Eine Art flüssigen Neujahrswunsch formulierte letztens der deutsche „Spirituosen-Professor“ Jürgen Deibel: Es möge doch endlich wieder Ruhe in den Gin-Markt einkehren. War früher der Rotwein -Garten Status-Symbol (zu) reicher Menschen, lässt sich heute der eigene Gin auch ohne Wartezeit erzeugen. Arbeit ist das Mischen von neutralem Alkohol und Gewürzen (den Botanicals) auch weniger. Investmentbanker riefen auch bei ihm laufend an, kommentierte Alexander Stein vom deutschen Erfolgsgin „Monkey 47“ – präsent in 50 Ländern – letztens beiläufig diese Entwicklung. Und doch: Es gibt in dieser Schwemme auch Gins, die zu überraschen vermögen, wenn man sich darauf einlässt.
Zugegeben, auch bei uns war die Skepsis hoch, als die Flaschen aus Finnland und Frankreich, beide „F’s“ nicht unbedingt Gin-Nationen, bei uns eintrafen. Doch wie stets beim Trinkprotokoll.at wird erst verkostet und dann entweder der Mantel des Schweigens aus der Garderobe geholt – oder eine Empfehlung ausgesprochen. Kurz gesagt: Sowohl der Neue aus der Kyrö Distillery in Finnland, als auch der „Generous Gin“ aus dem französischen La Rochefoucauld haben durchaus etwas zur Kategorie beizutragen – wenn auch auf unterschiedliche Weise.
Alte Schule: Generous Gin aus der Charente
Optisch greift man als erstes fast automatisch zum „Generous Gin“, zu gewollt und auf Marketing getrimmt wirkt die schwarz-weiße Flasche. Doch deren Inhalt riecht, wie es bei klassischem Gin sein sollte: Wacholder satt, dazu gibt es florale Duft-Noten, ganz zart sind Rose und Hibiskus da.
„Fresh and aromatic“, verspricht das Etikett, von den Zitrusfrüchten sind vor allem die Orangen ausgeprägt am Gaumen, auch ein kräftiges Finish, das wieder ein ganzes Zitrusfrucht-Körberl mitbringt. Im Hall gibt es auch noch ein kräftige Dosis Wacholder – sehr klassisch britisch würde man sagen, wenn er nicht aus dem Herzen des Cogacs käme. Dennoch ist den Jungs von Creative Spirits, die unter anderem auch Rum produzieren, ein geradlininger „old style“-Gin gelungen.
Wir ließen uns vom kräftigen Franzosen-Gin übrigens zu einer winterlichen Variante des Gin and Tonic inspirieren, in der mit „Hot Ginger”-Limonade noch zusätzlich eingeheizt wird. Exotische Noten – wer träumt sich im Winter nicht fallweise weg? – verleihen demLongdrink die paar Tropfen einer neuen Bar-Bitter-Kreation von den deutschen Spezialisten von „The Bitter Truth“.
L’Île d’hiver
4 cl Gin
3 Tropfen (dashes) „Island Fruit Bitter“
10 cl Aqua Monaco Hot Ginger
Zubereitung:
Ein Glas mit Eiswürfeln füllen, überschüssiges Schmelzwasser abgießen und Gin und Bitters zufügen. Kurz umrühren und mit Tonic aufgießen, mit Pomelo-Scheibe garnieren!
Nordische Frucht-Bombe aus Roggen: Napue
Eine ganz andere Tonart schlägt das Nordlicht aus der Kyrö Distillery Company an. Der finnische Gin riecht zunächst einmal nach Himbeeren, aber auch Papaya und einem Hauch von Pfirsich. Die ungewöhnlichen Aromen verdanken sich der Wahl des Neutralalkohols, den man in Isokyrö aus finnischem Roggen destilliert. In der alten Molkerei Kyrönmaa (immerhin zehn Jahre älter als das 1918 unabhängig gewordene Finnland) brennen Miika, Mikko, Jouni, Kalle und Miko eigentlich Roggenwhisky, der Gin als „Nebenprodukt“ kann sich aber sehen lassen. Das beginnt schon beim Korken mit dem Logo eines trinkenden Seehunds!
Doch auch die Botanicals – Mädesüß, Sanddorn, Cranberry und Birkenblätter – sind durchaus ungewöhnlich und regional gesammelt. Der Name „Napue“ sagt vor allem West-Finnen etwas, denn er ist der Ort einer Schlacht im Großen Nordischen Krieg 1714, bei der die Schweden die finnischen Bundesgenossen im Stich ließen, was in einem Massaker durch die Russen endete.
Zum Glück geht es heute friedlicher zu und so lässt sich der „Napue“ verkosten, der gleich mal süßlich beginnt: Himbeere, aber auch Papaya und ein Hauch Pfirsich, ergeben eine rotfruchtige Melange im Duft.
Schön ist hier auch das Mundgefühl, die Weichheit, die der Roggenbrand erzeugt, wird von zart blättriger Würze abgelöst. Der Alkohol, das muss man sagen, meldet sich allenfalls im Abgang kurz. Die immerhin 46,3% werden aber sofort von einer neuen Wolke an Frucht „verhaftet“. Wieder ist da die rötliche Beerenfrucht, aber auch Papaya und ein Hauch von Orange. Mit einem pfeffrigen Akkord uns schön wärmend klingt der Finn-Gin aus. Aber Achtung! Die kräftige und blumige Art lässt den Gin & Tonic nur mit ausdrucksstarken Tonics harmonieren.
Bezugsquelle:
Odevie, „Generous Gin“ ist um EUR 28,99 (0,7 Liter) erhältlich,
Kyrö Distillery, „Napue“ (0,5 Liter) um EUR 30,99 erhältlich, alle beide beim Ginladen.de, www.ginladen.de