Kaum haben wir den sommer-heißen April standesgemäß mit den Rosés aus dem Comité Mistral (lesenswert und hier zu finden!), geht das Leben in Rosa weiter. Jean-François Ott ist die vierte Generation in der Provence, die unter dem deutsch klingen Namen Weine keltert. Tatsächlich stammt die Familie aus dem Elsass, wie Christophe Coppola Renard gleich zu Beginn der Verkostung im Wiener Grand Hotel ausführt. 27 Jahre ist Monsieur Renard für die Domaines Ott* (der Stern gehört zum Schrift-Logo dazu) tätig. Und man merkt, dass es ich wichtig ist, die Unterschiede dieses Hauses gegenüber der aktuellen Flut in Rosa herauszustreichen.
Drei Weingüter in zwei Anbauregionen – Bandol und – liefern die Trauben, zu denen auch Zukauf kommt. Allerdings deutlich weniger als beim Mitbewerb, der teils keinen einzigen eigenen Weingarten besitzt. 1,5 Mio. Flaschen Rosé wollen aber auch befüllt werden. Und Château de Selle, Clos Mireille bzw. Château Romassan liefern hier die Trauben. Wobei der Unterschied schon mit den Hauptrebsorten beginnt. Grenache herrscht in den Côtes de Provence vor, im Bandol hingegen sind 20% Mourvèdre als Minimum vorgeschrieben. Der Rosé von Château Romassan nutzt sogar 55% im aktuellen Jahrgang; dazu kommen 25% Grenache und der Rest wird von Cinsault gestellt.
Das Ergebnis duftet nach Zitruszesten, vor allem von rosa Grapefruit, ebenso wie nach einem Johannisbeer-Macaron. Der sehr frische Duft lässt die Früchte aber nur leicht durchschimmern, wie bei guten Rosés ist dieses Duftbild mehr ein Aquarell. Am Gaumen wird es deutlich intensiver, was die roten Früchte betrifft – hier denkt man an Roten Apfel, aber auch an Waldbeeren, wobei dieser Geschmack so sanft ist, dass man meilenweit von den Himbeer-Bomben heutigen Zuschnitts entfernt ist. Die feine Würzigkeit dieses 2022ers macht den Unterschied aus, dazu auch die trinkanimierende Art, die vor allem im letzten Drittel auffällt. Dass man hier 13,5% vol. im Glas hat, will man der rosa Samtpfote aus dem Château Romassan gar nicht glauben.
Interessant ist auch ein Nebensatz während der Verkostung, die auch das Reifepotential der Ott*-Rosés demonstrieren will. Denn alle drei Weingüter folgen den Regeln von Bandol. „Sie sind strenger, Handlese ist verpflichtend, auch die Abfüllung ist erst im März erlaubt“, so Christophe Renard. Damit haben alle Weine zwei Monate länger Zeit, ihre Aromatik auszubilden, als es im Reglement der Côtes de Provence vorgesehen wäre. Von hier stammt der Clos Mireille 2022, ein Cru Classé, der es anfangs verhalten angeht. Verbene und Weißer Pfeffer geben einmal eine Duftspurt davon, dass es hier um Struktur und nicht um Frucht geht. Allenfalls Blutorange und – in Rudimenten – auch Himbeere lassen sich erschnuppern.
Dafür wird es am Gaumen sehr abgestuft: Auf einen kühlen Beginn folgt eine extrem deutliche, aber niemals süße Beerenfrucht. Die ersten Erdbeeren eines Jahres, teils noch weiß und nicht rot, darf man sich hier als Analogie vorstellen. Hinzu tritt aber auch ein feiner Gerbstoff, der im Finish dann in einem Paarlauf endet. Die herbe Frucht, die man hier spürt und die zum Weitertrinken anregt, ist eine Kumquat mit zartem Säure-Biss. Ein geradezu prototypischer Côtes de Provence-Rosé, allerdings einer, der sich nicht anbiedert. Und ein durchaus komplexer Wein, keine Spaß-Flasche, die man gedankenlos „en piscine“ trinkt, wie man in seiner Heimat sagen würde – also auf viel Eiswürfeln.
Sémillon als Basis – auch das ist Domaines Ott*
Begonnen hat beim mittlerweile weltberühmten Rosé-Weingut aber alles mit Weißwein. Bis man 1996 zum „best Rosé in the world“ gekürt wurde, überwog der Blanc von Clos Mireille. Vor allem basiert er auf einer Traube, die an sich in der Appellation Côtes de Provence nicht mehr zugelassen wäre – „eine Sondererlaubnis macht es möglich, die alten Reben zu nützen“. Sémillon kam aus dem Bordeaux, wo Gründer Marcel Ott Station machte, ehe er 1896 in die Provence gelangte. 1938 wurde der erste Jahrgang dieser in der Region raren Sorte abgefüllt, damals eine Pioniertat, heute eine legendäre Reminiszenz.
An die man aber denkt, sobald der 2022er Clos Mireille „Blanc“ eingeschenkt ist. 40% Rolle alias Vermentino ergänzen den in dieser weißen Assemblage. Auch sie kommt in der ikonischen Amphoren-artigen Flasche zu Tisch, die man von den Provence-Rosés der Domaines kennt. René Ott als zweite Winzer-Generation führte sie bereits 1926 als Markenzeichen ein. „Es gibt sie in allen Formaten, von der Halbflasche bis zu sechs Litern“, ist Christophe Coppola Renard auf diese Wiedererkennbarkeit stolz.
Der Flascheninhalt duftet nach Jasmin, Vanille, Salz-Erdnüssen, vor allem aber intensiv nach Pfirsich. Die florale Note des Rolle, die wir hier schon einmal bei einem anderen Provenzalen beschrieben haben, ist ausgeprägt. Rund und mit einem Geschmack wie weich gewordener Butterkeks legt der „Blanc“ los. Ein leicht salziger Zug schwingt bei der Grapefruit-Schale mit, an die der spritzig-herbe Touch dieses erfrischenden Weißweins erinnert. Ein Alzerl Mandelmilch sorgt für ein sattes Mundgefühl, ehe die Textur final dann „crispy“ und der Wein säuriger wird. Dieser Schlussakkord ist es, der die Speiseempfehlung M. Renards nur allzu verständlich macht: „Zu Fisch und Meeresfrüchten, etwa einem Lachstatar“. Wir würden nur noch explizit ergänzen: Jakobsmuscheln gratiniert, bitte!
Bezugsquelle:
Domaines Ott*, Clos Mireille Cru Classé Côtes de Provence 2022 kostet EUR bei Wein & Co – in den Filialen und online, www.weinco.at
Domaines Ott*, Château Romassan Rosé Bandol AOP kostet EUR 38,-, der Clos Mireille Blanc Côtes de Provence 2022 wird um EUR 38,- angeboten, beide beim Onlinehändler Vinello, www.vinello.at