Wenn man glaubt, schön langsam nervt die Craft Beer-Bewegung, tut sich unerwartet eine neue Welt auf. Denn ji-biiru, wie die Brau-Bewegung in Japan heißt, ging an den hiesigen Kehlen nahezu unbemerkt vorbei. Clemens Kainradl, der Bierfracht.at-Gründer aus Kleinhöflein, änderte das quasi über Nacht und hat mit der Baird Brewing Company noch dazu einen Partner gefunden, der nicht nur eine breite Palette anbietet. Denn die besten der Biere aus Nippon sind so ungewöhnlich, dass sie in der IPA-Schwemme allemal positiv auffallen.
Mit seinem 30-Liter-Kessel, der kleinsten lizensierten Brauerei Japans, startete Bryan Baird mit seiner Frau Sayuri 2000 ins Unternehmertum; am Numazu Fischmarkt schenkte man das Bier bis 2002 lediglich an Arbeiter aus. Das erste in Fässern verkaufte Rezept, ein IPA namens Teikoku, wird bis heute gebraut. Auch wenn das Unternehmen mehrfach an der Kippe stand, wie Bryan gerne einräumt, ging es seither bergauf. 250 Liter, 1.000 Liter und heute sind es 60 Hektoliter, die der Braukessel umfasst. Er steht in der neuen Brauerei am Fluss Kano, die seit dem Vorjahr im Shuzenji-Viertel der Stadt Izu mit einer 30-köpfigen Belegschaft für Bairds Bier sorgt.
Wabi-Sabi nennt sich das aus europäischer Sicht wohl japanischste Bier, wobei die Philosophie des „less is more“ und der Subtilität sich in allen Abfüllungen wiederfindet. Doch mit Zutaten wie grünem Tee und echtem Wasabi stellt es natürlich den logischen Startpunkt für den Einstieg in die Japan-Bierwelt dar. Das intensive orange „Japan Pale Ale“ braucht etwas Luft im Glas, dann belohnt es mit Karamell, Orange, Lychee, sogar Spuren von Lebkuchen und eine immer deutlicher werdende grüne Aromatik finden sich – definitiv kein 08/15-IPA!
Auch am Gaumen überrascht das Wabi-Sabi, neben einer kühlen Pfirsichnote und einem Kräutermix kommt auch zarter Lavendel durch. Spannend ist der Moment, in dem erstmals der grüne Tee aromatisch voll zur Geltung kommt. Im Gegensatz zum Wasabi, der immer als leicht scharfes Hintergrund-Rauschen da ist, hat er intensiven Geschmack zu bieten. Die Bittere im 6%-igen Japan Pale Ale wirkt ebenfalls dezent, erst im Finish schlägt sie durch und verbindet sich mit der leichten Schärfe zu einem langen Abgang.
Hopfen-Feuerwerk, subtil gezündet
Wir lernen: Laut und plakativ passt nicht zu Japan und diese Ansicht hat Exil-Amerikaner Bryan Baird nicht nur verinnerlicht, er gibt sie auch in seinen Bieren weiter. Das Prinzip gilt auch für das mit 4,5% Alk. Leichtere Single Take-Session Ale (für Nicht-Musiker: in einem Durchgang oder Take eingespielte Stücke gelten als großer Glücksfall, weil fehlerfrei). Die leichte Trinkbarkeit, in Bierkreisen mit dem Zusatz „Session“ ausgeflaggt, lässt sich bereits im Duft erahnen, wenn Stachelbeeren den kühl-frischen Grundton vorgeben, zu dem sich zarte laktische Noten gesellen. Der Erstschluck zeigt sich cremig, erinnert an Cornflakes, Orangenzesten und Kräuter wie Koriander. Hochelegant und wieder mit dieser hingetupften Bittere (Tuschemalerei in Sachen Hopfen, könnte man poetisch werden) zeigt sich dieses sommerliche Bräu aus Japan.
Selbst, wenn Baird am Etikett ein „Firework-style festival of Hops“ ankündigt, wird das ein elegant gezündetes Feuerwerk. Das Suruga Bay IPA leuchtet dunkel orange im Glas, duftet äußerst fruchtig nach Honigmelone, Mandarine und Grapefruit-Schale. Malzig süß im Beginn, denkt man zunächst einmal an Orange, ehe sich die Bittere für ihren Auftritt herrichtet. Subtil noch am Anfang, ab dem mittleren Gaumen immer intensiver, verrichten hier die Hopfensorten ihr Werk, allerdings baut diese Herbheit sich langsam auf und überfällt den Trinker nicht mit einem Schlag (Schlag wie Watschen), was viele IPAs dem ungeübten Trinker schon verleidet hat.
Commodore Perry darf das Porter zieren
Markant wie die Biere ist auch das Artwork der Etiketten, das Eiko Nishida gestaltet, die sich dafür von alten Holzschnitten inspirieren lässt. Beim „Kurofune Porter“ zeigt das Label etwa einen Admiral, denn die „schwarzen Schiffe“ – das bedeutet Kurofune, passend zum dunklen Bierstil – der US-Marine zwangen Japan einst zur Öffnung für westlichen Handelsplunder. Aromatisch kommt neben der (Bitter-)Schokolade des Bier-Typs auch ungewöhnlich salzige Noten durch, Salznüsse und Rauchmandeln mischen sich in den Duft nach Weinbrandpraline. Mit 6% Alkohol und einem cremigen Mundgefühl überrascht das Kurofune mit seinem Trinkfluss. Richtiggehend süffig finden wir das mit weitgehend dunklen und schweren Assoziationen – Dörrzwetschke, Kakao, Vanille – zu beschreibenden Porter aus Izu. Im Finish vereinen sich diese Noten zu so etwas wie Haselnuss-Schokolade und verleihen so selbst dem dunklen Bier Leichtigkeit und Subtilität á la japonaise.
Bezugsquelle:
Baird Brewing Company, „Wabi-Sabi“ Japan Pale Ale ist um EUR 4,40, das „Single Take“ Session Ale um 4,20 EUR erhältlich. Das IPA „Suruga Bay“ kostet EUR 4,50 und das Porter „Kurofune“ ist ebenso wie das „Angry Boy” Brown Ale um EUR 4,40 (alle in der 0,35 Liter-Flasche) zu haben, exklusiv für Österreich bei Bierfracht, www.bierfracht.at