Einen Vorgeschmack auf die Weine von Arista gab vor rund einem Jahr bereits die „Hausmesse“ von trinkreif, dem europäischen Partner des kalifornischen Weinguts. In den damaligen Trinkprotokollen (hier zu finden) war es der „Ferrington Vineyard“, der besonders in Erinnerung blieb. Diesmal legte man das Tasting nicht nur breiter an, es war sogar Mark McWilliams persönlich, der durch die Weinwelt rund um das Green Valley führte. In der speziellen Wein-Geographie von Sonoma County befindet sich das Tal westlich des Highway 101. Und es war jener Teil, den man lange „für zu kühl und zu feucht für den Weinbau“ hielt.
Ein wichtiger Satz fällt da in Wien gleich zu Beginn der Probe von acht Weinen. Denn damit wird klar, dass man es nicht mit den Holz-Marmeladen zu tun hat, die es einst aus Kalifornien auch gab. Von ihrem Image wird die heutige Weinmacher-Generation, die Eleganz über alles liebt, immer noch gebremst. Bei Arista ist das ein wenig anders. Denn „85% unserer Produktion gehen an Privatkunden“. Dass es eine kleine Menge für Österreich gibt, ist also die Ausnahme. Und noch kommt man auch ohne Subskriptionslisten aus wie manch bekannter Nachbar (Williams Selyem etwa). Und selbst mancher Rotwein des Familienweinguts liegt beim Alkohol mit 13,2% vol. unter österreichischen Verhältnissen – um es nur einmal auf das Technische zu reduzieren.
Mark McWilliams Familie begann auch nicht gleich 2002 im Green Valley; die Winery aber befindet sich bis heute im Russian River Valley, der Nachbarregion. Dort, wo auch Städte noch Sebastopol heißen, hatten lange russische Pelzhändler das Sagen, als Kalifornien noch kein Teil der USA war. Heute erweist sich die Wasserversorgung vor allem bei einem der Bodentypen der Gegend, dem Lehm, als Segen für die Reben. Der zweite Teil der Arista-Weingärten bzw. ihrer Traubenlieferanten steht auf Sandstein-Verwitterungsböden. „Almost like white powder“ sei dieses Terroir, so Mister McWilliams zu den „Goldridge“ genannten Formationen.
Zweigeteilt ist das junge Boutique-Weingut (rd. 6.000 „cases“ zu 9 Litern beträgt die Jahresproduktion) auch bei den Rebsorten. Chardonnay macht zwei Fünftel der Weine aus, den Rest stellt der Pinot Noir. Wobei ausgerechnet unser Lieblingsweißwein der vier eingeschenkten Proben längst vergriffen ist. Der Russian River Valley 2019 stellte eine nachgerade verführerische Mischung aus schmelzender Ghee, tropischen Anklängen von Mango, reifen Pfirsichen und der buttrigen Geilheit eines Croissants, das die Finger fettet, dar. Man war auf diesen Chardonnay-Jahrgang „very proud“, erinnert sich der Weingutsbesitzer. Gemeinhin hält man aber den Jahrgang 2021 für den noch besseren.
Was zu einem interessanten Vergleich führte, denn die junge Sommelier-Generation sprudelte vor Lob für den „Russian River Valley“ 2021 förmlich über. Dabei fehlte ihm genau die schmeckbare Extra-Note des 12-monatigen Barrique-Ausbaus als „extra layer“. Als hätte man eine Manner-Schnitte ohne Creme vor sich! Denn so verführerisch der Duft nach Zitronenblüte, Honig und dem typischen „lemon balm“ guter Chardos aus dem Holz wirkte. Die Komplexität des Geruchs, in dem auch Safran und Grüne Mango mitschwangen, löste er am Gaumen nicht ganz ein. Das mag an der Jugend liegen, aber auch am kühleren Jahr, das Gelbe Kiwi und attraktive, blumige Eindrücke mitbringt. Weißer Pfeffer liefert praktisch im Alleingang die Würze, weshalb vor allem das Finish weniger nachdrücklich ausfällt als beim 2019er. Der war schlichtweg ein edler „Saft für Erwachsene“ in seiner zart molligen Schönheit.
Doch genug der Weißwein-Vergleiche. Denn die wahre Meisterschaft liegt bei der McWilliams-Familie ohnehin beim Pinot Noir. Hier gab es auch einen kleinen Einblick, welch großen Aufwand man für die Mini-Mengen treibt. Optische Sortieranlage und Bewässerungssensoren für jeden (!) Weinstock, wie man das auch aus Israel kennt, sind die technische Seite hinter Weinen wie dem Pinot Noir „Russian River Valley“, die allesamt auch nur mit Naturhefe vergoren werden. Das zart getrübte Karminrot des 2018ers als ältestem Jahrgang der Probe wird von einem deutlich würzigen Duft begleitet. Rosa Pfeffer, etwas Kerbel und Rote Rübe als saftige Komponente des Duftbilds (aber ohne Erdigkeit!) bauen einen Spannungsbogen auf: Wann kommt die Frucht?
Nun, sie lässt sich weiter Zeit, denn der erste Schluck bring zunächst eine Fortsetzung des Geruchs. Die schöne dunkle, würzige, Seite des Pinot Noir geht dann in die Fruchtigkeit über. Rote Beeren und Weichsel werden von Grünkaffee mit einem letzten Rest Gerbstoff attraktiv umspielt. Das Finale ist dann typisch Burgunder: Leichte Säure, ein animierendes Bitterl und kühle rote Früchte sind allesamt vorhanden.
Der Vergleich dazu zeigt, dass Mark McWilliams‘ Liebe zum Jahrgang 2021 nicht von ungefähr kommt. Hier ist das klar der bessere Weine, wenn man Typizität eines Pinot Noir sucht. Der „Russian River Valley“ 2019 hat schon optisch mit seinem opaken Hellrot die Nase ein wenig vorn im Zweier-Flight. Die offene Nase bietet vertraute Noten von hellem Kirschsaft und sogar Papaya. Ein Alzerl Carob (=Bockshörndl) liefert dagegen den herben Widerpart. Beides passt zum Burgunder, beides braucht er zum Spannungsaufbau. Im Mund überrascht dann nämlich die überaus saftige Art, die feine Note nach Schwarzen Nüssen erzählt von der noch jungen Tannin-Struktur, während daneben säurige Beeren flüstern: „Auch wir sind noch knackig“. Der Geschmack von Ribisl und Weichsel lässt alle Facetten – außer Fruchtsüße – aufblitzen. Spätestens mit diesem Wein ist das letzte Vorurteil gegen „oaky“ Rotweine, auf deren Genussreife man ewig warten muss, widerlegt. Dieser Kalifornier ist nicht nur schön zugänglich, sondern nachgerade trinkanimierend!
Es kommt aber noch mehr aus dem 2021er Jahrgang. Zum einen der nur wenige Kilometer vom Pazifik entfernt auf 350 Meter wachsende „Lucky Well“. Dieser Pinot Noir wurzelt in einem Landstrich, den man „Occidental“ nennt und er ist in der Tat westlich kühl. Tee-artiger Duft, den Assam-Freunde kennen, zeigt das sofort an. Dunkle Kirsche, die beinahe an Hauszwetschke anstreift in ihrer Aromatik, ist auch zu riechen. Dazu etwas Tannenreisig. Das ist eine andere Nummer als der „Russian River“, vor allem auch durch mehr Holzeinsatz „verdunkelt“ in der Jugend. Geschmacklich sorgt er für enge Räume, die an dunkle Beeren – vorzugsweise Heidelbeere – und etwas Kaffeesatz erinnern. Das zarte Bitterl hat noch einen Vorsprung gegenüber den subtileren, an Hibiskus und Vogelkirsche erinnernden Noten. Doch eines zeigt der „Lucky Well“ trotz seiner Jugend: grandiose Spannung am Gaumen.
Eine weitere Variante des unerschöpflichen Burgunder-Themas in Rot liefert dann der „Kanzler Vineyard“. Ihn schätzt auch Pinot Noir-Macher Ted Lemon (hier vorgestellt im Blog des Vertrauens) von Littorai. „Er würde ihm gerne eine eigene Klassifikation geben“, so Rieden-Nachbar Mc Wiliams. In der Tat fällt dieser 2021er aus dem Rahmen. Richtiggehend blumig fällt der Erstkontakt aus – die Nase vermeint Wildrosen und Malve zu riechen. Erst dahinter kommt hier mit Tintenblei und zermörsertem Piment die herb-würzige Seite des jungen Burgunders zum Vorschein. Hier sind dann beide Fruchtfarben am Werk im Mix aus roten und schwarzen Beeren. Reife Johannisbeeren liefern letztere Eindrücke, eine lebhafte Himbeernote bringt die säurige Frische ein.
Auffallend und einzigartig im Vergleich der vier Pinots ist aber die dezente Eukalyptus-Anmutung. Sie durchpulst diesen Arista voller Frische. Dass auch die Tannin-Struktur von all den 2021er am schönsten ausfällt, merkt man an der lang nachklingenden Würzigkeit, die kaum an den Ausbau im Holz denken lässt. Der erfolgt übrigens zu 15% in österreichischen Fässern – der Name „Stockinger“ geht dem Kalifornier nahezu perfekt über die Lippen. Was einem aber dem Winzer, der so einen „Kanzler“ füllt, nicht weiter wundert.
Bezugsquelle:
Arista Winery, Chardonnay „Russian River Valley“ 2021 kostet EUR 80, der Pinot Noir „Russian River Valley“ 2018 bzw. 2021 ist ebenfalls um EUR 80,- zu haben, während der Pinot Noir „Kanzler Vineyard“ 2021 EUR 120,- kostet – alle exklusiv über Trinkreif, https://trinkreif.at