Warsteiner ist groß – und das passt vielen nicht, die Leopold Kohr zwar nie gelesen haben, aber sein „small is beautifull“ lieben. So kann man die Braumeister Edition von Warsteiner auch als ausgestreckte Versöhner-Hand sehen. Das neue Bier wäre dann die trinkbare Einladung, doch mal Geschmack statt Rechenstift entscheiden zu lassen und die „Böse Industrie“-Sprechblase gar nicht erst abzusondern. Denn Größe ist kein Argument – ganz Österreich hätte in der US-Definition von Craft Beer (Brauereien sollten kleiner als 8 Mio. Hektoliter Ausstoß/Jahr sein) Platz.
Für uns – deshalb gibt es das Trinkprotokoll.at ja überhaupt – zählt immer der Glasinhalt. Und dann fragen wir uns, wie gemacht wird, was uns schmeckt. Wo der Mist herkommt, brauchen wir nicht zu wissen. Denn über den schweigen wir prinzipiell.
Das etwas arg auf Retro getrimmte Braumeister-Bier aus dem Sauerland interessiert uns aber aus einem anderen Grund: Es ist eine Art Tribut an das Reinheitsgebot, das heuer ja seinen 500. Geburtstag feiert – und in Bayern so manchem Kreativbrauer die Grausbirnen aufsteigen lässt. Rauchmalz, mit dem Bier wie Geselchtes schmeckt, passt ins Korsett des vorläufigen Biergesetzes (so der juristisch korrekte Terminus), Kaffee im Lagertank aber nicht. Delirant, isti Bavarii, würde Obelix wohl sagen.
Doch nicht Obelix, sondern Michael Thon heißt der Mann hinter der „Braumeister Edition“ – und er steht zum Reinheitsgebot. Gewidmet ist die Edition aber Fritz Peters, dem ersten beurkundeten Braumeister der Sauerländer, einem Mann des 19. Jahrhunderts. Das Prinzip hinter dem 5,2%-igen Hommage-Bier kennt man ähnlich aus der Murauer Brauerei (hatten wir hier schon mal mit ihrem „11/11“): Mit Hopfen werden klassische deutsche Bier-Rezepturen nach dem Würzekochen versetzt („kaltgehopft“) und so mit einem prononcierteren Bitter-Charakter versehen, ohne die Basisrezeptur zu einem Tropenfrucht-Körberl mit hantigem Nachgeschmack zu pervertieren. An diesen Schrauben drehte auch die „Braumeister Edition“.
Unfiltriert, was schon mal schön ist, und mit Tradition bzw. Cascade-Aromahopfen aus der deutschen Hallertau versehen, soll vor allem Hopfen und Hefe den Geschmack prägen, über das Malz erfährt man entsprechend wenig. Eine Mischung aus hellen und dunklen Malzen sei es laut Etikett, tatsächlich tritt mit viel Wartezeit eine schöne Roggenbrot-Note im Duft hervor. Zunächst aber bringt die Nase mit grünen Noten den Hopfen gleich ordentlich in Stellung: Wiesenkräuter, auch grüne Paprika und etwa Harz, machen wir aus. Steht das untergärige Warsteiner ein wenig länger, kommt auch ein bisschen Grapefruit-Schale durch.
Der Antrunk fällt entsprechend frisch aus, erst allmählich kommt das Malz durch, das dunklere, brotige Noten mitbringt. Ein wenig Pumpernickel, aber nur so viel, dass keine Süße aufkommt, merkt man in der Mitte. Hier kann man kurz auch von einer gewissen Cremigkeit sprechen, ehe dann wieder der Hopfen das Kommando übernimmt. Im Gegensatz zum mittlerweile eingelernten Geschmacksbild eines India Pale Ale (IPA) kommt aber ein erfreulich harmonischer Ausklang dazu; die Hopfen-Kraft wird auf den Gaumen gelenkt und kleistert nicht den Rachen zu. Es mag vielleicht tatsächlich ein Marketer um den Gärbottich schwarwenzelt sein, der „Charakter, aber nicht zu viel“ einforderte. Nur: Das Ergebnis schmeckt durchaus, die Balance ist da. Dass das Bier in diesem Stil vielen gefällt, kann ja nicht ernsthaft als Makel gesehen werden.
Und für alle, die dennoch nur Kleinbrauer-Bier an ihre Kehlen lassen: Warsteiner selbst meint in der Pressemeldung, „die Braumeister Edition hebt sich […] von der Masse der Biere ab“. Wenn sich industrielles Bier schon positiv abheben möchte, dann hat die Subversivkraft der Craft Beer-Freunde doch einen österlichen Etappensieg errungen. Was immer man darauf für eine Flasche öffnet…
Bezugsquelle:
Warsteiner, Braumeister Edition ist um EUR 4,99 (6 x 0,33 Liter) bei Lieferello erhältlich, www.lieferello.de