Am Anfang standen die gemeinsamen Verkostungen von Nicolas Kröger und Reinhard Pohorec. Als Bartender ist es das Duo gewöhnt, aus einem vorhandenen Angebot an Spirituosen den idealen Schluck zu wählen. „Was aber wäre, wenn man ein perfektes Getränk zur Zigarre designen würde“, ließ Spirituosen-Produzent (Wagemut) Kröger aber eine Idee nicht los. „Wir haben ganz frei agiert“, ließ der Rum-Spezialist und Purist diesmal der Phantasie freien Lauf. Was brauchen die Rauchwaren, wenn man sich von Kategorien und Definitionen löst. Diese Frage war entscheidender als die Bezeichnung, die am Ende aufs Etikett kommt.
Geworden sind es nun drei Spirituosen, die als Aficionado Collection neben alten Rums auch Aromageber beinhalten. Kröger ist dabei transparent und hat vor allem in seinem Fundus an Fässern gekramt. Mit einer finalen Abrundung wurden die drei Abfüllungen noch spezieller. Wobei sie „sich nicht nur an Zigarrenfreunde richten – alle drei mußten auch pur überzeugen“. Für Anhänger des blauen Dunsts hingegen wurde eine simple Orientierungshilfe geschaffen: Zeig mir die Farbe des Deckblatts und wir wählen den Partner aus der „Aficionado Collection“! Denn die Namen „Connecticut Shade“, „Colorado“ und „Maduro“ sind Kennern wohl vertraut. Gut die Hälfte der Welt-Produktion an handgerollten Zigarren etwa trägt Deckblätter aus „Connecticut Shade“. Für Nichtraucher: Das sind die hellen Zigarren mit einem beigen „Teint“.
Kröger wollte diesen sanfteren Formaten einen gewissen Frischekick verleihen. Denn Säure hebt alle Aromen. So weit die Idee, die mit einem Leckerbissen aus Jamaica (19 Jahre (!) alter Rum umgesetzt wurde. Versetzt mit Marillen, die man im Rum ziehen ließ, erhielt diese Spirituose eine Nachreifung im Kastanien-Holz. Auch im Wein-Bereich schätzt man die cremige Süße, die dieses Holz etwa Chardonnays verleiht. In diesem Fall trifft der für „high ester“-Duft bekannte Jamaica-Stil auf die Sanftmut der Castanea sativa.
Der „Funk“ eines lange gereiften Jamaikaners ist im Duft des „Connecticut Shade“ unverkennbar. Und wir lieben das! Grüne Banane und Limettenschale irrlichtern durch den Duftraum über dem Wagemut-Glas. Allerdings schwingen – wenn auch deutlich dezenter – die Süße des Kastanienholzes und eine Steinfrucht-Note (Nektarine) ebenfalls im Duftbild mit. Der Geschmack des mit 42,8% vol. gefüllten Zigarren-Begleiters explodiert dann förmlich! Es geht in drei Richtungen: Jamaika-typische Würze, die hier an edelsüße Paprika erinnert, zweitens Mango als tropenfruchtiger Part und eine so im Rum noch nie zu findenden Säure. Sie ist das prägende Element der Frische des „Connecticut Shade“. Diese hat aber nichts Spitzes wie Zitronensaft, sondern erinnert stark an das Frucht-Säure-Spiel von Orangen. Definitiv ein hoch ungewöhnliches Getränk – wahrlich „one of a kind“!
Zum etwas dunkleren „farbigen“ Deckblatt alias „Colorado“ griff Maestro Kröger zu einem 18 Jahre alten Rum aus Barbados. Mit dieser Herkunft ist er besonders versiert. Doch diesmal wurde mit natürlicher Vanilleschote aromatisiert. Die Nachreifung im Mizunara Cask, dem sündteuren japanischen Holz, erfolgte als Lernpunkt aus dem hier vorgestellten Projekt Fasssprache. „Der Anteil der Laktone ist bei diesem Holz zehn Mal so hoch wie bei Eiche“. Aus der Sprache der Fassreifungs-Nerds übersetzt: Hier kann es schnell nach Kokos schmecken. Unser Spoiler Alarm: Tut es auch. Aber nicht nur. Zunächst erinnert der „Colorado“-Duft ebenfalls an einen „high ester“-Rum. Ausgeprägt ist im Geruch die exotische Note von Mango und Grüner Papaya. Ebenfalls ein Erbteil des Fasses ist die an „Bounty“ anklingende Schokolade-Kokos-Duftnote. Laktone? Ja, bitte!
Dieser Dufteindruck nimmt auch einiges vom Geschmack schon vorweg. Er ist beim sanftesten der drei „Aficionado“-Füllungen mundfüllend und doch sehr schmeichelnd. Eine Welle aus Patisserie-Eindrücken – neben der Vanille auch Haselnuss (geröstet und als Nougat-Praline) – prägt den Eindruck am Gaumen. Passend zur „Colorado“-Zigarrenfarbe geht es hier um Ausgewogenheit, könnte man sagen. Und auch: „Mission erfüllt“!
Malaga-Eis mit Wein-Echo: der „Maduro“
Der beliebteste Rum im Verkauf, lässt Nicolas Kröger durchblicken, ist aber Nummer 3. Der „Maduro“ hat eine kräftige Zahl (47,6% vol.) am Etikett stehen und ist doch vielleicht der schmeichelndste des Trios. Schon der Basis-Rum, der 20 Jahre bei Trinidad Distillers Limited (TDL) reifen durfte, steht für Balance bzw. Ausgeglichenheit des Alters. Hier stellt eine Dosis Pedro Ximénez-Sherry den zusätzlichen Aromageber dar. Gemeinsam wurde die auf Trinkstärke gebrachte Mischung in zwei besonderen Fässern veredelt. Die Sherry-Rarität Palo Cortado reifte in einem davon, was den weinigen Teil des PX-Sherry noch akzentuiert. Ebenfalls aus der Serie Fasssprache (erneut Leseempfehlung dafür!) hat Kröger seine Liebe zum Walnuss-Holz entdeckt. Außer Möbeltischlern verwendet es niemand, schon gar nicht zum Spirituosen-Reifen. Der „Maduro“ aber hatte dieses Privileg.
Damit breiten sich schon in der ersten Nase Milchkaffee-Duft, Weinbrand-Noten – vor allem Rosine und ein zarte Süße – sowie ein cremiger Nuss-Mix aus. Mit mehr Luft kommen dann die Würze-Töne von Eberraute und weiteren Alpenkräutern hinzu, während die Malaga- und Rosinen-Akkorde ebenfalls zulegen. Weich wie ein ungesüßter Eiskaffee entlässt der „Maduro“ dann eine breite Vanille-Spur am Gaumen. Der weinige Touch aus den Sherry-Fässern ist hier besonders gut zu schmecken: Man denkt an rote Beeren mit leichter Säure (Cranberrys vor allem), im Nachhall zeigt der einsetzende Speichel-Fluß uns wieder die weinige Seite dieses komplexen Opus‘ an. Ewig lang und sehr facettenreich ist dieser „Maduro“. Wobei der Zigarren-Fachbegriff Wort aus Spirituosen-Sicht wohl mit „reife Leistung“ zu übersetzen wäre.
Bezugsquelle:
Wagemut Aficionado Collection, „Connecticut Shade“, „Colorado“ und „Maduro“ sind jeweils um EUR 120,- (für die 0,7 Liter-Flasche) im Wagemut-Webshop erhältlich, https://wagemut.com