Fast schüchtern steht er im Wein&Co am Schottenring, der 77-jährige Joel Peterson. In den USA, vor allem in Kalifornien, ist dieser Mann, der so bescheiden Wein ausschenkt, eine Legende. Nicht nur wegen seines kommerziellen Erfolges: „Als ich 1976 begonnen habe, haben wir 224 cases Wein gemacht, als ich verkauft habe, waren es 400.000“. Das Kunststück gelang Mister Peterson mit Ravenswood, einer der bekanntesten Weinmarken. Tatsächlich kannte ich einen Spruch des Ravenswood-Gründers schon vor 30 Jahren: „No wimpy Wines“! Jürgen Steinbrecher hatte ihn am Fenster seines Restaurants kleben als Devise, dass es auch dort keine „erbärmlichen Weine“ geben würde.
Heute heißt sein Feinbild ein wenig anders. „Did I pour you Bogus wine?”, will Peterson wissen, nachdem er seinen ersten Rotwein kredenzt hat. Denn auch wenn ihn der Verkauf von Ravenswood zum Millionär machte (148 Mio. Dollar lukrierten die drei Eigentümer 2001), wollte er weiter Wein machen. Das brachte ihn ins Management des Käufers, Weingigant Constellation Brands, doch mittlerweile ist Peterson zurück im Keller. Once&Future heißt die „kleine“ Unternehmung, die 3000 cases jährlich erzeugt. Und im Grunde geht es weiterhin um eine Rebsorte. „Mr. Zinfandel“ heißt ja nicht von ungefähr so. Und auch der „Green & Red Vineyard“ 2019, mit dem wir starten, ist nahezu reinsortiger Zinfandel. Ein wenig Petite Syrah (15%) ist auch im Spiel, jene Sorte, die ursprünglich aus Frankreich stammt, wo sie als „Durif“ aber praktisch vergessen ist. „1955 war das sogar die am meisten kultivierte Sorte in Napa“, gibt es Nachhilfe in kalifornischer Wein-Geschichte.
Zwischen Ziegelstein-Staub und erdigen Noten pendelt die erste Nase des 2019ers. Auf der Fruchtseite ist Heidelbeere – sehr reif und dunkel! – zu riechen. Herb und säurig mischt aber auch Schlehe mit. Unsere Vermutung, dass auch Ganztrauben im Spiel sein könnten, verneint Joel Peterson (kl. Bild rechts). Er lehnt die Technik nicht ab, bei diesem Wein gibt aber der Petite Syrah-Anteil die herb-dunkle Struktur. Wobei der Eindruck am Gaumen überrascht! Schlank wirkt der mit über 15% vol. gefüllte Wein direkt, das liegt an der Säure, die an Cranberry erinnert. Wäre da nicht das jugendliche Tannin, würde man den Wein auch etwas älter schätzen. Denn mit viel Luft zeigt er ein beachtliches Spektrum – bleibt aber immer „amerikanisch“ in einem Punkt. Er ist ausladende und intensiv. Nicht eingekocht und marmeladig, aber definitiv „bold“, wie sie in Kalifornien sagen würden.
Der zweite Wein mit dem simplen Namen „Frank’s Block“ lässt noch tiefer in die US-Weinhistorie, aber auch Petersons Zinfandel-Leidenschaft, eintauchen. Mit den Trauben, die er von der Ray Teldeschi Ranch bezieht, hat Once&Future einen Schatz zur Hand, den man so sonst nur von den „grandfathers“, den Rebanlagen aus dem 19. Jahrhundert, in Australien kennt. Doch das kalifornische Dry Creek Valley ist nicht Barossa und so ist es hier der wurzelechte Zinfandel, der auf die 1880er Jahre (!) zurückgeht. Wie es dazu kam, hat übrigens eine österreichische Fußnote, die bis nach Schönbrunn in die botanische Sammlung führt. Von hier bezog Colonel George Gibbs einst fünf Rebsorten aus der ungarischen Reichshälfte, darunter den Crljenak kaštelanski von der kroatischen Küste, der als Zinfandel dann in Übersee Karriere machte. Angeblich, so erzählt es Joel Peterson, habe der Colonel als berühmter Mineraloge einen Teil seiner Stein-Sammlung in Österreich gegen Reben getauscht. So gesehen ist es auch eine Rückkehr in die alte Heimat, die der „Frank’s Block“ nun in unserem Glas feiert!
Er tut das mit einem ziemlich konzentrierten Frucht-Duft, der an Kirschkompott, Nougat und Rote Rübe anklingt. Auch dieser Wein bringt ein ganz anderes Mundgefühl mit als erwartet – weiches Tannin und erneut viel rote Frucht stehen zu Buche. Die Waldbeeren zeigen auch überraschen viel Säure, die gegen den Abgang hin zunimmt. Dieser Biss im Finale, der sich auch dem nun merklicheren Alkohol verdankt (Zinfandel unter 13,5% hält Peterson für „irgendwie zerfahren“), ist attraktiv. Der Schlussakkord erinnert an „Mon chéri“, wobei das Rückaroma auch Gewürzpaprika aufweist. Der „Frank’s Block“ ist ein Rotwein, dem man gerne in zehn oder zwölf Jahren wieder begegnen möchte.
Am zugänglichsten ist dann die dritte Probe aus dem aktuellen Tun des 77-jährigen. Der 100%ige Petite Syrah wird aber erst nach einem besonderen Leckerbissen eingeschenkt: Der 2006er Ravenswood stellt einen Zinfandel aus der Vergangenheit der Weinlegende dar. Es ist eine Flasche, für die der Schweizer Kritiker René Gabriel einmal den Terminus „ein schizophrener Wein“ geprägt hat. Soll heißen: Überreife Nase, jugendlicher Gaumen. Und vor allem die Tanninstruktur dieses 2006er aus Kalifornien wirkt, als hätte man ihn vorgestern erst abgefüllt. Eine spannende Erfahrung!
Ihr folgt dann ein Duft nach Erdbeeren, Kirsche, Balsamessig der oberen Preisklasse in Modena und flüssiger Milchschokolade. Das ist das Duftbild des Petite Syrah 2019, der aus Calistoga stammt. Er braucht viel Luft, was nur seine Jugendlichkeit unterstreicht. Allerdings ist dann auch alles da: Vor allem die Säure, ein Markenzeichen des eher früh lesenden Peterson, ist wieder jugendlich. Preiselbeer-Geschmack hat man auf den Lippen. Vor allem ist dieser Wein offen und zugänglich. Wie ein Kirschlikör ohne Süße kleidet er den Mund aus. Das ist immer noch ein sehr amerikanischer Wein. Aber einer der die Arme weitausbreitet und dabei ein weltumarmendes „Darling, so good to see you“ aus dem Glas ertönen lässt.
Bezugsquelle:
Once & Future Wine Company, Zinfandel „Green & Red Vineyard“ (Napa Valley) 2019 kostet EUR 59,90, der Zinfandel „Teldeschi Vinyard/Frank‘s Block“ (Dry Creek Valley) 2019 ist ebenso um EUR 59,90 zu haben, während der Petite Sirah (Napa Valley) 2019 EUR 69,90 kostet – alle Weine in den Filialen von Wein&Co. bzw. im Webshop, www.weinco.at