Würde man den österreichischen Weinbau nur durch Wachauer Riesling-Smaragd kennen, wäre das wohl kein komplettes Bild dessen, was Winzer hierzulande schaffen. Mit einer analogen Situation hat es aber Kellermeister Patrick Honnef zu tun, wenn er die Weine des Château Mukhrani präsentiert. „Georgien? Kenn ma scho‘!“, wäre die wienerische Version davon. Denn dass das Land zwischen Kaukasus und Schwarzem Meer die Wiege des Weinbaus (8.000 Jahre ist das her) ist, hat sich rumgesprochen. Und dass man dort Trauben samt Schale und Stängeln gerne in Amphoren vergräbt auch. Manche finden das interessant, andere fürchten diese Methode als atavistisches Ansammeln von Fehltönen.
So oder so hat es der Deutsche nicht leicht, der für Schlumberger-Eigentümer Frederik Paulsen (dem auch der Single Malt Torabhaig, US-Whiskey Watershed oder Mamont Vodka gehören) Château Mukhrani führt. Denn alles, was der Westen „weiß“, bezieht sich auf Kachetien, das Weingebiet im Osten Georgiens. Er selbst vinifiziert aber nahe der Hauptstadt – „40 Minuten sind es nach Tiflis“ – in Zentralgeorgien. Das alte Weingebiet wurde in der Logik der Sowjet-Kolchosen vor der Unabhängigkeit auf die Erzeugung von Sekt-Grundweinen reduziert. Das passt, denn die Reben wachsen auf rund 600 Metern Seehöhe und bilden auch ordentlich Säure aus – heutzutage ein Vorteil, wenn man denn davon wüsste.
„Auf Georgien hat keiner gewartet“, ist der zuvor in Frankreich (für Stephan Neippergs Château d’Aiguilhe) tätige Honnef Realist. Weshalb er auch weiß, dass die wenigen, die den Weingut-Standort Gori kennen, es mit der Biographie Josef Wissarionowitsch Stalins verbinden – das Museum für den Sowjetdiktator ist eine der Attraktionen der Stadt. Während der Verkostung im Wiener Café Ansari spricht man daher lieber von „Shida Kartli“. Der Name der Region ist immer noch bei russischen Weintrinkern geläufig, „es ist weiterhin der größte Markt“, so Honnef. Dabei gäbe es bei 520 Rebsorten in Georgien weit mehr zu entdecken. Dank der Geduld und des Kapitals des Milliardärs hat man auch acht wieder rekultiviert.
,Ihnen gehört die Zukunft. Doch aktuell werden auch die „orangen“ Amphorenweine, lokal nach dem Gefäß „Qvevri-Weine“ genannt, gefüllt. Doch das ist mehr eine Pflichtübung, um dem Westen „jene vielleicht 4% der georgischen Produktion“ (Honnef) zu liefern, die er kennt. Château Mukhrani macht aber ganz andere Weißweine. Der am stärksten mit der Herkunft „Kartli“ verbundene ist wohl jener der Sorte Goruli Mtsvane, der den Ort Gori und die Farbe („grüner“) im Namen trägt. Hier spielt zwar auch noch eine zweite Sorte mit, doch die Chinuri-Traube kommt in Form eines „field blends“ zum Einsatz. Es wird also gemeinsam gelesen und später ein leichter und trinkanimierender Wein (12,5% vol) gekeltert.
Frisch riecht dieser erste Gruß aus Georgien, ein Touch Schwimmbad ist anfangs dabei, dann aber auch die harte Schale brasilianischer Limetten, die einen grünen und frischen Zug einleiten, in dem auch viel Kräuter Platz haben. Zitronengras dürfte in diesem Sammelkörbchen dabei gewesen sein. Und alle Sauvignon Blanc-Freunde werden sich freuen. Die feine Säure und der grasige Touch haben auch im Kostschluck das Sagen. Zarte Kiwi-Töne, Brennnessel-Spinat und eine gar nicht so entfernte Ähnlichkeit mit der Einstiegsqualität des Sancerre machen Spaß. Zumal auch eine leichte Süße (Extrakt! Wir halten bei drei Gramm Restzucker.) mitwirkt am Geschmackseindruck eines Weines, dem man nur eines vorwerfen könnte: Dass er fast zu leicht ist nämlich. Der Ausklang nach „Granny Smith“ bringt noch etwas Gerbstoff mit, aber das ist nur eine leichte Stütze für diesen Wein, der genau in die Zeit passt. Ein nicht unterfordernder, aber leichtgängiger und sehr zugänglicher Schluck.
Aus der Paradesorte des Weinguts, dem Saperavi, wurden zwei Weine im Vergleich präsentiert. Der aktuelle 2021er „Saperavi Supérieur“, der 18 Monate reifen durfte. Davon kamen 40% ins Holzfass, diesfalls bereits größere Fässer als in der Vergangenheit. Das wird noch wichtig werden. Denn zum Vergleich gibt es dann einen vier Jahre älteren Sortenvertreter. Doch wir kosten Jung auf Alt und daher kommen erst getrocknete Erdbeere und reife Herzkirsche des 2021ers an die Nase. Kochschokolade und Maulbeere liefern die dunklere Seite dieses Weines. Eine feine Bitterkeit schwingt dabei mit – man darf an Assam-Teeblätter vor dem Aufguss denken. Der Kaffee-dunkle Hall zeigt aber noch an, dass hie Warten angezeigt ist. Denn Gerbstoff gehört zu den Kennzeichen der georgischen Traube. Und hier ist das Tannin, irgendwo zwischen Traubenkernen und dunkel geröstetem Kaffee, sehr ausgeprägt.
Was man hingegen schön antrinken kann, ist der 2017er Saperavi namens „Réserve Royal“. Auch er braucht Luft, Dekantieren aber bringt einen Mix aus Piment, Sauerkirsche, Schwarzen Nüssen („Johannisnuss“) und auch Lakritze zum Vorschein, Das alles riecht recht dunkel und intensiv, zumal auch 80% neues Holz im Spiel bei der Reifung waren. Allerdings überrascht die „Réserve Royal“ am Gaumen mit ihrem geschmeidigen Eindruck. Man kann hier beim Umbau zusehen. Vorne ist bereits eine sehr elegant, würzig verbrämte Fruchtigkeit da. Ab der Gaumenmitte darf dann der Gerbstoff zeigen, dass man Saperavi im Glas hat. Doch sind es eher die röstigen Noten als wirkliche Bittertöne, die sich einstellen. Das passt in diesem Fall nicht so schlecht, weil vorne mit Granatapfelkernen und dunklen Beeren auch säurige Akkorde mitspielen.
Der nach Blut und Graphit schmeckende Hall ist daher auch mehr Versprechen, als Störung. Dieser Wein, so hätte man früher geschrieben, „besitzt sicheres Potential“. Wobei er als Steak-Begleiter schon diesen Herbst beeindrucken wird. Alles, wo Pfeffer im Spiel ist, kommt dem reich ausgestatten Wein entgegen, für den man anderswo locker den doppelten Preis verlangen würde. Am Verkost-Tisch klingt Barbaresco als Vergleich an und das ist nicht so verkehrt, wenn man Tannin und eine gewissen breitbeinige Rustikalität darunter versteht.
Die Überraschung im Ansari lieferte dann aber doch ein in Qvevri ausgebauter Wein. Und Patrick Honnef ließ durchblicken, dass das Ergebnis nach fünf Monaten Maische-Standzeit auch das Weingutsteam überrascht hatte. Ins Glas kam der 2020er „Qvevri Red“, eine Cuvée aus 70% Saperavi, 10% Cabernet und weiteren roten Trauben (darunter einst ausgesetzte internationale Sorten). Auch hier darf der Gerbstoff der georgischen Sorte ordentlich Rabatz machen; schon in der Nase ist der leicht herbe „Bockshörndl“-Touch da (hochsprachlich: Carob), getrocknete Sauerkirsche ist auch zu riechen, etwas Hefe und Gewürzpaprika. Ungarn-Touristen wird dieser Duft des Cabernets an „Erös Pista“ erinnern.
Intensiv und druckvoll kommt der Rotwein auf die Zunge. Getrocknete rote Früchte und Gerbstoff sind ein banaler erster Beschreibungsversuch. Dahinter aber wird es äußerst saftig. Die geschliffene Form des Tannins dreht sogar die gewohnte Reihenfolge um. Herb ist der „Qvevri Red“ vorne- Hinten hinaus wird er immer geschmeidiger. Granatapfel und Sauerkirsche, aber auch etwas Brombeere sind die Eindrücke. Die umso fruchtiger und zugänglicher werden, je mehr man dem Wein Luft und Zeit gibt. Und das, so die Conclusio aus dem Mukhrani-Tasting, sollte man generell mit den Rotweinen des Hauses machen. Es lohnt sich nämlich.
Bezugsquelle:
Château Mukhrani, Goruli Mtsvane 2022 kostet EUR 12,55 (0,75-Liter-Flasche), der Saperavi „Réserve Royale” 2021 ist um EUR 25,60 zu haben und der „Qvevri Red“ 2020 um EUR 25,90 – alle Weine bei P. M. Mounier, https://mounier.at