittel der 2.468 australischen Wein-Produzenten haben die Sorte im Programm; 47% aller Rotweine von „down under” entfallen auf den Shiraz. Dass der spezifische Geschmack der Parade-Rebsorte sich einer eigenen Substanz verdankt, wurde aber erst jüngst vom Australian Wine Research Institute (AWRI) erhoben – und Sie lesen im Trinkprotokoll vermutlich erstmals davon. Das Zauberwort heißt Rotundone und Con Simos stellte diese faszinierende Komponente in einer Masterclass beim Australia Day Tasting in London vor. Selten lauschten wir gespannter, denn dieser Stoff – verantwortlich für „pfeffrigen“ Geschmack – würzt nicht nur den Shiraz. „Auch der Grüne Veltliner hat viel davon“, nannte der Forscher einen Vergleich. Wo aber sitzt das „Pfefferl“, egal ob beim Weinviertler Veltliner oder dem Shiraz aus Australien?
„Rotundone ist am höchsten in der Traubenschale konzentriert“, so Simos, „es überlebt auch die Vinifizierung, was selten ist“. Langer Schalenkontakt beim Maischen bringe auch mehr an „Pfeffer“ in den Wein. Entdeckt wurde die Substanz, biochemisch ein „Terpen“, zunächst am Knolligen Zypergras oder Nuss-Gras (cyperus rotundus), dem es auch den Namen verdankt. Seine intensive Würzkraft wird in Nanogramm (ng) gemessen oder, etwas anschaulicher: „ein Teil Rotundone kann einen ganzen Olympischen Swimmingpool „pfeffrig“ machen“ ((c) Con Simos). Rund ein Fünftel der Menschheit, so die australischen Erkenntnisse, könne dieses Aroma gar nicht wahrnehmen, im Schnitt liegt die Schwelle der Wahrnehmung bei 16 Nanogramm.
Mit derlei Mini-Mengen hielt man sich beim Verkosten im Victoria House aber nicht auf, es gab gleich einmal 220 Nanogramm in einem Rotwein, der allerdings extra präpariert wurde. Es schmeckte wie eine Lösung von schwarzem Pfeffer im Beeren-Kompott bzw. die indische Pfeffersuppe, wie man sie etwas aus Goa kennt.
Wo der Pfeffer wächst: Ein Vorteil für Tasmanien
Mit der ersten echten Probe schraubten die Australier das Niveau auf immer noch beachtliche 70 Nanogramm zurück. Nick Glaetzers Familie stammt ursprünglich aus Brandenburg, die im 19. Jahrhundert im Barossa Valley gegründete Glaetzer-Dixon Winery ist heute auf der Insel Tasmanien aktiv. Mit dem 2010er “Mon père” holte das Weingut zwei Jahre nach der Übersiedlung mit einem tasmanischen Shiraz den Sieg bei der Jimmy Watson Trophy, Australiens prestige-reichem Weinbewerb. In London servierte man den Jahrgang 2014 dieses Shiraz. Was mit einem süßen und herbem Duft nach Kornell-Kirsche und Schlehen begann, frischte dann merklich auf. Das weiche Mundgefühl, in dem die Vanille-Noten der 18-monatigen Barrique-Reifung noch präsent waren, verschob sich immer mehr in Richtung Peperonata. Das nicht anders als vibrierend-pfeffrig zu nennende Finish hinterließ einen Nachklang wie Cayenne-Pfeffer.
Dass die kühlere Region Tasmanien mehr Rotundone aufweist, passt auch in das von den australischen Reb-Forschern gezeichnete Bild: Neben dem Jahrgang, der das Auftreten des „Pfefferls“ begünstigt (2012 lag das Maximum bei 600 ng, 2013 bei nur 13 ng, so das AWRI), zählt nämlich auch das Mikroklima. Nord-seitig ausgerichtete Weingärten, die in Australien die heißeren Lagen darstellen, kamen auf 200 Nanogramm. Das ist lediglich ein Drittel des in den kühleren Süd-Hängen gemessenen Wertes (600 ng), ergab der Vergleich von 177 Proben aus den Weingärten der Mount Langi-Winery.
Am deutlichsten war die Extra-Dosis Pfeffer, die sich über die Fruchtnoten schob, aber bei einem aus dem hoch gelegen Anbaugebiet Mudgee in New South Wales (NSW) stammenden Shiraz. Die „nur“ 37 Nanogramm ergaben bei diesem Roten von der Logan Winery eine schon im Duft merkliche Würzigkeit. Der „Ridge of Tears“ 2013 roch nach Schwarzbrot, weißem Pfeffer und Fenchelsaat. Auch im Mund erkannte man die Pfeffrigkeit, sobald die erste Dosis Beerenschmelz (Maulbeere und Himbeeren) verklungen war. Diesmal eher als grüner Pfeffer zu beschreiben, verlieh sie dem 14,1% starken Rotwein nicht nur Würzigkeit, sondern auch etwas mehr Leichtfüßigkeit.
Dosiertes Wein-Gewürz: Mac Laren Shiraz 2015
Dass der Rotundone-Wert für sich keinen absoluten Einfluss auf den Wein hat, demonstrierte die letzte von Con Simons vorgestellte Probe. Der „Cliff Edge“ stammte aus dem am besten untersuchten Weingut Mount Langi Ghiran. 2012 geerntet, erinnerte dieser Shiraz mit seinen süß-üppigen Duftnoten – likörige Sauerkirsche und Schlehe – fast schon an einen Sloe Gin. Das Mundgefühl des nur unmerklich kräftigeren Weins (14,3% gegenüber dem Vorgänger aus NSW) fiel schokoladig und dicht aus, die einzige würzigere Ader lieferte gegen Ende ein herberer, an Graphit erinnernder Zug. Vielleicht schwang hier auch schwarzer Pfeffer mit, doch für die mittlerweile auf Rotundone-geeichte Zunge war hier eindeutig zu wenig vom „Wein-Gewürz“ aus der Schale präsent.
Und abseits des Rotundone-Seminars? Da gefiel uns ein 2015er Shiraz aus dem Mac Laren Vale ausnehmend gut mit seiner abschließenden Pfeffernote (auch wenn sie nur geschmeckt, nicht gemessen wurde): Oliver’s Taranga hatte einen mit 14,5% Alkohol der Papierform nach kräftigen, allerdings äußerst geschmeidigen Wein mitgebracht nach London. In seine Nuss-Noten mengte sich im Duft bereits Eukalyptus, dazu auch eine dunkle Zwetschken-Fruchtigkeit.
Der Kostschluck begann saftig, hier war es ein intensives Fruchtgemisch aus hochreifer Erdbeere, Zwetschkenröster und Preiselbeere, deren hantige Note vom noch spürbaren Gerbstoff befeuert wurde. Im Finish rundete der schwarze Pfeffer diese Mischung aus süßen und bitteren Geschmäckern noch ab, womit dieser Shiraz in Summe als sehr balanciert durchging. Schließlich will der Pfeffer ja auch im Wein dosiert sein – jetzt, wo wir wissen, wo er herkommt.
Bezugsquellen:
Logan Wines, Shiraz „Ridge of Tears“ 2013 ist um ca. EUR 30 beim britischen Händler Lockett Brothers erhältlich, www.lockettbros.co.uk
Mount Langi Ghiran, Shiraz „Cliff Edge“ kostet ca. 20 EUR beim britischen Händler „Wine Direct“, verfügbar ist nur mehr Jahrgang 2014, www.winedirect.co.uk
Glaetzer-Dixon, Shiraz „Mon père“ 2014 bekommt man in Europa leider kaum, ab Hof kostet die Flasche rd. EUR 42,40, www.gdfwinemakers.com
Oliver’s Taranga, Mac Laren Vale Shiraz 2015 ist um rd. 20 EUR im Webshop der Winery erhältlich, sie versendet auch nach Europa, www.oliverstaranga.com