Die Kampagne sticht ins Aug‘: Manchmal muss man zwei Mal schauen, bei anderen Porträts verblüfft die Ähnlichkeit – denn mitunter liegen 25 Jahre zwischen den Aufnahmen. Sie alle zeigen Winzer und symbolisieren einen Schwerpunkt des Händlers Del Fabro Kolarik namens „Selten gut gereift“ (der Wortwitz ist evident!). Sortimentsentwicklungsexperte Benjamin Mayr stellte diese Schätze mit den renommierten Winzern Andreas Kollwentz vom Weingut Kollwentz und Lucas F. Pichler (FX Pichler) vor. Der erste Vergleich zwischen dem Riesling Ried Loibenberg des Jahrgangs 2010 verblüffte gleich einmal: Hier trat die Normalflasche gegen eine Halbflasche (0,35 Liter) dieses Weines an. Deutlich frischer, ja fast pikant zeigte sich Pichlers Riesling im kleinen Format.
Der dichtere (Schraub)Verschluss und eine Schutzgas-Atmosphäre beim Füllen wurde vom Winzer selbst als Grund dieser mirakulösen Frische angeführt. Fein Passionsfrucht-Noten am Gaumen, eine generell hoch attraktive Exotik, die auch an – kühle, nicht pappsüße – Lychees anklang, standen bei der „kleinen“ Füllung zu Buche. Die reguläre Flaschengröße hingegen wies deutlich reifere und auch fetter wirkende Duftnoten auf: Kandiszucker, Pomelo und Ananas-Zuckerl. Die Tropenfrucht am Gaumen erwies sich als anders, breiter und voller; der Wein selbst war bereits bestens antrinkbar. Es sollte aber nicht die einzige Überraschung bleiben!
Um noch einen wunderbaren Weißwein zu nennen, der im Tasting in der Grillgasse (Wien 10) so richtig „sang“, sei der Muskateller 2015 erwähnt. Er stammt vom Weingut Gross und erinnerte an „Bitter Lemon“, Grapefruit-Zeste und Maracuja in Reinkultur in seinem reichen Duftbild. Die vermeintliche Spaß-Rebsorte, in Gamlitz immer als Lagenwein der Ried Perz gefüllt, brachte die Passionsfrucht, viel Marille und ein ordentliches Quantum Gerbstoff mit. Das ließ an Orangen im Finale denken, vor allem aber war es ein Plädoyer, sich mit dem Reifen von Weinen generell zu beschäftigen. Primärfrucht ist schließlich nicht alles. Oder, wie es Benjamin Mayr (kl. Bild rechts) formulierte: „Das ist vergleichbar mit einer Schatzsuche – wir sind auf der Suche nach den wenigen Weinen, die Reifepotenzial haben.“ Und er kostet mit seinem Team immerhin 2000 Weine jährlich, aus denen 80 es in das Raritätenprogramm von Del Fabro Kolarik schaffen.
Dort findet sich mit dem Jahrgang 2006 auch ein Kollwentz-Wein, der mit seiner Entwicklung eine andere heimische Sorte in ihrer reifen Schönheit vorstellte. Blaufränkisch „Ried Setz“ erinnerte mit seiner Mischung aus Kräutern und Unterholz sowie erdigen Tönen an einen Bordeaux. Das allein ist für einen „BF“ schon eine Leistung, doch das schöne Spiel im Glas entwickelte sich erst. Langsam wichen Estragon und Co. einem dezenten Frucht-Akkord, der sich als Heidelbeere entpuppte.
Im Mund ließ die würzige Seite ebenfalls ihre Muskeln spielen. Man dachte ein wenig an Cabernet Sauvignon, als sich die leichte Paprikawürze zu den Kräuter- und Trüffelnoten gesellte. Auch hier war es weniger die Frucht, sondern die Struktur, die Beifall fand. Mit der Mineralität des Kalkbodens der „Setz“ ausgestattet, ließ dieser Wein selbst die Tannine lebendig wirken – und keineswegs als Bremse des Trinkflusses. „Jüngere Jahrgänge sollten Stunden vor dem Genuss geöffnet oder dekantiert werden“, so Andi Kollwentz. Doch hier ist das nicht nötig; der 2006er prunkte fast mit Trinkanimo. Und verdiente in diesem Reifeplateau auch ein französisches Prädikat: „Hors d’âge“.
Die größte Begeisterung löste aber eine Vierer-Serie von gedeckt eingeschenkten Rotweinen aus. Sie zeigt, wie unterschiedliche Weine reifen, aber auch welche Schätze für die Gastronomie hier warten würden. Denn nachdem alle ihre Expertise geäußert hatten, deckte Mayr das Geheimnis auf: Es kam vier Mal Feiler-Artingers Cuvée Solitaire 2009 ins Glas! Allerdings stammten die Proben aus 0,35 bzw. 0,75 sowie 1,5 und 3 Liter-Flaschen. Während die Magnum einen dunklen Typus auf die Zunge brachte, der mit Kaffee-Anklängen und reifen Kirsch- und Zwetschken-Tönen das fortgeschrittene Alter zeigte, waren die kleineren Gebinde diesmal wieder leicht im Vorteil.
Die zarte Bräunung und die madeirisierten Duftnoten der 0,35 Liter-Charge gaben am Gaumen ein anderes Bild ab. Hier war es Cassis und jugendliches Tannin, das zu merken war, auch der würzige Ton des Cabernet in der Cuvée kam schön durch – Kräuterschnitt pur! Eher an Leinsamen, Leder und Paprika dachte man bei der 0,75er-Größe. Er war mit seiner Saftigkeit der Star dieses Vierer-Flights; feiner Gerbstoff und satter Heidelbeer-Geschmack mit noch immer erkennbarer, dezenter Säure machte ein echtes Trinkvergnügen aus. Schatzsuche gelungen, Motto erfüllt! Denn dieser „Solitaire“ 2009 war wahrlich „gut gereift“.
Bezugsquellen:
F X Pichler, Riesling Ried Loibenberg 2010 (Rarität) kostet EUR 49,- in der 0,35 Liter-Flasche, EUR 117 in der Bouteille;
Weingut Gross, Gelber Muskateller „Ried Perz“ 2015 (Rarität) wird in Restmengen um EUR 37,- angeboten;
Kollwentz, Blaufränkisch „Setz“ 2006 ist um EUR 88,80 (0,75 Liter-Flasche) erhältlich;
Feiler-Artinger, Cuvée Solitaire 2009 (Rarität) wird um EUR 22,80 (0,35 Liter) und EUR 42,- (0,75 Liter) im Shop geführt – alle Weine bei Del Fabro Kolarik, https://delfabrokolarik.at/