Die Bar-Szene hat sich verändert. Das ist die Quintessenz der Ausführungen von Mišel Posavac im Wiener Augarten. Im Sperling stellte der Markenbotschafter die neuen Cordials des weltbekannten Sirup-Erzeugers Monin vor. Als man vor einigen Jahren begonnen hatte, für die Bars dieser Welt Cordials in Topqualität abzufüllen, „wusste noch nicht jeder, worum es hier geht“. Mittlerweile haben viele Mixologen die eigene Produktion angeworfen und bringen die saisonalen Süße-Säure-Mischungen in ihren Kreationen zum Strahlen.
Bei der ersten Kollektion, die um drei Pfefferarten (Penja, Timur, Rue Berry) kreiste, hatte man auch Alex Kratena an Bord. Der hoch respektierte Bartender aus dem Londoner Tayēr + Elementary, seit seinen Tagen im Artesian auch ein Hero des Trinkprotokolls (hier schrieben wir mal über seinen Butter-Cocktail!), hatte ein klare Vorgabe: „Was fehlt der Bar heute an Geschmacksgebern“? Darauf, so Posavac, beruhte die erste Serie an Premium-Cordials unter dem Label Paragon. Mit der „Mystic Collection“ legt man nun ohne Kratena die eigene Vorstellung von „fehlenden“ Flavours vor. Alle zwei Jahre soll dann ein neues Trio folgen, das stets unter einem Thema stehen wird.
Das mit der Mystik hat bei „Folge 2“ der Cordials schon seine Richtigkeit. Vertrauter sind die in Kulten und Ritualen verwendeten Zutaten wie das Räucherholz Palo Santo aber aus der Parfümerie. Dafür gibt es sogar ein wenig Chemie-Unterricht. Denn das Harz Labdanum wurde wie viele Fette mit „überkritischem Kohlenstoffdioxid“ extrahiert. Das Harz der Zistrose verwendeten bereits die Ägypter zum Räuchern, im Cordial erinnert sein Duft an Erde und Kampfer, dem aus dem Medizinschränkchen bekannten Duft von „WICK VapoRub“. Leder, etwas Föhren-Pech (also: Harz) und eine intensive Säure machen den pur genossenen Paragon-Cordial „Labdanum“ zu einer sehr intensiven, da lange präsent verbleibenden, Sache.
Der Trick in Sachen Cocktails funktioniert damit gut bei Highballs: Während die Frische und Kohlensäure des Fillers (wir kosteten mit Ginger Beer) allmählich nachlässt, hält der Cordial den Drink geschmacklich auf Kurs. Das gilt auch für den am nächsten an der modernen Parfümerie für Männer angesiedelten „Vétiver“. Adlerholz alias Oud, viel Leder auch hier, vor allem aber Lack wie aus der Autowerkstatt geben der Nase ordentlich Betätigung. Die ledrig-erdige Art wird nur im Mittelteil von einem Süße-Säure-Spiel unterbrochen – final regiert wieder das Leder. Hier muss zweifellos sparsam dosiert werden. Dann aber erhalten Cocktails des „Goldenen Zeitalters“ zweifellos eine spannende „Erdung“.
Fast verspielt wirkt dagegen der Dritte im Cordial-Bunde; „Palo Santo“ erinnert in der Tat an Räucherstäbchen, mehr noch an eine Wäschekiste von Hippies, aufgrund des fordernden Patchouli-Dufts. Die Süße hat am Gaumen am meisten Präsenz, was auch an einem Nachhall von Vanille liegt, der die Säure des Cordials verdrängt.
Neben der Kombination von Palo Santo und einem mit Currypulver infundierten Gin (kantig-schräger „Negroni“-Stoff!) war es vor allem ein Pre Dinner-Drink, der die neuen Aromageber gut zur Geltung brachte. Das ergab zumindest unsere Versuchsreihe an der Mix-Station des Trinkprotokolls. Konkret gibt unserem Rezept der Vétiver aus Java (daher der bei Serge Gainsbourg entlehnte Drink-Name!) die unerwartete Geschmacksrichtung. So wird er gemixt:
La Javanaise
Zutaten:
3 cl Plantation „Stiggin’s Fancy”
2 cl Campari
2 cl Canonita – Aperitivo de Naranjas
1 cl Simple Syrup
1,5 Barlöffel Paragon Vetiver
10 cl Soda
Glas: Tumbler
Garnitur: getrocknete Orangenscheibe
Zubereitung:
Alle Zutaten (bis auf das Soda) im Shaker mit viel Eis kalt schütteln und in das Glas abseihen. Mit Soda aufgießen und Eis mit Barlöffel anheben, aber nicht umrühren – der „Fizz“ ist der halbe Spaß! – und servieren.
Das Fruchtspiel von Orangen-Apéritif und Ananas-Rum gibt die Süße vor, die erdig-würzige Kante von Paragon und Campari hält dagegen. Beides kann sensiblen Gaumen zu kräftig werden. Dann einfach etwas mehr Sodawasser verwenden. Denn auch beim Alkohol hat es der „La Javanaise“ in sich!
Bezugsquelle:
Paragon, Mystic Collection „Vetiver“ ist wie die Varianten „Labdanum“ und „Palo Santo“ um EUR 28,- (0,485 Liter-Flasche) bei L. Derksen erhältlich, www.derksen.at