Wahre Rum-Liebhaber kamen von weit her nach Wien-Simmering. Zum einen hatte der Gast im Kostzentrum von Del Fabro-Kolarik ja eine noch weitere Anreise: Osmany Cardentey war aus Kuba angereist. Vor allem hatte er aber die „Icónica“-Kollektion von Havana Club mitgebracht. Für uns war es eine Art Déjà-vu – sieben Jahre ist es her, dass ein weiter Maestro Ronero diese Rums für uns erklärt hatte. Manuel Calderon gehört der gleichen raren Spezies an wie Señor Cardentey (kl.Bild rechts). Sie alle sind für die komplexen Blends in San José de las Lajas verantwortlich. Dort entstehen alle „dunklen“ Rums des Hauses, also alle, die nach den ersten 18 Monaten Basis-Reifung noch länger als weitere 18 Monate reifen. Denn die drei Jahre alten Rums sind die Spezialität der Schwester-Destillerie in Santa Cruz del Norte. Von hier kommen auch die hochprozentigen „destillados“, mit denen die bereits 24 Monate gelagerten „aguardientes“ zur Rum-Basis vermischt werden.
Diese unterschiedlichen Mischungen, die gereifte und ungereifte Destillate verschiedener Brennstärken kombinieren, liefern z. B. die „base oro“. So nennt der Rummeister eines der Grundrezepte, das dann in die längere Reifung im US-Weißeichen-Fass geht. Die kubanische Reifung ist damit deutlich komplexer als die gerne in Mittel- und Südamerika praktizierte Solera-Methode. Und man ist stolz auf dieses „envejecimiento continuo“, die kontinuierliche Reifung, die auch UNESCO-Weltkulturerbe wurde. Entsprechend leidenschaftlich wird der Weg von der ersten Vergärung auf 7% vol. bis zum gereiften „aguardiente“ im Verkostzentrum auch geschildert. Daneben gibt es aber immer wieder Wissens-Nuggets vom Kubaner. So klärte sich auch das Alter einer der besten Abfüllungen des Hauses – der „Selección de Maestros“.
Sie ist seit jeher eine Preis-Leistung-Spirituose und zudem mit 45% vol. kräftiger als die per Gesetz leicht (unter 41,5% vol.) gehaltenen Kuba-Rums. „Neun bis zehn Jahre“, so Osmany Cardentey ist diese Selektion besonders gut gereifter Rums in der Regel alt. Nuss, Mandelcreme und Schokolade-Mousse beschreiben die erste Nase dieser Köstlichkeit gut. Mit mehr Luft wird es dann sogar „österreichisch“ – dann wabert ein Schwall von Punschkrapferl-Glasur aus dem Rum-Glas. Der erste Schluck der „Selección“ ist pure Seide, extrem „smooth“ gleitet der süße Film von Nougatschoko über die Zunge. Wer Milka-„Naps“ als Kind geliebt hat, wird als Erwachsener vielleicht noch Fan dieses Rums. Denn ebenso sanft und schokoladig schmeckt diese Abfüllung. Einziger Unterschied, der aber im Finale klar schmeckbar wird: die Nachklänge von Kardamom machen klar, dass es sich hier doch um kein Plüschtier kubanischer Fabrikation handelt. Die Würzigkeit hat er sich für den Schluss aufgespart. Es ist die bessere Art, mit Süße zu beginnen und so zu enden. Das zeichnete die besten Kuba-Rums aber immer schon aus.
Doch es geht weiter. Neu ist nämlich eine explizite Altersangabe, die neben dem „weißen“ drei-jährigen Havana Club und dem „7 years“ steht. Zumindest dem Namen nach. Aus dem „Añejo 15 Años“ wurde der „Gran Reserva 15 years“. Er hat dabei nicht nur eine edle Flasche abbekommen, sondern auch mächtig viel Holz und gegenüber unserer alten Trinkprotokolle (siehe hier) auch eine andere Rezeptur. Die erste Nase erinnert nun an Cognac, ehe sich die Honig-Salzmandeln und Eichen-Noten über den Zwischenschritt eines „Speculoos“-Kekses in Richtung süßerer Duftnoten wandeln. Dieses „morphing“ bringt dann über dem Glas auch eine schöne Dosis kalten Kaffees an die Nase. Ähnlich lässt der neue Rum dann auch am Gaumen eine feine Süße aufblitzen. Der „15 years“ wird aber im Trinkverlauf immer trockener, wieder schmeckt man Kaffee, der diesmal auch Bisquit-Teig zur Jause mithat. Der feine Würze-Ton von Piment und mehr noch Muskat rundet den „Gran Reserva“ ab. Ganz klare Lehre: Den muss man im Glas kommen lassen! Aber schließlich ist ein echter „15 years“ auch eine Ansage.
Die Gegenposition dazu vertritt ein Rum, der so angeblich nicht mehr erzeugt wird, aber seit Jahren (bitte gern hier nachlesen!) schon zu unserem Lieblingen gehört. Der „Unión“ bringt nicht nur im Duft reichhaltige Kokoscreme-Akkorde mit. Fast wie eine Dessert-Creme, die der Patissier aus Vanille, Nougat und Kokos geschlagen hat, legt sich dieser für Cohibas Prestige-Zigarre „Siglo VI“ kreierte Rum auf den Gaumen. Schmelzig und mit feiner Süße wie „Toffifee“ ist dieser Havana Club, auch das mit den Nuss-Noten passt. Der Nachklang hat dann den Geschmack einer wirklich guten Mousse au Chocolat. Großes Kino!
Und was geht da noch drüber? Preis-mäßig der „Máximo“, den der ist nach wie vor Fidel Castro selig gewidmet, dem „máximo lider“. Es gibt nur 1.000 Flaschen jährlich davon, es sind allerdings Halbliter-Flaschen, was die Weltproduktion auf ein paar hundert Liter beschränkt. Da anderthalb Zentiliter zu schlürfen – weil schnell trinkt man derlei nicht! – hat schon was. Dazu bleibt abseits der Preis-Diskussionen zu sagen: Es ist ein Rum, den man auch nur schätzen kann, wenn man viel Rum getrunken hat. Nur dann wird man das subtile Spiel von Finesse und Power zu würdigen wissen. Pures Kokos und feine Limettenschalen-Gerüche spannen einen fast schon widersprüchlichen Duftbogen. Je länger man den Rum im Glas hat, desto feiner gesponnen ist dieses elegante Gespinst aus den ältesten Beständen von San José de las Lajas. Kaffee und Rosinen machen die ersten Eindrücke am Gaumen aus, wobei hier viel Tiefgang folgt. Überraschend am „Máximo“ ist ein Hauch von Säure, der wieder ein wenig an Limettenschale anklingt in seiner herben Grundierung.
Das Finale wieder hat einiges mit dem „Unión“ gemeinsam. Denn Schokolade bester Qualität schmeckt man auch hier, allerdings nicht als luftige Creme, sondern soliden Überzug eines Kekses. „Cereola“ hießen die einmal beim Großbäcker DeBeukelaer. Diese Mischung aus Schokoschmelz mit leichter Süße und nussigem Knistern fasst die weit reichenden Geschmacksgegensätze des „Máximo“ ein letztes Mal zusammen. Ein rares Vergnügen, für das man ein beherztes „Gracias“ nach Kuba schicken darf!
Bezugsquelle:
Havana Club, „Selección de Maestros“ wird um EUR 55 angeboten, „Gran Reserva 15 years“ kostet EUR 199,- und der ultra-rare und alte „Máximo“ kommt dagegen auf EUR 2442,-, alle Rums im Webshop von Feingeist, www.feingeist.at