„Neue Whisky-Insel aufgetaucht“ – so vermeldeten wir hier vor mehr als zwei Jahren den Erstling von Raasay. Die Brennerei, die so heißt wie das Hebriden-Eiland, auf dem sie liegt, hat von Anfang an einen spannenden Mix an Rohfrucht und Fässern eingesetzt. So greifen Alasdair Day und Bill Dobbie bei ihrer Standard-Abfüllung zu Rotweinfässern aus dem Bordelais sowie Barrels aus der raren Chinkapin-Eiche. Der größte Anteil aber im Warehouse wird von amerikanischen Weißeichen-Fässern gestellt. Nichts Ungewöhnliches, würde man meinen. Doch hier lagerte als Erstbefüllung kein Bourbon wie bei allen anderen, sondern Rye Whiskey (noch dazu von Woodford Reserve), darin.
Somit kommt eine gute Dosis Würze und auch das chemisch-medizinale Element des Rye dem „new make“ zu Gute. Wir beschreiben das gern als „Holzleim“-Duft beim amerikanischen Roggenwhisky. Da man aber erst seit 2017 destilliert bei Raasay, sind alle Schrauben, die dem jungen Destillat Kante und Profil geben, wesentlich. Das unterstreicht die neue Abfüllung namens „Dùn Cana“ mit einem weiteren Detail. Denn eine weitere „Reifungsintensivierung“ wird durch Quarter Casks erzielt. In ihnen reifte der mit 52% vol. gefüllte Malt nach. In diesen nur 125 Liter fassenden Sherry-Fässern erfolgt der Aromen-Eintrag intensiver durch ein „besseres“ (aus Malt Master-Sicht) Verhältnis von Holz zu Füllvolumen.
Zudem reifte zuvor nicht nur Oloroso-Sherry, sondern auch der ultra-süße und damit aromen-kräftige Pedro Ximénez in diesen kleinen Fässern. Das alles, um die „Technicalities“ abzuschließen, kam einem Whisky zu Gute, der mit Torfmalz destilliert wurde, wie man es von der ungleich größeren Nachbarinsel Skye auch kennt. Dort besuchen Touristen die Eisenzeit-Festungen Dun Beag und Dun Ringill. Dabei lernt man, dass das gälische „Dun“ sowohl eine Festung, als auch die Anhöhe bezeichnet, auf der sich die Forts befinden. Vom Dún Aonghasa auf den irischen Aran Inseln bis in den schottischen Westen zieht sich die Kette der Duns, auch wenn das schottische Gälisch den Akzent anders setzt. „Dùn Cana“ ist die vulkanische Erhebung auf Raasay – und der Name passt zum neuen Whisky.
Denn Rauch wie aus einem Vulkan ist der erste Duft-Eindruck. Rauchmandeln mit ordentlich Salz kann man assoziieren. Das anfangs irritierende „Stinkerl“ des Roggenwhiskey-Fasses erinnert nach einiger Zeit, die der 52% vol. starke Raasay-Single Malt benötigt, auch an Roquefort. Frucht ist hier ein Minderheitenthema; allenfalls ein wenigh Steinobst, vor allem Pfirsich, ließe sich nennen. Der Sherry-Einfluss allerdings ist durch Marzipan und Nuss kaum zu übersehen. Auch am Gaumen bleibt der neue Raasay-Malt erfreulich kantig, hat aber dennoch einen Zug zum Tor. Der ausgeprägt schokoladige Mittelteil erinnert an dunkle Brownies und – ebenfalls aus dem US-Dessert-Department –Chocolate-Chip-Cookies. Spätestens im prickelnd-pikanten Finale wird diese Backofen-Röstigkeit von richtig rauchigen Untertönen abgelöst.
Der „Dùn Cana“ mag vielleicht nicht die Textur eines reiferen Whiskys aufweisen, aber das ist bei einem vermutlich vier bis fünf Jahre alten Malt auch nicht zu erwarten. Altersangabe gibt es seitens der Brennerei keine, doch auch das ist angesichts der geschmacklichen Intensität verkraftbar. Man muss diese neue Abfüllung auch nicht mit Wasser „cutten“, die volle Schönheit zeigt er bei erstaunlich sanft wirkenden 52% vol. Wobei sich der „Dùn Cana“ als perfekte Flasche für einen Abend mit Freunden eignet. Und da darf dann jeder selbst die Pipette betätigen und seine Wassertropfen zählen. Unbestreitbar ist der jungen Destillerie da aber ein bemerkenswerter, auf komplexerer Fass-Arithmetik basierender, „Dram“ gelungen.
Bezugsquelle:
Isle of Raasay Distillery, „Dùn Cana“ ist um EUR 79,90 (0,7 Liter-Flasche) bei Whic erhältlich, https://whic.de