Ging es in Teil 1 (hier!) der acht Fass-Stärken, die heuer die Special Release-Serie Diageos bilden, um ungetorften Whisky, zeigte das zweite Quartett Power und Smoke. Es ist dieser Teil, der von der Community immer am stärksten erwartet wird, wenn die jährliche Serie vorgestellt wird. Vor allem Lagavulin und Talisker in etwas experimentellerer Form, als sie die Standard-Abfüllungen aus Schottland darstellen, zählen ja auch zu den Dauergästen in dieser Reihe. Und entsprechend aufmerksam war das Kenner-Publikum, das Markenbotschafter Florian Mittendorfer im Wiener Palais Coburg vor sich hatte.
Mit einem Prozent „peated malt“ in der Malzschüttung gehört Oban sicher nicht zu den Rauchmonstern. Dennoch durfte er die Serie der kräftigen Vier einleiten. Der „10 years“ der heurigen Serie stammt dabei aus Fässern, die mit Oloroso Sherry „mariniert“ wurden. Leider lässt sich das englische „seasoned“ kaum besser übersetzen; die aus amerikanischer Eiche gefertigten Holzgebinde wurde aber eben nur für kurze Zeit als Sherry-Gefäße verwendet. Entsprechend länger braucht die Süße, um im Duft des Oban wirken zu können. Doch sie ist zweifellos da. Apfelstrudel, inklusive Rosinen und Zimtabrieb, ist zu riechen, wobei die merkliche Kraft der 58% vol. immer wieder ziemlich „funky“ querschießt.
Am Gaumen überrasche die recht viskose Art dieses Whiskys; er ist zum Beißen dicht und erinnert auf einmal geschmacklich an einen Keks mit gesalzenem Karamell, wie ihn Coffee-Shops gerne zu ihren Cold Brews und Co. anbieten. Mit dem bei diesen Brennstärken für uns obligaten Tröpfchen Wasser nimmt der fruchtige Teil an Fahrt auf. Apfel und Birne schimmern heller durch, auch der salzig-pfeffrige Hall hebt sich deutlich als „zweiter Akt“ des Oban – passender Beiname: Coastal Orchard – ab.
Dürften wir nur einen Liebling aus den acht „Special Releases“ 2024 picken, dann wäre das zweifellos der heurige Talisker. Zwar ist er ein acht Jahre alter Single Malt, der auch in Sachen Fass wenig experimentelle Behandlung erfuhr, aber der Duft der Fass-Stärke (58,7% vol.) hat alles, was es an „smoky“ Whisky zu lieben gibt. Rauchchili pur, dazu sinnlich präsentes Meersalz, vor allem aber eine Grüne Paprika, die so intensiv ist wie bei einem Sancerre, bilden das Duftbild. Für Whisky-Gourmets ist auch eine leichte Schwefel-Note präsent.
Im Mund verbinden sich Noten von Rauhleder und Pasilla-Chili zu einem kantigen Mix. Das Kunststück schlechthin ist aber, wie der Alkohol bei diesem Talisker („Tidal Churn“ genannt) versteckt wurde. Denn er ist einer der wenigen „drams“ im Palais Coburg, der locker auch ohne Wasser funktioniert. Ein wenig dürften da auch die Fässer mitgespielt haben, die neu ausgekohlt wurden. Darüber herrscht Einigkeit. Was man bei Diageo aber mit dem Terminus „stone-spun“ meint, blieb Gegenstand der Spekulation. Am wahrscheinlichsten dürfte eine Art Aufrauhen/Abschmirgeln mit Steinen vor dem Toasting sein. Sei es, wie es sei. Der Talisker 8 years selbst ist ein Leckerbissen für Fortgeschrittene!
Und der Whisky von der Insel Skye schlug hier sogar den Vertreter von der „Torf-Insel“ Islay. Zudem war der Lagavulin noch dazu vier Jahre länger gereift. Allerdings ist auch er nachgerade klassisch unterwegs, erstbefüllte US-Fässer und wiederbefüllte Gebinde gaben dem 57,4% starken Single Malt die finalen Noten mit. Das Ergebnis hat Anklänge an helle und dunkle Nougat-Pralinen zu bieten, aber auch eine kräftigere Gangart, die irgendwo zwischen Rum-Creme und einer mittelkräftigen Zigarre liegt. Auch hier wird es mehr pikant als eindimensional rauchig. Der getrocknete und geräucherte Chili-Geschmack hat ebenfalls etwas von Grüner Paprika, in diesem Fall aber eher das Fruchtfleisch des Gemüses. Mit Wasser wird noch klarer, wo die Faszination dieses Whiskys liegt. Denn die rauchigen Noten wurde quasi nach hinten geschoben. Während die Nase kaum Islay-Smoke aufwies, ist der Nachklang ganz von den rauchig-ledrigen Noten geprägt. Allerdings auch hier ohne einen medizinalen Beiklang; viel mehr sind es leicht scharfe Jalapeño-Eindrücke, die von der Zunge beim 12 years empfangen werden.
Der polarisierende Schluck des Abends allerdings kam nicht von den Inseln, sondern aus Dufftown. Ein Mortlach ohne Altersangabe, der aber außergewöhnliche Fässer gesehen hatte, kam als „Midnight Dusk“ ins Glas. Das Finish lieferten zum einen Sangiovese-Fässer, noch spannender waren aber die Friulaner Gebinde, die sich zu den aus der Toskana kommenden Fässern gesellten: Ramandolo ist als weißer Süßwein eher nur Italien-Experten bekannt. Und doch brachte er eine unglaublich intensive Note ein. Technisch war dieser extreme Ausdruck bemerkenswert, doch nicht jeder goutierte den fruchtsüßen Duft beim angeblichen „Beast of Dufftown“. Die Alkoholstärke wurde von der an Tokajer erinnernden Süße der Marke kandierte Orange überformt. Bisweilen schrammte dieser Duft – aus Kraft und intensiver gelber Frucht gebildet – hart an einem Jamaika-Rum der „high ester“-Abteilung vorbei, die man auf der Karibikinsel unter „Continental Flavoured“ kennt.
Der Geschmack wird dann noch extremer; hier ist es eine ausgeprägt süße Maracuja, die den Auftakt liefert. Der Rauch unterlegt diese zum Bersten volle Tropenfrucht in einer spannenden Weise. Sie verbinden sich nie ganz, was ein kleiner Wermutstropfen des Mortlach war. Allerdings kommt eine an süßen Speck erinnernde pikante Karamell-Rauch-Note durch, die im Abgang dann in eine pfeffrigere Schlussnote mündet. Penja-Pfeffer, der trocken geröstete oder frisch gemörsert wurde, hinterlässt hier seinen Geschmack. Doch die aberwitzige Note dieses „alterslosen“ Whiskys ist zweifellos die exotische und tiefgreifende Frucht des Ramandolo. Auch wenn sie nicht jeden Mortlach-Fan überzeugte, da vom fleischsaftigen Umami-Stil der Brennerei wenig übrigblieb: Genau für solche Experimente, die wirklich Neues in die Flasche bringen, gibt es die „Special Releases“. Da darf 2025 gerne weiter „gesponnen“ werden!
Bezugsquellen:
Oban, 10 Years Old „Coastal Orchard“ (=Special Release 2024) wird um EUR 129,90 angeboten;
Talisker, 8 Years Old „Tidal Churn“ (=Special Release 2024) kostet EUR 99,90;
Lagavulin, 12 Years Old „Fireside Tales“ (=Special Release 2024) ist um EUR 199,90 erhältlich – alle drei im Rumzentrum-Webshop, www.rumzentrum.at
Mortlach, „Midnight Dusk“ (=Special Release 2024) kostet EUR 290,- bei whisky.at, https://at.whisky.de