Es ist ein Umdenken im Gange in der heimischen Weinwelt. Oder zumindest sollte es so sein. Denn wenn die Zahlen stimmen, die wir diese Woche unter der Hand erhielten, sinkt der Rotwein-Absatz weiter. Minus 7% sind angesichts eines ohnehin bereits bestehenden „Sees“ in den Lagern keine gute Nachricht für Winzer. Es gibt dafür viele Gründe, man darf aber durchaus auch die Preis-Politik dafür verantwortlich machen. Womit wir von roten zu weißen Weinen und der Entwicklung der Steiermark kämen. Denn hier scheint es für die Lagenweine kein Limit zu geben, was die Ab Hof-Preise betrifft. Von diesen Filetstücken, teils steil und schwer zu bewirtschaften, gibt es halt auch wenig. Dass es aber auch kaum einen Ortswein unter 15 Euro gibt, darf als übertrieben gelten.
Das muss aber auch nicht so sein, wie das heute vorgestellte Weingut beweist. Denn Christian und Thomas Polz alias Primus haben selbst bei ihrem wichtigsten Riedenwein keinen Zweier vorne stehen. Es ist der Sauvignon Blanc aus der Lage Grassnitzberg. Diese Riede in Spielfeld trägt man sogar im Namen, offiziell tritt man als „Primus am Grassnitzberg“ auf, um Verwechslungen zu vermeiden. Die Reben der wichtigsten Steirer-Sorte wachsen hier auf Muschelkalk. Das merkt man auch; doch zunächst hat die strahlende Seite des 2021er aus der nach Osten gerichteten Kessellage namens „Grassnitzberg Stein“.
Dieser Sauvignon Blanc bringt die Passionsfrucht in reiner Form mit in seinem Duft – immer und immer wieder kann man an diesem säurig-fruchtigen Wohlgeruch schnüffeln. Und sich an der Nase flirrenden Tropenfruchtigkeit erfreuen. Ja, da steht jetzt drei Mal „Frucht“, doch wir sind auch Trinkprotokollanten und keine Aufsatz-korrigierenden Deutschlehrer. „Wos’s wiegt, des hot’s“, würde man in der steirischen Heimat des 2021er Jahrgangs stattdessen sagen. Und auch am Gaumen bricht sich der Maracuja-Ton die Bahn. Ein leichter Geschmack von Orangen-Fruchtfleisch verstärkt diesen süß-sauren Eindruck noch. Das würzige Element, für uns an Gelbes Currypulver anklingend, hat dann später seinen Auftritt. Im Hall zeigt der „Grassnitzberg Stein“ dann auch kalkig-kühle Töne, mit denen er an die Spielfelder Heimat erinnert. Vor allem aber dem Namen „Stein“ alle Ehre macht.
111 Jahre feiert eine andere Riede. So lange gehört die Lage Zieregg zum Polz’schen Familienbesitz. Und bei dieser berühmten Riede, hart an der Staatsgrenze, kann man nun schön die Unterschiede herauskosten. Nicht nur, weil der zweite Lagen-Sauvignon Blanc noch mehr Kalk als Untergrund aufweist, darunter auch den ganz alten Korallenkalk des einstigen Urmeers. Sondern, weil der ein Jahr ältere „Ried Zieregg“ zudem eine deutlich andere Nase aufweist. Hier sind die reifen Beeren-Töne auffällig, die fast schon an Schwarze Johannesbeere anstreifen, allerdings auch eine kräutrige Note wie von Wildthymian aufweisen. Extrem dicht wirkt das Aromenbild im Vergleich zum leichtfüßigeren „Grassnitzberg Stein“.
Die lange Reifedauer bei den Polz-Brüdern bringt es mit sich, dass man den komplexen Wein durchaus belüften sollte. Dann taucht auch ein Steinobst-Zug auf, der an reife Nektarinen erinnert. Überraschend wird man dann auch feststellen, dass der mit „nur“ 13,5% Alkohol gefüllte Sauvignon Blanc mit seiner hohen Reife auch mit einer ziemlich markanten Säure versehen ist. Sie bringt dann auch hier einen Touch Maracuja auf die Geschmacksknospen. Der reife Fruchtcharakter bettet darüber aber eine wohlschmeckende Tuchent. Man braucht kein Prophet zu sein um zu wissen, dass sich diese beiden Gegenspieler noch irgendwann innig umarmen werden. Dazu braucht es nur ein paar Jahre. Und einen (oder lieber mehrere) rechtzeitig eingelagerte(n) „Zieregg“ 2020.
Bezugsquelle:
Primus am Grassnitzberg, Sauvignon Blanc „Grassnitzberg Stein“ 2021 kostet EUR 17,90, der Sauvignon Blanc „Zieregg“ 2020 ist um EUR 29,90 zu haben, beide ab Hof bzw. im Online-Shop der Steirer, www.primus.cc/shop/