Die Zahlen lügen nie. Aber sie täuschen halt doch. Denn laut Brauereiverband liegt der Anteil des Craft Beers bei rund 1% des Biermarktes. Also quasi nix. Nur, dass das österreichische Nixum bei unserem Durst (8,29 Mio. Hektoliter Bier waren es 2014) immerhin auch 16,5 Millionen Krügel bedeutet. In der Kreativbier-Nische ist aber noch Platz und den erweitern aktuell die Cultur-Brauer. Die mittelständischen, meist in ihren Regionen stark aufgestellten Neun, packten je ein Craft Beer in jene Boxen, mit denen sie schon Radler und Bockbier gemeinsam vermarkt hatten.
Vorgestellt wurde der Inhalt der Box im Hill in Sievering, womit sich das gern zitierte Sätzchen „Bier ist der neue Wein“ auf eine spektakuläre Weise zwei Stunden lang bewahrheitete. Denn Thomas Göls, der sich nicht in den Vordergrund spielt, aber mit Recht Österreich schon beim internationalen Wettbewerb „Bocuse d’or“ vertrat, hatte neun Gerichte kreiert, die durch die Bank grandios waren – weil uneitel auf die Aromen des Craft Beers angestimmt. Da nacherzählte Essen immer langweilen, hier nur soviel: Creme vom Reblochon zum Doppelbock und ein Safran-Chili-Fonds zum Pale Ale waren schon „perfect matchs“. Wer ein Soufflée aus Avocado und Valrhona-Schoko aber so hinbekommt wie Göls, redet nicht nur von Frankreichs Küchengöttern (das tun viele), er hält mit ihnen mit.
Aber es geht um Bier und so würdigte Trumer-Brauer Josef „Seppi“ Sigl ganz kollegial die Rolle, die „die kleinen wilden Kreativen“, wie er es nannte, als Impulsgeber auch für die größeren Brauerei wie die seine spielen. Schremser-Chef Karl Theodor Trojan freute sich, dass im Zuge des Revivals von Handwerk („das haben wir immer gemacht“) alte Stile wiederentdeckt werden. Vor allem aber „darf man endlich wieder über Bier reden“, so der Waldviertler, für den es zu lange um Marktanteile und Schankkonzessionen ging, anstatt um das Produkt, das er so schätzt. Und das kann sich durchaus sehen lassen. Selbst dem gewohnt neuheits-kritischen Österreicher, der lieber sein Märzen umklammert, statt zu neuem Bier zu greifen (mit englischen Namen auch noch!), hat man bei den Cultur Brauern etwas eingepackt.
Kreativbier für die Lager-Fraktion
Denn neben den drei kräftigen Bockbieren aus Eggenberg (in Kürze: Weinbrandpraline, cremig, viel Nuss-Aroma), Zwettl (Pumpernickel und Eiskaffee) und dem Zillertal (Waldhonig und Orangenzeste) findet sich das Hopstar. In Murau hat man eine Art österreichische Antwort auf IPA und Hopfenstopfen gebraut. Hallertauer Tradition und Magnum geben das hopfen-satte Aroma. Der Clou dieses 5,7% Alkohol-Biers liegt aber daran, dass es behutsam an die neue Bierwelt heranführt. Der Lager-Trinker erkennt die Grundaromatik, an den Intensitätsreglern wurde aber kräftig gedreht. Waldhonig, Cornflakes, Sauerampfer (durchaus positiv zu verstehen: herbal-säurige, grüne Note) erinnerten einige an Tee. Am Gaumen ließ das Murauer tatsächlich an Jasmintee denken, die herbe Aromatik war da, ein wenig Blumigkeit und grüne Frische. Zarte Vanillenoten merkte man erst mit dem Essen, als auch das Malz stärker in den Vordergrund trat (im „Hill“ servierte man Lungenbraten in der Mandelkruste).
Neben dem Hanf-Bier aus Hirt finden sich zwei im Trinkprotokoll.at schon vorgestellte Bier in der kreativen Neuner-Einheit: das Schremser Roggen Karl Trojans und das Trumer Hopfenspiel. Die Freistädter Brau-Commune wiederum hat ihr an Nuss-Schoko und Geselchtes erinnerndes „Smoked“ eingepackt, das mit Rauchmalz gebraut wurde. Die Selchnote ist – etwa mit dem bekannten Bamberger Rauchbier verglichen – dezent ausgefallen, die cremig-süße Art macht es zu einem spannenden Bier, zu dem Thomas Göls eine geniale Entsprechung fand: Butter-Brösel.
Gsiberger Eleganz: Mohren Pale Ale
Die zweite Überraschung, auch hier durch die Eleganz eines an sich eher üppig-aromasatten Stils hervorgerufen, lieferte das Vorarlberger Craft Beer. Die Mohrenbrauerei hatte ihr Pale Ale beigesteuert. „Mango pur“ ist der erste Eindruck, das macht der Cascade-Hopfen (neben Perle und Taurus im Einsatz), mit dem die Vorarlberger ein nur auf den ersten Blick, bzw.: Schnupperer, konventionelles Pale Ale kreiert haben. Denn zu den an Safran und gelbe Kiwi erinnernden Duftnoten kommt eines nicht dazu: Bitterkeit. Denn so tropisch, wie dieses Mohren riecht, erwartet man förmlich die bittere Klatsche am Ende. Aber, Fehlanzeige. Auf einen saftigen Antrunk und eine zischige Kohlensäure folgt hier wieder viel Tropenfrucht, Mango und Pink Grapefruit, ein wenig auch ein etwas erdigerer Ton, der an gelbe Linsen erinnert. Ganz zart nur meldet sich die Bittere im Abgang, hier wurde erstaunlich präzise gearbeitet, als würden sie in Vorarlberg schon immer mit diesem Stil arbeiten.
Und das Beste daran: Fast in jedem Supermarkt findet man jetzt dieses Einsteigerset in die neue Bierwelt (oder die wiederentdeckte alte, um mit Karl T. Trojan zu sprechen).
Bezugsquelle:
Cultur-Brauer, Craft Bier-Box (9 x 0,33 Liter) ist um EUR 17 im EDITION-Shop erhältlich, https://shop.diepresse.com
Mohren, Pale Ale gibt es um EUR 4,80 in der 0,75 Liter-Flasche, www.mohrenbrauerei.at