Ein Bier wie eine Spaltaxt. Die vierte aus der „kleinen“ Ottakringer Brauerei, dem von Martin Simion geleiteten „Brauwerk“, stammende Hausmarke teilt die Konsumenten wie Moses das Rote Meer. Dabei ist das „Flanders Red“ eine versöhnliche Biermelange, die man hierzulande kaum kennt. Das Flämisch-Rot stellt einen belgischen Bierstil dar, der seine Farbe der Malzmischung verdankt. Warum also polarisiert es so?
Weil die sechs verschiedenen Malze samt einer Dosis Rohrzucker zwar Süße und Malzkörper beitragen, dazu aber eine dem Sauerbier nahestehende Joghurtnote dazu kommt. Die Milchsäuregärung und die Fasslagerung machen dieses Bier so ungewöhnlich. Den Mut Simions und seiner Vorgesetzten im 16. Bezirk soll man hier aber einmal deutlich loben. Statt dem gefühlt 300sten IPA oder einem Bockbier mehr hat man hier nicht nur einen raren Stil gewählt, sondern ihn auch mustergültig umgesetzt.
Oft genug hat es ja einen Grund, warum es nicht mehr von einem Biertypus gibt – Marktgängigkeit, Schwierigkeit der Rohstoff-Gewinnung, kritischer Herstellungsprozess, you name it! Im Falle dieses mit 7,2% Alkohol auch bei der Power im Mittelbereich liegenden „Red“ fragt man sich eher, warum das nicht schon öfter eingebraut wurde. Der einzige Warnhinweis, den man anbringen sollte: Das ist Bier für Fortgeschrittene. Kennt man Sauerbier nicht (und das erste war und ist immer geschmacklich fordernd, selbst wenn man heute Lambic-Apostel sein sollte), tut man sich schwer.
Die „Hausmarke 4“, so die interne Brauwerk-Zählung, bringt aber das Beste aus beiden Welten – süß und sauer – zum Vorschein. Diese Schnittmenge ergibt eine Duft-Melange, die es in sich hat: Soletti meets Apfelbalsam-Essig, Dörrmarille verbindet sich mit Laugenstangerl. Auch am Gaumen schimmern – und das ist die große Kunst des Braumeisters – beide Komponenten durch. Nussig und dunkel, auch voller Malzsüße ist das Flämisch-Rote, dabei aber stets auch säuregeprägt. Walnuss und Himbeere sind die extremen Pole dieses Biers mit den zwei Gesichtern, eine bitter-gemüsige Note – einigen wir uns auf Artischocken – prägt den Nachtrunk.
Kein unbedingtes Sommer-Bier, wobei es etwa zu gegrillter Melanzani bestens passt. Als Showstopper, wenn wieder ein getränketechnischer „Ich hab schon alles gesehen“-Vortrag neben dem Griller anhebt, empfiehlt sich das „Flanders Red“ sogar nachdrücklich. Smakelijk, wie der Flame sagt.
Bezugsquelle:
Brauwerk, Hausmarke Nr. 4 „Flanders Red“, ist um EUR 1,70 (0,35 Liter, im 12er-Pack) direkt im Brauwerk oder via Webshop erhältlich, www.brauwerk.wien