Ehrfurcht greift um sich. Schließlich „haben Generationen an dem gearbeitet, was wir heute im Glas haben“, wie es der deutsche „Spirituosen-Professor“ und Cognac Educator Jürgen Deibel nennt. Die Weinbrand-Pretiosen vor uns kosten aber auch jede zumindest 1.000 Euro. Da dreht man gerne länger eine Runde mit dem Schwenker. Denn näher als an diesem Nachmittag wird man dem Oligarchen-Feeling als Nicht-Lotto-Spieler und intimer Bekannter einer Guten Fee nicht kommen in diesem Leben. Die „Achttausender“ des Weinbrands stammen nicht nur aus dem gelobten Land der Brände der Ugni blanc-Rebe, sondern auch aus Armenien, Griechenland und Deutschland. Unsere Favoriten, falls denn noch ein vergessener Bausparvertrag auslaufen sollte, hingegen sind mit einer Ausnahme Franzosen.
Je älter die einzelnen Destillate (oder Eaux-de-vies) sind, aus denen die Raritäten komponiert werden, desto mehr zählt natürlich die Erfahrung der Kellermeister, die den Männern aus der Charente, die den Ertrag von gut 175.000 Hektar Rebfläche brennen, halt niemand so schnell streitig macht. Hennessy, das heuer schon sein 250-jähriges Bestehen feiert (wir berichteten hier), hat in dieser Liga den „Paradis Impérial“ zu bieten, dem Eaux-de-vies zwischen 30 und 130 (!) Jahren das Aroma verleihen. Der Duft verheißt noch nicht, wie eigenwillig dieser Cognac schmeckt: Helle gelbe Früchte, vor allem Ringlotte, Nektarine und Apfel, sind zu riechen, dazu etwas Haselnuss-Schnitte. Der fruchtsüße Beginn bringt erneut die Nektarinen, die sich aber immer mehr in Richtung Tropenfrucht, namentlich: Papaya, entwickeln. Auf einmal grätschen Jod und Rauchnoten wie bei einem Islay-Whisky dazwischen, noch aberwitziger ist aber die ausgeprägte süße Würze, die an indonesische Nelken-Zigaretten (kretek) erinnert! Mit einer solchen Melange fruchtig süßer und würziger Aromen sorgt der Hennessy auch für einen Abgang, der nicht nur lang währt, sondern im letzten Aufbäumen auch noch Schokolade mitbringt. Großes Kino!
Die Früchte der „feinen Wälder“: In Eden mit Gautier
Das alte Cognac-Haus Gautier verfügt nicht nur über ein ausgedehntes Paradis, wie die Kellermeister das Lager der raren alten Destillate nennen, es bedient sich für seinen Eden auch ausschließlich dort. Sind das Kekse? Sind das gar Haselnuss-Financiers? Die Nase des Gautier beginnt mit süßen Noten, nicht nur nach Gebäck, sondern auch nach Orangen und getrockneten Ananas. Immer fruchtiger wird dieser dunkelbraune Cognac, je mehr er atmen kann. „Braune Birne“ steht als letztes auf den Duft-Notizen. Am Gaumen werden die Frucht-Noten noch saftiger, die Orange erinnert an beste britische „Thick cut“-Marmelade, sogar etwas Mango spüren wir. Aus dem honigfruchtigen Geschmacksdickicht führt uns die würzige Lücke, die sich nussige Schokolade dazwischen schlug. Fein würzig klingt der Eden aus, den man wohl als den fruchtbetontesten Cognac der Probe bezeichnen darf.
Die ausgesprochene Saftigkeit verdankt sich übrigens dem Anteil von Destillaten aus der Region „Fins Bois“, die neben Bränden aus der Grande bzw. Petite Champagne darin vermählt wurden. Kenner schmecken die einzelnen der sechs Cognac-Herkünfte durchaus raus, die „Borderies“ etwa bringen Iris- und Veilchennoten mit. Steht „Fine Champagne“ am Etikett, gibt wiederum per definitionem die „Grand Champagne“ das Geschmacksbild vor. Denn mindestens 51% der Destillate müssen aus der prestigeträchtigen Gegend stammen, der Rest aus der „Petit Champagne“. Ein wenig getrickst darf aber auch in der ehrwürdigen Cognac-Produktion werden, 2% Zusatz zur Gesamtmenge sind erlaubt, das kann Zuckercouleur (für die Farbintensität) sein, aber auch Holz-Extrakt, das sogenannte „boisé“.
500 Flaschen reiner Finesse: Die „Feder“ Frapins
Diese Infos helfen, damit man schätzen kann, welchen Schatz Max Cointreau mit seinen 200 Hektar Rebfläche rund um das Château de Fontpinot im Städtchen Segonzac besitzt. Dem Chef des Traditionshauses Frapin steht damit so etwas wie eine Grand Cru-Lage im Herzen der Grande Champagne zur Verfügung. 60 Jahre reiften sie für den Plume (dt.: Feder) der Maison Frapin. Der süße Duft zeigt immer noch deutlich traubigen Charakter, ein wenig erinnert das an den roten Süßwein Banyuls, aber auch Kaffeepulver und Strohblumen sowie ein mit der Zeit stärker werdender Honigton sind da.
Der erste Schluck erinnert an Orangenlikör, helles Karamell und eine leichte Milchkaffee-Note bilden den Auftakt. Die Finesse zeichnet diesen Cognac, eindeutig unser Favorit unter den „Tausendern“, aus. Denn auf die plakativen Aromen folgt eine ätherische Phase, in der heller Tabak ganz dezent für Würze sorgt. Im Finish kommt dazu eine ausgeprägte Kirsch-Aromatik, die auch den Retrogusto erfüllt. Die Limitierung auf lediglich 500 Flaschen unterstreicht die Tatsache, dass es sich beim Plume um einen wirklich einzigartigen Cognac handelt.
„Asbach 1952“: Dichterfürst rettet die Ehre der Nicht-Cognacs
Ähnliches Alter durfte die Vintage Reserve 1952 aus dem deutschen Hause Asbach beanspruchen. Der rare Weinbrand wurde zum 120-jährigen Firmenjubiläum gefüllt und trägt den Namen Johann Wolfgang von Goethes. Er – also der Brand, nicht der Dichter – erinnert mit seinem verhaltenen Duft mehr an Pinot Noir als weiße Trauben. Die Aromatik der Weintraube ist aber definitiv da, auch blättrige Noten wie Lavendel und Steinpilz sind da, ein Hauch von Kakaopulver ebenfalls.
Die Kakao-Anklänge schmeckt man auch am Gaumen, sie werden begleitet von einer Orangenzeste. Die Kraft und Frische dieses Destillats ist von Anfang an überraschend. Die lange Lagerung in Limousin-Eichenfässern merkt man dem 41,8%-igen Asbach vor allem bei den Noten von kaltem Kaffee und Haselnuss-Plätzchen an. Im Finale aber kommt eine pfeffrige Note hinzu, die für einen langen Hall sorgt. Und auch preislich spielen die 900 Flakons aus böhmischem Glas durchaus in der Cognac-Liga mit. A votre santé und auf einen hoffentlich bald auslaufenden „Bausparer“!
Bezugsquelle:
Hennessy, „Paradis Impérial“, ist um EUR 1.250 erhältlich, der „Eden“ von Gautier kostet 1.600 EUR, Frapins „Plume“ ist um EUR 1.700 und Asbachs „Johann Wolfgang von Goethe“ Vintage Reserve 1952 um EUR 2.300 erhältlich – alle bei Getränke Del Fabro, www.delfabro.at