Das unbekannte Meisterwerk, der Zufallsfund, sie faszinieren Sammler seit jeher. Egal, ob es um Renaissance-Ölgemälde geht oder eben Whisky. Über einen dieser verschollenen, alten Single Malts – Jahrgang 1958 – haben wir erst hier unlängst erst berichtet. Anders verhält es sich mit den acht Abfüllungen von The House of Hazelwood. Denn hier wurde eine Privatsammlung mit den vermögenden Scotch-Fans in aller Welt geteilt. Schon der Name der Kollektion verweist auf die Gordon Grants, die Dynastie hinter den größte Familien-geführten Whisky-Brennereien. Denn Hazelwood House war lange Wohnsitz von Janet Sheed Roberts. Die Enkelin von Firmengründer William Grant kennt man für zwei Dinge: ihr biblisches Alter (sie starb 2012 mit über 110 Jahren) und die in nur elf Flaschen aufgelegte „Janet Sheed Roberts Reserve“ aus dem Jahr 1955. Lange galten diese „bottlings“ als Rekord-Brecher auf Auktionen. Doch bereits auf Whisky zu Mrs. Roberts 90. und 105. Geburtstag fand sich „Hazelwood“ auf den Etiketten.
Die aktuelle Kollektion aber sollte eigentlich für den Privatverbrauch der Familie dienen. Vor allem Charles Grant Gordon (1927-2013) trug zur Sammlung bei, die nicht nur Whisky der eigenen Brennereien Glenfiddich, Balvenie und Kininvie umfasst. Besondere Fässer aus ganz Schottland lagerten in der Sammlung. Was nun als House of Hazelwood abgefüllt wurde, ist zwischen 33 und 56 Jahren alt. Man darf jetzt anerkennend pfeifen oder ehrfürchtig seufzen!
Innerhalb der Serie trägt der „The Tops“ einen verwirrenden Namen, denn er stellt preislich den Einstieg in die „HoH“-Welt (wenn auch bei rd. 1.700 Euro) dar. 33 Jahre reiften die Speyside-Whiskys, die sich in diesem Blended Malt Whisky befinden. Sie gelten als die besten des whisky inventory – jenem Stock an reifen Whiskys, mit denen Malt Master wie aktuell Brian Kinsman arbeiten. Daher bezieht der „The Tops“ seinen Namen. Er könnte allerdings auch genauso gut „Cocktailkirsche“ heißen. Denn im Geruch dominieren zwei Facetten die 536 Flaschen, die es davon weltweit gibt: Rote, zart säuerliche Frucht, die vom 51,6% vol. starken Blended Malt noch beflügelt wird, und Eichenholz. Es ist europäische Eiche, die man hier riecht, und aus der die Sherry-Fässer gefertigt wurden, in denen der Whisky reifte.
Unlike most Scotch whisky producers, the House of Hazelwood collection brings with it no requirement to release whiskies of a given age or a given style on a set date. […] The maturing stock is ready when it’s ready.
Motto der „HoH“-Kollektion
Der Amarena-Touch in der Nase verbindet sich auch mit Haselnuss-Splittern, was sich am Gaumen als trefflicher Hinweis auf den Geschmack entpuppt. Denn „The Tops“ hat eine deutlich nussige Seite, die neben dem reichen und nachdrücklichen Mundgefühl sein Markenzeichen darstellt. Extrem wärmend ist er im Nachklang, während der Alkohol sich im Geschmack kaum – und schon gar nicht störend – zeigt. Weil es uns aber interessierte, gaben wir einen Tropfen Wasser zum Aufschließen des 33 Jahre gereiften Blended Malts hinzu. Siehe da, das Gesicht hellte sich auf – Orangenmarmelade des herben britischen „Thick cut“-Zuschnitts kam durch, aber auch ein gerade spürbarer rauchiger Touch, der mit der leichten Bitternote an lange gezogenen Schwarztee erinnert. Nun heißt es nur noch drei Minuten warten. Denn dann setzt ein Nachgeschmack von Ganznuss-Schokolade ein, der zumindest uns Jahrzehnte zurück in die Schulzeit versetzt. Ungewohnt dunkel für die Speyside fällt dieses Geschmacksbild aus. Aber umso mehr gefällt „The Tops“ auch.
Das Karamell des Geister-Grains: „The Lost Estate“
Der 43-jährige Whisky stellt einen unwiederbringlichen Schluck dar, denn es sind zwei nicht mehr existente Grain-Destillerien, deren Erzeugnisse hier vermählt wurden. „A rich, estery release“ nennt man diese Rarität bei William Grant & sons. Und einmal mehr zeigt die schottische Whisky-Sprache große Präzision. Denn die Ester-Noten sind in der Tat ausgeprägt. Wenn nicht eine Walnuss-Tönung im Duft kräftig dazwischenfunken würde, kämen karamellisierte Ananas und flambierte Banane in Reinkultur an die Nase. Der auch nach über vier Jahrzehnten noch fast blasse „Blended Grain“ wurde wie alle House of Hazelwood-Abfüllungen mit einer natürlichen Fass-Stärke (von milden 41,6% vol.) gefüllt.
Die Zunge umspielt er wie eine schmelzende Karamell-Glasur. Viel Vanille und ein Touch „Werthers Echte“ zeigen Sanftheit, während im Finale dann auch Milchkaffee und Dulce de Leche den Eindruck eines Desserts unterstreichen. Dabei ist nicht die Süße, sondern die helle Getreidigkeit eines Biskuit-Teigs das Thema. Im Rückgeschmack kommen dann auch die Früchte wieder zu ihrem Recht – diesmal ist eine pochierte Birne der beherrschende Geschmack.
Neben dem „Blended Grain“ umfasst die Sammlung der William Grant-Rarissima auch einen „Single Grain“, der für das Familienunternehmen hohe Bedeutung hatte. Er stammt aus der Produktion des Jahres 1968 (!) und ist somit einer der ersten Grain-Whiskys, die aus der fünf Jahre zuvor eröffneten Brennerei Girvan in South Ayrshire kamen. Charles Grant Gordon hatte nach einem Streit mit seinem damaligen Grain-Lieferanten kurzerhand selbst eine Brennerei errichtet. Die allererste Abfüllung – als „The First Drop“ ebenfalls von House of Hazelwood aufgelegt – war als echtes Stück schottische Whisky-Geschichte sofort ausverkauft. Auf sie folgten die 303 Flaschen Single Grain, die noch dazu seit 1968 in einem Sherry-Fass verbrachten.
Der mittlerweile 56 Jahre alte Whisky kann seine Reifung auch nicht verleugnen. Braun wie frischer Kaffee ist die Farbe – und damit deutlich dunkler als (selbst alte) Single Grains. Der Duft ist zusätzlich Sherry in Reinkultur und erinnert an die Qualität der damaligen Fässer, die sich tatsächlich noch Jahrzehnte mit dem gespriteten spanischen Wein vollsaugen durften, ehe sie diesen Gehalt an den Whisky weitergaben. Mit Mandelsplittern durchsetzte Milchschokolade ist da zu riechen, aber auch Rosinen und Malaga-Eis, aber auch ein wenig Föhren-Harz („Pech“). Im Mund erfüllt dieses mit 49,2% vol. gefüllte Konfekt alle Erwartungen. Der Kern ist immer noch ein schlanker Grain Whisky, doch rundherum hat das Sherry-Holz Schicht um Schicht an Geschmack aufgebaut. Haselnuss, etwas Melasse, wie sie sich im Rum-Duft schon angedeutet hatte, reichlich Schokolade, Gewürznelken und ein unglaublich langes Finale zeigen erneut, dass auch der gern geschmähte Grain gut reifen kann. Allerdings legt ihn heutzutage niemand mehr in solche Fässer. Vor allem auch, weil sie kaum mehr jemand zur Verfügung hat. Und schon das macht die Zeitreise in die Anfangstage der Girvan Distillery für jeden Whisky-Freund interessant.
Zurück im Zuckerlg‘schäft: “The Old Confectioner’s”
Für eine weitere „Cuvée“ aus Single Malts standen „the old-fashioned sweet shops of our youth” Pate. Der 44 Jahre alte Blended Malt aus der Charles Gordon-Collection (=die teuersten HoH-Füllungen)erinnert auch mit dem intensiven Nuss-Braun an Konfekt und Kekse. Gereift wurde „The Old Confectioner’s”, wie die Abfüllung von nur 256 Flaschen getauft wurde, in bereits einmal mit Whisky befüllten Sherry-Butts. Ein kurzes Riechen genügt, um festzustellen, dass dieser Whisky mit einem Geruch nach Ananas-Marzipan, Butterkeks und Nougat seinem Namen alle Ehre macht. „Lieb“ oder gar weich ist trotz des massiven Sherry-Einflusses aber nichts an diesem 44 Jahre alten „Blended Malt“, dafür sorgt der leichte Rauch-Ton, der an frisch aus dem Rohr geholten Schokokuchen erinnert.
Mit 46,3% vol. kam der „alte Süßwarenladen“ in einer fast perfekten Trinkstärke aus dem Fass. Weniger Alkoholstärke sollte er aber auch nicht haben. So läuft er nämlich gerade im Finish zur Hochform auf. Still und leise baut „The Old Confectioner’s” eine Aromakraft auf, die in der Tat eine Fülle an Süßwaren durchläuft. Röstig wie eine Waffel („Manner-Schnitte“), süß wie Kakaocreme, zart herb wie Schokolade jenseits der 55% Kakaoanteil, aber auch dezent fruchtig spannt sich hier ein gewaltiger Bogen. Der Auftakt lässt davon nur Getreidewürze und tropische Frucht, aber in der soften Form, wie sie Bananenchips oder getrocknete Ananas als geschmackliches „Negativ“ der frischen, saftigen Früchte liefern. Etwas Säure macht diesen Einstieg zu einem vertrauten Schluck Whisky. Was danach passiert, lässt sich aber als wahre Trinkdramaturgie bezeichnen. Und der zweite Akt ist schier endlos. Wie schon öfters im Trinkprotokoll zu lesen: Wir lieben „Blended Malts“ – und gereifte wie diesen noch viel mehr!
Bezugsquelle:
House of Hazelwood, 33 Year Old „The Tops” (Blended Malt) wird um rd. EUR 1.700,- angeboten, der 43 Year Old „The Lost Estate” (Blended Grain) kostet rd. EUR 1.400,-, der 1968 destillierte „Cask Trials“ (Single Grain) ist um rd. EUR 4.450,- zu haben und der 44 Year-Old „The Old Confectioner’s” (Blended Malt) um rd. EUR 3.500 – alle über den Webshop der Kollektion, www.houseofhazelwood.com