Mut kann man bekanntlich nicht kaufen. Wagemut aber schon. Als Rum nämlich, den Nicolas Kröger abfüllt und mit Sherry-Fass-Finish zu einem geheimen Bestseller gemacht hat. Doch „Wagemut“ kennen manche auch von seiner gleichnamigen Bar im Wiener Grand Hotel. Auch dort steht ein unübersehbares Rum-Fass, das einen wunderbar servierten „Manhattan“-Twist versorgt. Denn die karibische Spirituose, vor allem die Feinheiten der Fass-Reifung, faszinieren Kröger seit seinen Berliner Tagen. Heute reifen seine Destillate in jener Stadt, die Mike Krüger mit „Welthits aus Quickborn“ bekannt gemacht hat. Und einen Welthit stellt auch „FassSprache“ dar, der neueste Streich des Wagemut-Kopfes.
Um bei der Unterhaltungsmusik zu bleiben: Es ist eigentlich ein Duett, denn ohne Markus Eder würde es diesen Zauberkasten mit 16 Rum-Proben nicht geben. Der Küfer aus dem facheinschlägig höchst bekannten Unternehmen Wilhelm Eder in Bad Dürkheim baute nämlich 15 Fässer für Kröger. Bzw. besorgte er sie. Denn russische Eiche und das schnell wachsende Kiri-Holz, von dem noch kaum jemand gehört hat, sind Teil der Kollektion. Im Idealfall waren es 225 Liter fassende Gebinde. Denn wie in der Wissenschaftstheorie schwebte den beiden ein „ceteris paribus“-Experiment des Rumgeschmacks vor. Sprich: Es durfte nur eine Variable, eben das Fassholz, verändert werden!
Immer war es ein drei Jahre alter Trinidad-Rum, der mit 63% vol. für sechs Monate in das zweite Reife-Fass gefüllt wurde. Und genau sechs Monate später wurde er mit 45% vol. abgefüllt. Zum Vergleichen, zum Fachsimpeln, zum schlichten Staunen. Denn auch das Basis-Destillat ist der Box namens „FassSprache“ (nebst umfangreichen Video-Material von Eder & Kröger!) beigepackt. Wir beginnen mit dieser „Null-Messung“ unsere Verkostreise: Schoko-Süße, viel Vanille und die Birnen-Note, die britische Kollegen gerne „pear drops“ nennen, bilden ein einladendes Duftbild.
Sehr typisch schmeckt dieser Trinidad-Rum nach 3,5 Jahren; Kokos und Schokolade ergeben einen an „Bounty“ erinnernden Schmelz. Nougat ist da zu merken und aus der Haselnuss-Seligkeit reißt einen das noch jugendlich-scharfe Finale des mit 45% vol. gefüllten Basis-Rums. Etwas Pfeffer und noch zu schleifender Alkohol bleiben als Schlussakkord. Es ist aber zweifellos ein wertiger und für den britischen Stil auch sehr zugänglicher, wenig staubtrocken wirkender Rum, den man bei Wagemut ausgewählt hat.
Allerdings geht es hier ja nur um das Ur-Meter, an dem alle Nachreifungen Maß nehmen. Und hier gibt es jetzt keinen Spoiler-Alarm zur FassSprache. Wir sagen es klar vorweg: Der Aromen-Eintrag der unterschiedlichen Hölzer ist schlicht unglaublich. Wobei wir nur drei der 15 Holzarten, darunter allein sieben Eichen (u. a.: US, französische, deutsche, aber auch die vom Japan-Whisky bekannte Mizunara), im Detail vorstellen wollen. Wegen der Spannung wäre es…
Ein Touch Nutella aus dem durstigsten Fass
Und die ist garantiert. Das „Double Wood“-Verfahren dreht den Trinidad-Rum in geschmackliche Richtungen, die man so nicht für möglich gehalten hätte. Aber wann hatten wir schon einmal Rum aus Eschen- oder Kastanien-Fässern? Eben! Purer Popcorn-Duft und ebensolcher Geschmack beispielsweise gehört nach sechs Extra-Monaten im Nussholz-Fass zur Probe. Unter allen 225 Liter-Fässern „säuft“ das Walnuss-Holz auch am meisten; lediglich 188 Flaschen (à 0,5 Liter) gingen sich am Ende aus. Bei den Eichen lag diese Quote meist zwischen 220 und 235 Flaschen.
Doch der Schwund ergibt am Ende einen Rum, der wie ein frisch aus dem Ofen gezogener Schoko-Kuchen riecht – die knusprige Kruste sieht man bei diesem Duft praktisch vor sich. Allerdings hat das Nussholz auch das Mundgefühl radikal in eine fast schon ölige Richtung verändert. Die meiste Farbe gab sie dem Rum auch mit (siehe kl. Bild!), doch vor allem der Geschmack nach Pralinés ist auffällig. Er sorgt auch für eine erhöhte Harmonie im Ausklang des Trinidad-Rums. Deutlich gefälliger kommt hier das zuvor etwas ruppig-pfeffrige Finish des 45%-igen Destillats zur Geltung.
Ganz anders hingegen zeigt sich die Kirsche, von der auch Winzer in der Regel die Finger lassen, obwohl das Holz nicht so schwer erhältlich und zu verarbeiten ist (wie etwa Birne mit ihren Hohlräumen – auch das lernt man im FassSprache-Kisterl!). Doch der Duft erinnert hier nach sechs Monaten an Grappa. Flüchtige und nicht immer angenehme Düfte erinnern an Chemie und sind auch am Gaumen nicht ganz verschwunden. Allerdings ist hier die helle Frucht des Rums markant und seine Eleganz, die fast an einen guten Obstbrand erinnert. Zumal am Ende auch wirklich noch ein leichter Anflug von Kirsche zu schmecken ist. Fast als hätte das Obstbaumholz just einen Stein-Ton als Signatur hinterlassen.
Ähnlich dunkel wie die Nuss fällt auch der Rum aus dem Akazien-Fass aus. Korrekt heißt das Holz natürlich Robinie, doch die dendrologische Fachterminologie lassen wir mal volkstümlich beiseite. Denn die Nase meldet hier pures Speckkrustl-Umami und einen angenehmen Geruch wie von geräucherten Mandeln. Erneut ist aber der Geschmack eine andere Sache. Hier zeigt sich viel Nuss, auch Erdnuss, dazu eine Eleganz an feiner Würze, die final sogar in Richtung Leder und Vétiver tendiert. Diese Variante, mit ihren maskulinen Gewürznoten, fasziniert. Auch wenn sie ganz am anderen Ende der „weichen“ Schokolade des Walnuss-Holzes angesiedelt ist. Aber genau dazu gibt es den „magischen“ Kasten des Nicolas Kröger a.k.a. edukatives Lieblingsspielzeug.
Bezugsquelle:
Wagemut, Tasting Set „FassSprache“ (16 x 0,02 Liter) ist um EUR 99,- direkt im Webshop von Nicolas Kröger erhältlich, https://wagemut.com